Tales from the Loop
Science-Fiction | USA 2020 | 423 (8 Folgen) Minuten
Regie: Mark Romanek
Filmdaten
- Originaltitel
- TALES FROM THE LOOP
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2020
- Produktionsfirma
- 6th & Idaho Productions/Amazon Studios/Fox 21 Television Studios
- Regie
- Mark Romanek · Jodie Foster · Andrew Stanton · Ti West · Dearbhla Walsh
- Buch
- Simon Stålenhag · Nathaniel Halpern
- Kamera
- Ole Bratt Birkeland · Luc Montpellier · Craig Wrobleski · Jeff Cronenweth
- Musik
- Paul Leonard-Morgan · Philip Glass
- Schnitt
- Todd Desrosiers · Curtis Thurber · Leslie Jones · Chris Figler · Tyler Nelson
- Darsteller
- Rebecca Hall (Loretta) · Duncan Joiner (Cole) · Daniel Zolghadri (Jakob) · Nicole Law (May) · Tyler Barnhardt (Danny Jansson)
- Länge
- 423 (8 Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Science-Fiction | Serie
Eine Drama-Serie, die auf der retrofuturistischen Kunst des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag basiert und rund um Motive von dessen digitalen Gemälden Geschichten spinnt.
Durch die verträumten Landschaften laufen schwerfällige mechanische Roboter, halbverrostete Echokugeln und anderer Industrieschrott liegen herum, und von fast überall sind die drei riesigen Reaktor-Kühltürme zu sehen, die Wahrzeichen der Region, unter der sich der Loop befindet, eine unterirdische Forschungsstation für Experimentalphysik, mit deren Hilfe die Geheimnisse des Universums entschlüsselt werden sollen. Die digital gezeichneten Bilder des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag haben etwas Soghaftes, Magisches. Man bleibt an den fotorealistischen Bildern hängen, man muss noch einmal hinsehen, weil sie echt und künstlich zugleich sind, weil sie einerseits so vertraut sind und andererseits doch auch so faszinierend fremd.
Das liegt auch daran, dass die Vision der Zukunft, die Stålenhag entworfen hat, eigentlich ein Rückblick ist. Angesiedelt sind seine Bilder und die dazugehörenden fragmentarischen Kurzgeschichten, die in dem illustrierten Roman „Tales from the Loop“ zusammengefasst sind, in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren. Eine visionäre Kraft liegt in diesen erzählenden Bildern, die eine neue Welt eröffnen, irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, und damit zu einer perfekten Blaupause für eine Filmadaption werden. Nun haben der Autor Nathaniel Halpern („Legion“, „The Killing“) und ein illustres Team an Hollywood-Produzenten und -Regisseuren, zu denen unter anderem Mark Romanek, Andrew Stanton, Jodie Foster und Matt Reeves zählen, sich von Stålenhags Bildern inspirieren lassen und daraus eine betörend schöne und eigenwillige Serie mit ganz eigenen Akzenten gemacht.
Näher am europäischen Arthouse-Kino als an Steven-Spielberg-Eskapismus
Stålenhag, dessen Einflüsse wiederum auf die Arbeiten des „Star Wars“-Konzeptkünstlers Ralph McQuarrie und des „Blade Runner“-Designers Syd Mead zurückgehen, hat seine Loop-Geschichten in fragmentarische fiktionale Kindheitserinnerungen verpackt und in Anlehnung an seine eigene Biografie als Schauplatz die schwedischen Mälarinseln gewählt. Stimmig haben die Serienmacher dieses Setting nun ins ländliche Ohio übertragen, eine Region, die in der Serie fast ein wenig wie Schweden aussieht und nur in wenigen Momenten an die üblichen Bilder US-amerikanischer Vorstadt- und Kleinstadtfilme erinnert. Vor allem aber haben sie den Science-Fiction-Stil der Vorlage beibehalten, die weder neonfarben noch düster, weder urban noch noir daherkommt. Bei Stålenhag ist Science-Fiction ländlich und alltäglich geprägt.
Auf den ersten Blick bewegt sich „Tales from the Loop“ ganz im Fahrwasser der 1980er-Jahre-Nostalgie, die schon „Stranger Things“ ausgezeichnet hat. Auch die Loop-Geschichten spielen in einer US-amerikanischen Kleinstadt, führen in dunkle Wohnzimmer mit klobigen Röhrenfernsehern, stationären Telefonen und kleinen Fenstern und erzählen oft aus dem Blickwinkel von Kindern und Jugendlichen. Glücklicherweise aber schlägt die achtteilige Miniserie hinsichtlich Stil und Erzählweise von Anfang an eine andere Richtung ein. Sie ist kein Retro-Märchen, das von seinen popkulturelle Referenzen lebt, sondern funktioniert vielmehr als kunstvolle, stille Reflexion über Zeit und Vergänglichkeit: „Tales from the Loop“ steht Ingmar Bergman und dem europäischen Kino näher als dem Eskapismus von Steven Spielberg.
