Kayla (Elsie Fisher) klebt am Smartphone. Auf Instagram verteilt sie Herzen und Kommentare, auf Buzzfeed gleicht sie per Quiz die eigene Persönlichkeit mit der von Filmfiguren ab, und im Hintergrund wartet bereits der neueste Jimmy-Fallon-Clip. Die laut dröhnende Musik nimmt einen mit, gibt dem erratischen Klicken, Wischen und Scrollen seinen Rhythmus. Man klebt förmlich an Kayla. Der einzige, der nicht Teil dieser digitalen Wohlfühlwelt mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne ist, ist Kaylas Vater (Josh Hamilton).
Der sitzt, wie die nächste Einstellung verrät, zwar auch mit am Tisch, ist aber, genau wie das Essen, das vor Kaylas Nase dampft, im Moment nicht von Interesse. Er versucht es trotzdem: Das Essen sei schon fast kalt. Sie kontert: Kalt schmecke es besser. Was folgt, ist nicht der Streit, den Eltern und Teenager seit Anbeginn des Eltern- und Teenagerseins austragen, sondern ein Annäherungsversuch. Der Vater wirft eine Bohne nach ihr, nervt sie mit zärtlicher Beharrlichkeit so lange, bis er zu Wort kommt und Kayla – wiederum auf die schönste und nervtötendste Art – sagt, dass er sie sehr liebhat. Sie nimmt’s hin. Ein Erfolg für den Vater, der mit geradezu rührendem Einsatz darum bemüht ist, Kayla bei der Navigation in einer Welt zu helfen, die er überhaupt nicht kennt: der Millennial-Pubertät.
Eine Teenager-Figur von fesselnder Offenheit
Die empfindlichste, komischste und brutalste Phase dieser Pubertät trägt der Film bereits im Titel: die achte Klasse. Es ist das letzte Schuljahr der Junior High School, in dem alle Jugendlichen verzweifelt darum bemüht sind, die letzten Reste der Kindheit mit etwas zu ersetzen, das irgendwie als cool durchgeht. Für Kayla bedeutet das, dem ständigen Wechselspiel aus Unsichtbar-Sein und Angestarrt-Werden mit Mut entgegenzutreten. Die dazugehörigen Gedanken hält sie nicht in einem Tagebuch, sondern in kurzen YouTube-Videos fest.
Manchmal hakt es dabei, manchmal droht die Stimme ein wenig wegzubrechen, aber – und das bringt die Performance von Elsie Fisher immer wieder auf schönste Art auf den Punkt – es steckt eine fesselnde Offenheit dahinter. Der kuratierten virtuellen Version ihrer selbst scheint noch immer ein genuiner Teil von Kaylas Persönlichkeit innezuwohnen, der sich noch nicht gänzlich den Gesetzen der Social-Media-Welt unterworfen hat. Wirklich erkannt hat diese allerdings noch niemand. Die Videos schaut sich keiner an, und der Schulschwarm, den ein treibender Techno-Beat mit der dazugehörigen Zeitlupe ankündigt, registriert sie genauso wenig wie die Mädels-Clique an der Spitze der Teenager-Nahrungskette.
Das Digitale als Erfahrungswelt
Regisseur Bo Burnham entwirft geradezu beiläufig ein komplexes Abbild der Social-Media-Welt, die einer ganzen Generation ihre Stimme gibt und sie zugleich im Äther der Bedeutungslosigkeit verhallen lässt. Anders als viele der oft scheiternden filmischen Versuche, das Digitale überhaupt, geschweige denn als soziale Sphäre erfahrbar zu machen, schafft es „Eighth Grade“ mit erstaunlicher Leichtigkeit, die von Algorithmen und Impulsen gesteuerte Online-Welt auf die Leinwand zu bringen. Die Montage lässt überdrehtes YouTube-Geplapper, Instagram-Posen, Google-Recherchen und den New-Age-Hit „Orinoco Flow“ zur einer immersiven Online-Erfahrung zusammenfließen, in die man gemeinsam mit Kayla eintaucht, bis der Vater, dem Josh Hamilton eine wunderbar beharrliche Zuneigung gibt, wieder mal an die Tür klopft.
„Eighth Grade“ scheint in solchen Momenten ganz in seinem Element zu sein. Das Talent des Filmemachers und YouTube-Stars Bo Burnham, das oft idiosynkratische Musik und Stand-Up-Comedy vereint und sich immer wieder um die eigene Rolle in der Social-Media-Kultur rankt, bringt auch in seinem Spielfilmdebüt ausgelassene Komik und schneidende Schonungslosigkeit zusammen. Vieles ist in diesem Film, der eher einen fragilen Lebensabschnitt als eine ganze Generation porträtiert, zugleich saukomisch und mit Tragik behaftet. Die Verrenkungen etwa, die Kayla anstellt, bis sie nach dem Aufstehen perfekt geschminkt wieder ins Bett zurückkriecht, um das erste Selfie des Tages in die Welt hinauszuschicken. Kayla ist clever genug, um zu verstehen, dass sie ein Bild von sich entwirft, das falsche Maßstäbe anlegt. Aber ohne geht es irgendwie auch nicht.
Wenn man einen Schulamok übt
In der analogen Welt hat sich derweil die Soziosphäre der Junior High School kaum verändert. Der Alltag sieht noch weitgehend so aus, wie ihn andere Generationen erlebt haben: Gelangweilt wird am Edding-Stift geschnüffelt, in der Zahnspange rumgepuhlt oder das Aufklärungsvideo verschlafen. Doch gerade dadurch, dass es die Inszenierung nie darauf anlegt, dem Alltag ein bedeutungsschweres Gewicht anzuhängen, findet der Film einen Zugang zu den generationsspezifischen Veränderungen. Etwa bei einer Amok-Notfallübung, die sich mit der absoluten Selbstverständlichkeit der Routine in die Langweile des modernen Schulalltags einreiht. Ein Beamter mit Maske und Sturmgewehr rennt durch die Flure und erschießt die als Opfer designierten Schülerschauspieler, während die anwesenden Schüler gelangweilt mit den Füßen scharren, sich etwas zuflüstern oder ein Gähnen zurückhalten. Die Mitschülerinnen und Kayla sind ohnehin zu sehr damit beschäftigt, sich geistig auf das wirkliche Extremereignis vorzubereiten: die Bikini-Party bei der Klassenprinzessin.