The Trial of the Chicago 7

Drama | USA/Großbritannien/Indien 2019 | 129 Minuten

Regie: Aaron Sorkin

1968 kommt es zum Prozess gegen die sogenannten „Chicago Seven“, Polit-Aktivisten, die nach Großdemonstrationen gegen den Vietnamkrieg verhaftet und u.a. wegen Verschwörung und Aufhetzung zu einem Volksaufstand vor Gericht gestellt wurden. Der sich über Monate erstreckende Prozess stieß auf großes öffentliches Interesse und wurde zum Fokus und Forum für weitere Antikriegs-Proteste. Der Film entwirft in Form eines hervorragend gespielten Gerichtsdramas und fulminanten Dialog-Feuerwerks pointiert-scharfzüngig ein Panorama der damaligen gesellschaftlichen Verwerfungen und schafft es dabei immer wieder, Verbindungslinien in die Gegenwart sichtbar zu machen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE TRIAL OF THE CHICAGO 7
Produktionsland
USA/Großbritannien/Indien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
DreamWorks/Cross Creek Pic./Double Infinity Prod./MadRiver Pic./Marc Platt Prod./Reliance Ent./Rocket Science/ShivHans Pic.
Regie
Aaron Sorkin
Buch
Aaron Sorkin
Kamera
Phedon Papamichael
Musik
Daniel Pemberton
Schnitt
Alan Baumgarten
Darsteller
Sacha Baron Cohen (Abbie Hoffman) · Eddie Redmayne (Tom Hayden) · Yahya Abdul-Mateen II (Bobby Seale) · Jeremy Strong (Jerry Rubin) · Mark Rylance (William Kunstler)
Länge
129 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Gerichtsfilm | Historienfilm
Externe Links
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Diskussion

Dieser Film startet so atemlos „wortprasselig“ und clever, wie man das aus der Feder von Aaron Sorkin kennt – und wie man sich das Jahr 1968 vorstellt, in das einen „The Trial of the Chicago 7“ wirft: Rasant reihen sich eine TV-Ansprache von Präsident Lyndon B. Johnson, die absurden TV-Losverfahren zur Rekrutierung Hunderttausender amerikanischer Soldaten und die Reden von Martin Luther King und Robert F. Kennedy aneinander. Zwei knallende Schüsse durchqueren den Klangteppich der gut gelaunten 68er-Musik zur Mobilmachung. Uniformierte Nationalgarden laufen auf, die Einberufungszahlen erreichen schwindelerregende Höhen – dazwischen sechs Menschen, die wütend ihre Anhänger aufstacheln oder sich von ihren Liebsten verabschieden – mit mehr oder weniger friedlichen Worten, aber alle mit allerhand Tatendrang im Gepäck.

Tom Hayden und Rennie Davis von der „Students for a Democratic Society“ (SDS), Abbie Hoffman und Jerry Rubin von der „Youth International Party“ (Yippies), der Friedensaktivist David Dellinger, Bob Seale von den „Black Panthers“ und zwei Alibi-Angeklagte – diese acht Personen bildeten im Folgejahr der Proteste vor Gericht die „Chicago Eight“, die durch das Herauslösen des Verfahrens gegen Bob Seale dann zu den „Chicago 7“ wurden. Sie alle mobilisierten ihre Anhänger gegen den Parteitag der Demokraten in Chicago, auf dem die Partei Hubert H. Humphrey zum Präsidentschaftskandidaten ausrufen wollte. Für die jungen, aufgebrachten Menschen stellte dieser zum republikanischen Herausforderer Nixon allerdings keine wirkliche Alternative dar.

Wie die Machthaber die Proteste der 1968er kleinhalten

Ein Sprung, und der Film entführt in die stillen Hinterzimmer der Macht, wo Nixons neu eingesetzter Justizminister John Mitchell zwei Bundesstaatsanwälten eröffnet, dass man nun doch Klage gegen die Aufständischen erheben möchte. Die „kleinen Schwuchteln“ sollen durch das umstrittene Rap-Brown-Bundesgesetz vor Gericht gezerrt werden, das die konspirative Überquerung von Bundesstaatsgrenzen zur Anstiftung von Gewalttaten mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft. Geschaffen wurde dieses Gesetz von Weißen aus dem Süden und vom Kongress, um die Redefreiheit schwarzer Aktivisten einzuschränken. So führt es der gerade zum Chefankläger berufene, 33-jährige Richard Schultz (Joseph Gordon-Levitt) noch an – halb ungläubig, halb pikiert ob so viel Ignoranz eines Ministers, der in seinem Hass so beschränkt erscheint, wie man sich das heutzutage auch von der gestutzten Administration unter der Agide von Donald J. Trump vorstellt.

