Die Gegenbewegung zeichnete sich bereits in dem Film „Alphabet“ (2013) ab, mit dem der Dokumentarist Erwin Wagenhofer die Verwerfungen des globalen Bildungssystems beobachtet. Nach den essayistischen Polemiken gegen den globalen Lebensmittelirrsinn („We feed the World“) und zum Finanzsystem („Let’s make Money“) entpuppte sich das von Wagenhofer entworfene Bild erwartbar erschreckend: Längst ist Bildung zum Geschäft verkommen und dient primär der marktkonformen Zurichtung des Individuums. Eine im Sinne des herrschenden Systems erzogene Technokraten-Kaste sorge qua globaler Bildungspolitik für systemaffirmative Lernziele und eine nicht-ganzheitliche Reproduktion normierten Wissens. Ein Teufelskreis!
Gemeinsam die Schöpfung erhalten
Die Suche nach dem sprichwörtlichen „kleinen gallischen Dorf“, das noch Widerstand leistet, führte Wagenhofer in „Alphabet“ aus dem Dunkel seiner Recherche in den „Mal“-Ort des Kunstpädagogen Arno Stern, wo noch „einfach“ gemalt werden dürfe. Und zu Sterns Sohn André, der es ohne jede Schulbildung sogar bis zum Komponisten und Instrumentenbauer gebracht habe.
Das ärgerlich simplifizierend-plakative Finale von „Alphabet“ mag Wagenhofer selbst aufgestoßen sein, denn „But Beautiful“ steht jetzt ganz im Zeichen positiver Gegenbeispiele, in denen der Gegensatz von Geldorientierung und Lebenszentrierung eindeutig zugunsten einer erstrebenswerten Zukunft aufgelöst ist.
Die Reisen des Films führen nach Indien, Mexiko, New York, Österreich und auf die Kanaren und versammeln höchst unterschiedliche Beispiele für eine nachhaltige, erderhaltende und von Gemeinsinn geprägte Lebenspraxis. Im Barefoot College in Indien werden Frauen aus aller Welt zu Solartechnikerinnen ausbildet, die anschließend in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Ein Schweizer Aussteigerpaar arbeitet auf La Palma erfolgreich an der Re-Urbarmachung von Böden, die durch industrielle Landwirtschaft zerstört wurden. Ein österreichischer Förster und Baumliebhaber hat sein Wissen in die Konstruktion ökologisch-klimaneutraler Holzhäuser umgemünzt.
Impressionen eines anderen Lebens
All dies ist spannend und interessant, allerdings wirkt die filmische Montage der unterschiedlichen Haltungen und Akzente eher willkürlich und vor allem oberflächlich. Manchmal sprechen die Protagonisten direkt in die Kamera, manchmal hört man sie aus dem Off, aber immer zu sehr dekorativen, wenig aussagekräftigen Kameraeinstellungen. „But Beautiful“ wirkt mitunter wie ein beliebiges Urlaubsvideo, das Impressionen eines anderen Lebens gesammelt hat.
Weil Kreativität dabei nicht zu kurz kommen darf, gibt es reichlich Jazz, mal vom US-amerikanischen Pianisten Kenny Werner, mal von Interzone, der Band des Trompeters Mario Rom, mal eher Folkloristisches von der kolumbianischen Sängerin Lucia Pucia. Die singt nicht nur, sondern raunt auch ein paar Gedanken zum „auf magische Weise“ Femininen in die Kamera, was sich mehr oder weniger gut zu den Erfahrungen jener Inderin fügt, die sich gegen den Widerstand ihrer Schwiegermutter in dem Solar-Projekt des Barefoot College engagiert.
Man merkt schnell, dass hier wie in „Alphabet“ Äpfel mit Birnen verglichen werden, um den dramaturgischen Appell zu unterstreichen. Es wird auch nicht differenziert über das Gelingen oder Misslingen der einzelnen Projekte diskutiert; eher werden knappe Sentenzen von Kalendersprüchen aneinandermontiert, in denen die kritische Haltung früherer Wagenhofer-Filme aufscheint. Schnell ist dann vom „Wunder der Musik“ die Rede, klingt Wissenschafts- und Vernunftkritik an oder ist der stets lächelnde Dalai Lama zur Stelle, um recht einfältige, aber wohl für weise befundene Ratschläge in Sachen Empathie und der Abwendung vom rein Materiellen zu geben.
Ein anarchistisches Glücksversprechen
Fügt man die hier versammelten Gedanken und Beispiele zu einem Bild, dann liegt das Glücksversprechen von „But Beautiful“ im freundlich-kleinteiligen, geradezu anarchistischen Vorpolitischen, das lieber an der Veränderung des Ego als am Wandel der Welt feilt. Dafür erntet man in Schrebergärtnerkreisen einigen Beifall; effektives Handeln im Zeichen eines umfassenden Umbaus des katastrophischen Neoliberalismus ist mit der Ethik von Jazz-Trios, so gut sie auch klingen, hingegen eher nicht zu haben.