Das Raum-Zeit-Gefüge ist mächtig durcheinandergewirbelt
So sind die mysteriösen Ereignisse, die sich in dem kleinen Ort Mercer in Ohio zutragen, auch weniger spektakulärer Selbstzweck als vielmehr Ausgangspunkt für acht überraschend kontemplative Kurzgeschichten, in deren Zentrum jeweils ein anderer Bewohner des Mikrokosmos steht. Die Serie erklärt – wie das Buch – kaum etwas über die Forschung innerhalb des Loops und belässt es bei der Feststellung, dass das Labor die Schicksale der Bewohner miteinander verbindet. Allerdings hat die Technik das Raum-Zeit-Gefüge offenbar mächtig durcheinandergewirbelt, sodass etwa beim Überqueren eines Flusses eine Zeitreise vonstattengehen kann wie auch Wirbel im Boden Übergänge in die Zukunft bieten können – oder eine alte Metallkugel zu einem Körpertausch zwischen zwei jugendlichen Freunden führen kann.
Was absurd klingt, erzählt „Tales from the Loop“ jedoch ganz unaufgeregt. Nicht die Zeitreisen sind das Entscheidende, sondern welche Folgen sich dadurch für die Protagonisten ergeben: Was passiert, wenn ein schlechter Schüler auf einmal im Körper eines guten Schülers steckt, Teil einer anderen Familie sein kann und sich ihm damit ganz andere Zukunftschancen eröffnen? Was ist, wenn er überhaupt nicht zurückwill in sein altes Leben? Oder: Wäre es nicht wundervoll, gemeinsam mit einem geliebten Menschen die Zeit anzuhalten und nur noch zu zweit durch die Welt zu ziehen? Und findet man nicht vielleicht am meisten Trost und Verständnis bei der Person, die einen am besten kennt – sprich: bei einer zukünftigen Version seiner selbst?
Der Loop bringt die Menschen durch seine wundersamen Verbiegungen der Zeit zu sich selbst
Manche Episoden beruhen auf einzelnen Bildern aus Stålenhags Roman oder greifen ikonische Bilder der Vorlage auf – wie etwa die Kinder mit dem Fernhandschuh oder der Großvater mit seinem Enkel vor der Echokugel –, manche setzen an den elliptischen Kurzgeschichten an und stricken eine neue Geschichte darum. Während die Vorlage dabei vor allem von der Möglichkeit von Kindern erzählt, im Spiel fantastische Welten entstehen zu lassen, setzt die Serie andere emotionale Schwerpunkte. Eine große Melancholie liegt über den Geschichten aus „Tales from the Loop“, die weitgehend für sich alleine stehen, wenngleich am Rande durch Nebenfiguren auch begonnene Handlungsfäden weitergesponnen werden und das Netz aus Beziehungen in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft immer dichter wird. Mutig widersetzt sich die Serie dem Zwang zur Beschleunigung und vertraut vielmehr auf die Kraft der Verlangsamung. Alles dreht sich um das Verstreichen von Zeit, um Verluste und Neuanfänge, um Erinnerung und Veränderung. Der Loop bringt die Menschen durch seine wundersamen Verbiegungen der Zeit zu sich selbst.
Bestechend schön sieht die Serie mit all ihren dunklen Erdfarben und den sorgfältigen Bildkadern aus, für die unter anderem Jeff Cronenweth („One Hour Photo“) und Craig Wrobleski („The Umbrella Academy“) hinter der Kamera standen. In Verbindung mit der zurückhaltenden, poetischen Erzählweise und den minimalistischen Musikarrangements von Philip Glass und Paul Leonard-Morgan sorgen sie für einige Gänsehautmomente. Ganz still werden große, ja existenzielle Geschichten erzählt, so dass sich ein ähnliches Gefühl einstellt wie beim Betrachten von Stålenhags Bildern: Die Zeit scheint stillzustehen, es entsteht eine Poesie des Augenblicks. „Tales from the Loop“ ist eine ziemlich starke Arthouse-Science-Fiction-Serie, die in ihrem eigenen Tempo in ihre Welt zieht – auch wenn sie am Ende so flüchtig ist wie die Geschichten, von denen sie erzählt.