Drama | Großbritannien 2020 | 125 Minuten

Regie: Autumn de Wilde

Eine ebenso privilegierte wie snobistische junge Frau auf einem kleinen Landsitz in der Nähe von London sieht es Anfang des 19. Jahrhunderts als ihre Aufgabe an, Ehen zu stiften. Dies löst jedoch vor allem Irrungen und Wirrungen aus, während sie ihre eigenen Gefühle für einen Nachbarn lange nicht wahrhaben will. Auf den ersten Blick traditionelle Neuverfilmung des berühmten Romans von Jane Austen, die sich allerdings durch ihre überlegte visuelle Gestaltung und das kommentierende Kostümbild als Aktualisierung empfiehlt. Die Geschichte wird dabei satirisch überzeichnet, aber nie der Albernheit preisgegeben. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
EMMA.
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Working Title Films/Blueprint Pic./Perfect World Pic.
Regie
Autumn de Wilde
Buch
Eleanor Catton
Kamera
Christopher Blauvelt
Musik
David Schweitzer · Isobel Waller-Bridge
Schnitt
Nick Emerson
Darsteller
Anya Taylor-Joy (Emma Woodhouse) · Johnny Flynn (George Knightley) · Bill Nighy (Mr. Woodhouse) · Mia Goth (Harriet Smith) · Miranda Hart (Miss Bates)
Länge
125 Minuten
Kinostart
05.03.2020
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Drama | Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universal (16:9, 1:78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universal (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl., dts dt.)
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Neuverfilmung des berühmten Romans von Jane Austen mit überlegter visueller Gestaltung und kommentierendem Kostümbild.

Diskussion

In der Adaption von Jane Austens Roman „Emma“ durch Autumn de Wilde erfolgt die erste Neujustierung des vielfach verfilmten Stoffes – die bekannteste ist wohl immer noch die mit Gwyneth Paltrow aus dem Jahr 1996 – noch bevor der Film angefangen hat. Man könnte sie fast übersehen. Der Film heißt im Original nicht etwa „Emma“, sondern, und das macht den feinen Unterschied aus: „Emma.“ Wobei der abschließende Punkt kaum behaupten will, dass hier das letzte Wort über die Geschichte der von Ehestiftungen besessenen Emma Woodhouse gesprochen sei. Vielmehr lässt er sich als ein kleines Ornament betrachten – schließlich legt der Film großen Wert auf Form und Gestaltung –, andererseits aber auch als eine Distinktionsbehauptung, die die Gespreiztheit der Hauptfigur buchstäblich auf den Punkt bringt.

Frischer Look, satirischer Subtext

„Emma.“ ist auf den ersten Blick eine klassische Literaturverfilmung im frischen Look und mit einem subtilen satirischen Twist. Das bleibt der Film auch auf den zweiten Blick. Der US-amerikanischen Regisseurin Autumn de Wilde, die eigentlich aus den Bereichen Mode und Musikvideo kommt – sie fotografierte Kampagnen für die Labels wie Prada und Rodarte und drehte Musikvideos für Beck und Florence + The Machine –, ist erkennbar nicht an jener Art von offensichtlicher feministischer Relektüre gelegen, wie sie Greta Gerwig in ihrer Literaturverfilmung „Little Women“ jüngst vorgenommen hat (etwa durch drastische dramaturgische Umstellungen, eine an zeitgenössischen Fragen angelehnte Ausgestaltung der Figuren etc.).

An der Erzähloberfläche folgt der Film ganz der literarischen Vorlage, auch wenn eine von deren Hauptqualitäten, nämlich die Erzählperspektive – eine intelligent maskierte erlebte Rede – als erstes dranglauben muss.

Das Begehren folgt eigenen Wegen

Emma Woodhouse, die aufgrund ihrer privilegierten Stellung in der Gesellschaft selbst keinen ernsthaften Gedanken ans Heiraten verschwenden muss, hat sich das Ehestiften zur Aufgabe gemacht. Tatsächlich gelingt es Emma, ihre neue Freundin Harriet Smith von ihrem ursprünglichen Liebesobjekt, einem einfachen Pächter, abzubringen und ihr Begehren auf den Dorfvikar zu lenken. Ihr konstruierter Plot, in den weitere Figuren verwickelt werden, entwickelt jedoch eine eigenmächtige Begehrensökonomie, die sie trotz ihrer Klugheit nicht durchschauen kann. Erst nach strategischen – und menschlichen – Niederlagen muss Emma einsehen, dass sie das Schicksal nicht nach ihren Vorstellungen lenken kann. Dabei entdeckt sie auch ihre verschütteten Gefühle für Mr. Knightley, ihren Nachbarn und treuen Freund.

De Wilde überzeichnet die bekannte Geschichte, ohne sie gänzlich der Albernheit preiszugeben. Ihre Emma ist sicherlich die snobistischste Version in der Geschichte der „Emma“-Adaptionen; heimlicher Star des Films ist jedoch die von Mia Goth gespielte Freundin Harriet, ein zwischen Naivität, Unsicherheit und Aufgekratztheit schwankender Teenager. Die stärkste Überzeichnung ist in den Bilder zu finden: in den pastelligen, aber satten Farben, die an Torten mit dichten Zuckerschichten denken lassen, in den fast schon exzessiven Löckchen und den geradezu skulptural wirkenden Kostümen. Und in der Weise, wie die Figuren hier wiederholt im Raum angeordnet werden, als stelle man sie in eine Puppenstube hinein.

Das Weiche und Fließende findet eine Form

De Wilde arbeitet mit Symmetrien und choreografierten Bewegungsabläufen –wenn etwa immer wieder eine Gruppe junger Mädchen in roten Capes durchs Bild läuft wie die Mägde in „The Handmaid’s Tale“, oder wenn Emma und Harriet synchron auf ein Sofa „gesetzt werden“. Manchmal sieht man sich an die durchkomponierten Parallelwelten von Wes Anderson erinnert; die Aufmerksamkeit für Mode hat wiederum viel mit den „Historienfilmen“ von Sofia Coppola gemein. Nur dass in „Emma.“ alles Weiche und Fließende einer klar konturierten Form weicht.

Die Kostüme von Alexandra Byrne, die für Filme wie „Maria Stuart, Königin von Schottland“ gearbeitet hat, aber auch für einige Marvel-Blockbuster, nehmen dem etwas lieblichen Regency-Stil jede Harmlosigkeit, was vor allem die Männerkleidung betrifft. Die steifen Hemdkragen sind so hoch geschnitten, dass sie fast die Ohren abzuschneiden drohen, und der Talar des Vikars plustert sich einmal wie das Gefieder eines seltsamen Tiers auf. Überhaupt gehört das rituelle Einkleiden und Einschnüren, eine wiederkehrende Szene im Kostümfilm und gewöhnlicherweise den Frauenfiguren vorbehalten, hier in die Sphäre der Männer. Ziemlich am Anfang des Films wird Mr. Knightley einmal entkleidet – bis auf den nackten Po.

Vielfältige Möglichkeiten der Relektüre

„Emma.“ mag vielleicht nicht in allen Punkten – oder erst auf den dritten Blick – überzeugen. Aber de Wilde zeigt doch recht gewitzt die vielfältigen Möglichkeiten einer Relektüre auf. Sie lässt den Rahmen intakt und arbeitet sich von innen durch den Stoff.

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