On the Rocks
Tragikomödie | USA 2020 | 101 Minuten
Regie: Sofia Coppola
Filmdaten
- Originaltitel
- ON THE ROCKS
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2020
- Produktionsfirma
- A24/American Zoetrope
- Regie
- Sofia Coppola
- Buch
- Sofia Coppola
- Kamera
- Philippe Le Sourd
- Musik
- Phoenix
- Schnitt
- Sarah Flack
- Darsteller
- Bill Murray (Felix) · Rashida Jones (Laura) · Marlon Wayans (Dean) · Jenny Slate (Vanessa) · Jessica Henwick (Fiona)
- Länge
- 101 Minuten
- Kinostart
- 02.10.2020
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Beziehungskomödie um einen vielbeschäftigte New Yorker Ehefrau, die ihren Gatten einer Affäre bezichtigt und sich von ihrem Vater zu einer aberwitzigen Beschattung überreden lässt.
Laura kann nicht mehr pfeifen. Es kommt nur noch ein hohles Säuseln hervor, wenn sie die Lippen spitzt und pustet. Ihr Vater Felix ist entsetzt und erklärt der erwachsenen Tochter wie einem kleinen Mädchen, was sie tun muss. Er ist darin ein Fachmann – vor allem im Hinterherpfeifen. Seine Expertise will er ihr auch in einer verfänglicheren Angelegenheit angedeihen lassen, denn Laura befürchtet, dass ihr Ehemann Dean ein Verhältnis mit seiner neuen Kollegin hat. Für Felix ist Verdacht eine klare Sache: Dean sei ja auch nur ein Mann – die Triebe und so. Er drängt Laura in eine gemeinsame Spionageaktion gegen ihren Mann, denn langsam glaubt sie selbst, dass es nicht anders sein kann. Die beiden legen sich in New York regelrecht auf die Lauer. Felix lässt sich dabei nicht lumpen und organisiert eine stilvolle Beschattung im Sportcabrio und mit Kaviarhäppchen – man könnte fast glauben, die Aktion sei ein Versuch, mehr Zeit mit der sonst vielbeschäftigten Tochter zu verbringen.
Ein dauerflirtender Verführer
Als wäre es erst gestern gewesen und nicht schon vor 17 Jahren, nehmen Sofia Coppola und Bill Murray den Erzählfaden aus „Lost in Translation“ (2003) wieder auf. Aus Tokio ist New York geworden, die Familien sind immer noch dysfunktional, die Seelen einsam – und statt um einen abgehalfterten Schauspieler geht es nun um einen derangierten Kunsthändler. Bill Murray schwelgt in dem Männertypus, den er seit „Broken Flowers“ (2005) von Jim Jarmusch auslotet: ein ältlicher Don Juan, dem die eigene Rolle über die Jahre abhandengekommen ist. Doch „On The Rocks“ ist kein Abklatsch früherer Rollen oder Filme. Vielmehr eine Variation, in der die Melancholie von leiser Ironie und die traumtänzerische Schwärmerei von Wohlwollen abgelöst wird.
An der Oberfläche plätschert dieser Film wie eine leichte Beziehungskomödie dahin und macht doch an den entscheidenden Stellen stutzig. „Du wirst immer mein kleines Mädchen sein“, sagt Felix am Anfang zur kleinen Laura, „auch wenn du heiratest.“ Felix ist nicht nur ein Casanova; seine Bestimmungsgewalt über Frauen erstreckt sich auch auf die eigene Familie. Das löst nicht nur beim Zusehen Irritationen aus, sondern auch in seinem Umfeld: Laura lebt im Hier und Jetzt – einer Welt mit #metoo, klischeebeladenen Komödien à la „Bad Moms“ und Helikopter-Eltern. In dieser Welt provoziert Felix’ Auftreten als dauerflirtender Verführer nur ein gequältes Lächeln, und seine Fürsorge wirkt bisweilen distanzlos.
Auch bei Laura funktioniert die Masche des Vaters – sie kann ihm einfach nicht böse sein, ärgert sich aber dennoch jedes Mal wieder, wenn sie auf seine Masche hereingefallen ist. Dass sie neben ihren Eheproblemen auch „Daddy Issues“ hat und beide miteinander zusammenhängen könnten, geht ihr erst im Verlauf der Detektivarbeit auf.
Ihre Sicht der Geschichte
Sofia Coppola arbeitet sich immer wieder an diesem Beziehungsgeflecht zwischen Vätern und Töchtern ab. Als Tochter des Regisseurs Francis Ford Coppola weiß sie nur zu gut, was das Leben im Schatten eines übergroßen Vaters bedeutet. Mit Rashida Jones hat sie Laura überdies mit der Tochter eines Showbiz-Vaters besetzt, dem Musikproduzenten Quincy Jones. Dennoch verschiebt sich Coppolas Fokus zunehmend auf die Töchter, weg von den dominanten Vätern. Was in „Lost In Translation“ noch wie eine Vater-Tochter-Beziehung wirkte, wurde in „Somewhere“ (2010) eindeutig, als das selbstverliebte Leben eines Hollywood-Stars auf dem Kopf stand, nachdem seine Tochter bei ihm einzog. In „On the Rocks“ führt sie diese Entwürfe weiter; aus den jugendlichen Töchtern ist die erwachsene Laura geworden – und im Gegensatz zu den beiden vorherigen Filmen wird die Vater-Tochter-Beziehung aus Lauras Perspektive erzählt. Laura konfrontiert ihren Vater immer wieder mit ihrer Sicht der Geschichte; sie fragt, ob es ihn je gekümmert habe, wie es ihr ging, als er die Familie für eine andere Frau verließ.
Bill Murray spielt den rückwärtsgewandten Typus selbstvergessen. Er verleiht ihm damit eine Liebenswürdigkeit und einen nonchalanten Schabernack, dem man gemeinsam mit Laura immer wieder auf den Leim geht, andererseits aber auch mit Augenrollen quittiert. Doch zumindest ermöglicht Laura es ihm auf diese Weise, sich spielerisch mit den eigenen Verhaltensweisen auseinanderzusetzen, auch wenn Felix dies nie offen zugeben würde. Vielmehr dekonstruiert er sich und legt offen, dass er einem überholten, albern wirkenden Rollenideal nachhängt.
In die Jahre gekommene Witzfigur
Während bei Woody Allen für Figuren wie Felix alle Allüren und Capricen noch ohne Konsequenzen bleiben, weil sie als kurios-charmante Zuckungen eines Intellektuellen verniedlicht werden, fliegt er bei Sofia Coppola immer wieder auf, was deutlich macht, dass man neurotische Männerfiguren mit Mutterkomplex nicht vermissen wird. Denn allmählich werden sie als das enttarnt, was sie sind – in die Jahre gekommene Witzfiguren.