Fünf Monate liegen zwischen den anfänglichen Bildern des Aufwiegelns und den nun drohenden Konsequenzen. Es war eine Zeitspanne der gewaltvollen Eskalation gegenüber eigentlich friedlichen, dann aber wiederholt eingekesselten, mit Schlagstöcken und Tränengas traktierten Demonstranten. Deren Erlebnisse spart der Film zunächst aus, um sie im Rahmen des Gerichtsprozesses in der Erinnerung der Angeklagten wieder aufzurollen. Allein schon der Titel trägt die Wild-West-Allüre in sich. Und nicht anders müssen sich die „Chicago 7“ gefühlt haben: Als Vorkämpfer in einem Staat, der ihnen Konspiration vorwirft, sich aber selbst gegen die unliebsamen Elemente verschworen hat und einem unfairen Prozess mit einem unfähigen Richter wohl auch noch ein paar manipulative False-Flag-Aktionen beifügte.

Aaron Sorkin leiht den Underdogs seine polemische Schlagfertigkeit

Aaron Sorkin hatte schon immer ein Herz für die Underdogs, denen er als Drehbuchautor eine fast schon genialische Dialog-Schlagfertigkeit in den Mund legt. Dem kämpfenden Baseball-Teammanager Billy Beane in „Moneyball“, dem zunehmend einsamen Mark Zuckerberg in „The Social Network“, dem Apple-Mitgründer „Steve Jobs“ oder den Akteuren im „Krieg des Charlie Wilson“. Wortgewandt und beißend analytisch begeben sich Sorkins Stoffe in die Zentren der Macht, ob der politischen in der Weißes-Haus-Serie „The West Wing“ oder der medialen in „The Newsroom“.

„The Trial of the Chicago 7“ ist nun der zweite Film, bei der Sorkin nach dem Pokerrunden-Queen-Biopic „Molly's Game“ auch Regie führt und sich wieder auf die für ihn typischen männliche Haupt- oder besser Alpha-Figuren konzentriert: Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) ist der zwischen scharfzüngigem Stand-Up-Comedian und scharfsinnigem Analytiker schwankende, schwer zu zügelnde Kämpfer der Kulturrevolution. Sein interner Gegenspieler und Mitkämpfer auf der Anklagebank ist der klug bedachte, später politisch reüssierende Tom Hayden (Eddie Redmayne). So unterschiedlich diese beiden Wortführer der Rebellion auch sind – in der gegenseitigen, abwertenden Unterschätzung gleichen sie sich.

Ein Gerichtsfilm, dessen historischer Stoff schmerzhaft aktuell ist

Gewohnt stark erweist sich Sorkin im Etablieren einer eingeschworenen Gemeinschaft, deren Mitglieder sich untereinander kabbeln, während sie sich gegen den immensen Druck von außen wappnen. Rasanter Aufstieg, tiefer Fall – und dann die umso größere Katharsis. So funktionieren gemeinhin nicht nur Justizfilme, sondern auch Sorkins Erzählstil, der hier wieder eine wunderbare Symbiose mit dem Genre eingeht, was durchaus Tradition hat: Fast 30 Jahre ist es her, dass Sorkin sein eigenes Theaterstück „Eine Frage der Ehre“ als Drehbuchversion adaptierte. In einem Gerichtssaal ist viel Platz für verbale Gefechte. Und in der Historie ist viel Platz für die Vorläufer einer Spaltung der United States of America, wie sie auch heute zerrissener nicht sein könnten.

Wo Unrecht zu Recht wird, da wird Widerstand zur (Bürger-)Pflicht. Dieser Kernsatz drängt sich angesichts des ignoranten und opportunistischen Verhaltens mancher Figuren so auf, dass man nicht umhinkann, in Sorkin immer auch einen genialen Chronisten der Gegenwart zu sehen. Jung gegen Alt, Aufbruch in bessere Zeiten gegen das Vertuschen lang schwelender Ungerechtigkeit. Egal ob man heute die „Black Lives Matter“-Bewegung betrachtet, die durch Bob Seales brutale Diskriminierung vor Gericht ein Gesicht bekommt, oder die Klimabewegung, die in den zivilen Ungehorsam geht, weil die Staatsrepräsentanten dem Schutz der Lebensgrundlagen nicht mehr nachkommen. Sorkin gelingt es, die Anschlusspunkte zwischen dem Hier und Jetzt mit der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung von damals zu verknüpfen. Und dabei auch noch für berührende Szenen zu sorgen, wenn die jungen Menschen nicht müde werden, die Namen der tausenden Altersgenossen zu verzeichnen und am Ende zu verlesen, die während des elf Monate andauernden Gerichtsverfahrens in Vietnam ihr Leben lassen mussten.

Im Grunde ist nämlich auch Sorkins Film, der eigentlich Ende Oktober kurz vor den US-Präsidentschaftswahlen in den Kinos hätte starten sollen, das, was seine Figuren angeblich missen lassen: Zutiefst patriotisch, aber im positiven und die Gesellschaft befriedenden Sinne. Sorkins Figuren erkennen, wie das Kleinklein der Mauscheleien erst ein Land und dann die ganze Welt aus dem Gleichgewicht zu bringen droht. Und Sorkin lässt sie mit der mächtigsten und besten Waffe gegen die tätliche Gewalt antworten: dem Wort.

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