Dokumentarfilm | Österreich/Rumänien 2019 | 93 Minuten

Regie: Johannes Holzhausen

Die Tochter des letzten rumänischen Königs bereist in einem königlichen Zug das Land, um den früheren Status ihrer Familie wiederherzustellen. Im Kontakt mit der Bevölkerung offenbaren sich jedoch Entfremdung und das Verharren in einer fiktiven Vergangenheit, wo das Interesse an den royalen Besuchern nicht offen eher finanziellen Erwägungen entspringt. Genau beobachtender Dokumentarfilm, dem durch den klugen Einsatz von Kamera und Montage immer wieder vielsagende Momentaufnahmen gelingen. Ohne jede Denunziation blickt er ebenso dezent wie kurzweilig in die Verfassung einer zutiefst verunsicherten und gespaltenen Gesellschaft. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE ROYAL TRAIN
Produktionsland
Österreich/Rumänien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Navigator Film/Hi Film Prod.
Regie
Johannes Holzhausen
Buch
Constantin Wulff · Johannes Holzhausen
Kamera
Joerg Burger
Musik
Irene Kepl
Schnitt
Dieter Pichler
Länge
93 Minuten
Kinostart
13.02.2020
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Genau beobachtender Dokumentarfilm über eine Promotion-Tour der Tochter des letzten rumänischen Königs durch ihre Heimat, bei der sich bizarre und aufschlussreiche Begegnungen ergeben.

Diskussion

Margareta von Rumänien, Tochter des letzten, 1947 von den Kommunisten vertriebenen Königs Mihai I., aufgewachsen in der Schweiz und der Sprache ihrer Vorfahren lange nicht mächtig, bereist mit ihrem Ehemann Radu das Land. Dafür steht ihr ein königlicher Zug zur Verfügung. Da sitzen die beiden nun im Salonwagen, die eine auf der linken, der andere auf der rechten Seite und blicken aus dem Fenster. Ihre ererbte Aufgabe lautet zwar, siebzig Jahre nach dem Ende der Monarchie den Status der Familie in Rumänien wiederherzustellen, doch ihre Besuche in Dörfern und Städten atmen eher den Geist einer anachronistischen Farce.

Die Kamera blickt im Salonwagen mit einer Halbtotale von hinten auf die schweigenden Majestäten, eine distanzierende Perspektive, die viel über ein Gefühl von Überflüssigkeit und Verlorenheit aussagt, trotz aller Floskeln von der „Liebe zur Heimat“. Zu hören ist zwar das Geratter des Zuges, zu sehen aber ist ein seltsamer Stillstand in der Bewegung, in plüschigem Dekor.

Genau beobachtete Ehrerbietungen

In „The Royal Train“ begleitet Regisseur Johannes Holzhausen, ein Cousin zweiten Grades von Prinzessin Margareta, die Majestäten zu ihren Verehrern und dem sonstigen Publikum. Holzhausen verzichtet dabei auf jeden verbalen Kommentar und braucht auch keine Interviews: Sein Handwerk besteht in der genauen Beobachtung, er lässt die Atmosphäre dörflicher Volksfeste und monarchistischer Ehrerbietungen zu Filmbildern gerinnen. Er zeigt, was ist, und überlässt den Zuschauern, sich Gedanken zu machen.

Da gibt es Momente jenseits aller Perfektion: so wenn schäbige rote Teppiche ausgelegt werden, die nicht am Boden festhalten wollen, weil das Klebeband fehlt, oder wenn die Priester ein Mihai-Denkmal nicht weihen können, weil der Amtskollege mit dem nötigen Wasser unpünktlich ist. Wenn der Film zuvor skizziert, wie dieses Denkmal aus dem Metall ehemaliger Lenin-Büsten gefertigt wird, schlägt er einen historischen Bogen: Der Sturz des früheren, offiziell verordneten Helden mündet in die Kreation eines neuen, der historisch allerdings noch weiter in der Vergangenheit wurzelt.

In klug gesetzten Intermezzi folgt „The Royal Train“ einem Sammler von königlichen Devotionalien, der übers Land zieht, um historische Bücher, Urkunden, Zeitungsausrisse und Bilder zusammenzutragen. Auch dabei wird ein ganzes Jahrhundert besichtigt, etwa beim Krankenbesuch bei einer Sterbenden, die sich ein letztes Mal in nostalgischen Gefühlen verliert: „Mit Wehmut denken wir an die wunderbaren Zeiten, in denen Bukarest als Klein-Paris bezeichnet wurde.“ Oder bei dem langen, eindrucksvollen Kamerablick auf ein paar greise Frauen, auf deren Gesichtern sich die Schmerzen, Verletzungen, Abgründe einer Epoche spiegeln.

Eine stets sinnfällige Montage

Wir wollen inspirieren – das ist ein Satz, den die Königstochter gern vor sich herträgt. Tatsächlich weiß sie kaum, wie sie das bewerkstelligen und „ihrem“ Volk wirklich näherkommen soll. Das dramaturgische Gerüst des Films ist zwar eine relativ konventionelle Stationendramaturgie, doch die Montage kehrt immer mal wieder, und stets sinnfällig, zu scheinbar abgeschlossenen Kapiteln zurück. Einmal sieht man eine junge Frau, die sich zur Begrüßung des königlichen Paares einen aufwendigen folkloristischen Haarschmuck aus Blättern und Obst basteln lässt. Die Begegnung mit Margareta dauert dann zwar nur ein paar Sekunden, aber später wird sich die Prinzessin beim Anschauen von Fotos spöttisch an die bizarre Schönheit „mit dem Garten auf dem Kopf“ erinnern.

Ein andermal erhält das Paar ein leidlich geglättetes, in Öl gemaltes Porträtbild von sich. Das landet einige Filmzeit danach in der übervollen Rumpelkammer, in der schon zahlreiche andere Geschenke ihre verdiente Ruhe gefunden haben. Wohin die vom Königshaus verteilten bunten Kinderbücher geraten, die unter dem erbaulichen Titel „Eine Prinzessin im Dienste der wiedergefundenen Heimat“ unters Volk gebracht werden, zeigt der Film leider nicht.

Nichts ist abgeschlossen

Zu Beginn wagt eine Eisenbahnerin, vermutlich die Vorsteherin eines Bahnhofs, einen leisen Widerspruch. Als ihr Gebäude zum Empfang von Margareta und Radu geschmückt werden soll, erwidert sie, das Haus sei doch kein Schloss, und: „Ich dachte, das ist ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte.“ Doch es ist nichts abgeschlossen. So lange das Land unter Machtgier, Korruption und Armut leidet, unter kleinlichem Gezänk der Parteien, unter undemokratischen Entscheidungen, so lange Rumänien fern ist von Kontinuität und Orientierung, so lange werden Augen leuchten, wenn Abgesandte der Vergangenheit in die Moderne einbrechen, wenn sie eine nie dagewesene Harmonie von Herrschaft und Volk, die „moralische Höhe unserer Vorfahren“ beschwören. In unsicheren Zeiten brauchen viele Trost, woher er auch immer kommt.

Andere brauchen das Königshaus zum Geschäft, so wie die Händler, die das monarchistische Siegel nutzen, um ihre Waren an den Mann zu bringen. Jeder hat seine Gründe, sich auf längere oder kürzere Zeit königstreu zu gebärden. Das vermittelt „The Royal Train“ auf unspektakuläre und unterhaltsame Weise, ohne jede Spur von Denunziation, mit schöner, leiser Ironie – zu der auch das Bild gehört, in dem ein etwas verstört wirkender Prinz Charles, als Gast aus London, vor der Kamera umherirrt.

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