„Du bist ein Schandfleck für die Familie!“, sagt der ältere Herr (Jonathan Pryce) zu dem jungen Alec (Oliver Jackson-Cohen). Der fast 30-Jährige lebt in London und ist ein charmanter Versager, der es noch nicht zu viel gebracht hat. Sein Geld verspielt er bei Pferdewetten, und sein Reparaturladen für Elektrogeräte mit dem Namen „The Healer“ steht auch vor der Pleite. Alles ist schiefgelaufen, nachdem sein Zwillingsbruder Charly an Krebs gestorben ist. Doch nun ist Raymond, ein Bruder seiner verstorbenen Mutter, in sein Leben getreten, von dessen Existenz Alec bislang gar nichts wusste. Dieser Onkel macht ihm ein merkwürdiges Angebot: Alec soll für ein Jahr nach Nova Scotia in Kanada ziehen, dann werde die Familie für seine Schulden eintreten. Bleibt ihm da eine andere Möglichkeit? Selbst der Priester der Kirche, bei dem sich Alec vor den Schlägern des Wettbüros versteckt, rät ihm, das Angebot anzunehmen.
Seltsame Provinzbewohner und ein angeblicher Heiler
Also packt er seine Sachen und beginnt in der kanadischen Provinz im leerstehenden Haus des Onkels ein neues Leben. Die Bleibe ist halbwegs in Ordnung, doch der Rest ist gewöhnungsbedürftig. Die Menschen sind seltsam; der örtliche Polizist hat ein Auge auf ihn, und Cecilia, die nette Tierärztin, erklärt auf seine Annäherungsversuche hin, dass sie lesbisch sei. Trotzdem nimmt Alec einen Job bei ihr an. Eigenartigerweise lieben ihn alle Tiere und verfolgen ihn geradezu. Außerdem will Alec auch hier wieder einen Laden für Elektro-Reparaturen eröffnen, wobei sich durch einen Patzer bei einer Anzeige, die Cecilia für ihn in der lokalen Zeitung aufgibt, ein folgenschwerer Irrtum einschleicht: Dort wird nur der Name „The Healer“ genannt, was die Dorfbewohner als Berufsbezeichnung missverstehen und fortan Alecs Haus stürmen, aber nicht, um kaputte Stereoanlagen oder Radios reparieren, sondern um sich selbst kurieren zu lassen.
Alec verweigert sich zwar, doch wie durch ein Wunder scheint schon seine bloße Präsenz auszureichen, um alle gesund zu machen; sogar der übergewichtige Priester, der auf seiner Türschwelle einen Herzinfarkt erleidet, erholt sich wieder. Irgendwie muss Alec sich zu diesem seltsamen Talent verhalten; entweder hält er an seinen ursprünglichen Plänen fest oder aber er nimmt diese Gabe an und nutzt sie für andere.
Unterhaltsames Wohlfühl-Kino mit Hintersinn
„The Healer“ von Paco Arango ist ein leichtfüßiger Film über durchaus ernste Themen. Es geht um Krankheit, Tod und Heilung, um Selbstverwirklichung und Verantwortung, aber auch um Glauben und Selbstvertrauen. Dabei mischt der Film klassische Genre-Elemente auf unterhaltsame Weise: eine scheinbar unmögliche Liebesgeschichte, eine skurril-liebenswürdige Provinz-Komödie und die „Heldenreise“ eines jungen Mannes, der seine Bestimmung sucht. Dazu kommt auch noch das Drama des Umgangs eines selbstbewussten Teenagers mit Krankheit und Tod, als Alec mit der Krebserkrankung einer jungen Frau konfrontiert wird. Und schließlich mischt auch noch ein Hauch Fantasy-Kino mit.
Das alles verbindet der Film flüssig zum unterhaltsamen, aber durchaus nicht oberflächlichem Wohlfühl-Kino, das mitunter komisch und auch grotesk wirkt, aber nicht zur Parodie gerät. Arango inszeniert behutsam und sensibel und schafft es, auch die tragischen Elemente angenehm unsentimental zu vermitteln. „Regel Nummer Eins: Niemand fängt zu heulen an“, sagt die an Krebs erkrankte Abigail zum Abschied und ergänzt: „Lebt für mich, als wäre es euer letzter Tag.“
Das „Wunder“: Menschlichkeit & Mitgefühl
Letztlich geht es „The Healer“ um das ganz alltägliche Wunder von Menschlichkeit und Mitgefühl. Ein solches „Wunder“ manifestiert sich auch in der Auswertung des Films. Paco Arango ist der Sohn des erfolgreichen mexikanisch-spanischen Unternehmers Placido Arango, der sich als Mäzen und Spender einen Namen gemacht hat; auch der Regisseur hat seine künstlerische Arbeit immer wieder mit großem sozialen Engagement verbunden: 2005 gründete er die Stiftung „Aladina“, die sich für krebskranke Kinder und Jugendliche einsetzt. Mit dem Gewinn aus seinem Kinodebüt „Maktub“ (2011) rief er in Madrid ein Zentrum für Knochenmarktransplantation ins Leben. Den Film „The Healer“ hat er dem Schauspieler Paul Newman und dessen Stiftung „The Hole in the Wall Gang Camp“ für krebskranke Kinder gewidmet. Beim deutschen DVD-Verkauf geht ein Euro pro verkaufter DVD an die Organisation „ARTISTS FOR KIDS – Projekt für kreative Jugendhilfe“, das 1999 von Bernd Eichinger gegründet wurde. Von den Einnahmen aus Arangos jüngstem Film, der Familienkomödie „Los Rodriguez y el Más Allá“ (2019), die jüngst in den spanischen Kinos angelaufen ist, soll ein großer Teil ebenfalls an seine Stiftung für krebskranke Kinder und Jugendliche gehen.