Liebesfilm | Deutschland 2019 | 88 Minuten

Regie: Ali Hakim

Ein 17-jähriges albanischstämmiges Mädchen verliebt sich im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg in eine etwa gleichaltrige Deutsche. Doch Vater und Bruder des Mädchens beharren auf der Einhaltung alter muslimischer Traditionen und haben bereits eine Ehe arrangiert. Als der Bruder die heimliche Beziehung der beiden jungen Frauen entdeckt, bleibt ihnen nichts anderes als die Flucht. Anspruchsvoller und anrührender Liebesfilm, der zunächst die kulturellen Unterschiede und das soziale Umfeld beschreibt, um dann eine Geschichte weiblicher Emanzipation zu erzählen. Neben den beiden Hauptdarstellerinnen überzeugt auch die Kameraarbeit, die Hamburg aus unverbrauchten Blickwinkeln einfängt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Riva Filmprod./Nachwuchsprogramm Nordlichter (NDR/Nordmedia/FFHSH)
Regie
Ali Hakim
Buch
Ali Hakim · Maike Rasch
Kamera
Rodja Kükenthal
Musik
Andreas Bruhn · Christian Frank
Schnitt
Janina Gerkens
Darsteller
Emma Drogunova (Yara) · Sarah Mahita (Kiki) · Kasem Hoxha (Abaz) · Slavko Popadic (Bekim) · Emma Torner (Jeta)
Länge
88 Minuten
Kinostart
24.10.2019
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Liebesfilm um ein 17-jähriges albanischstämmiges Mädchen aus Hamburg-Wilhelmsburg, und eine etwa gleichaltrige Deutsche, die sich ineinander verlieben, während Vater und Bruder der 17-Jährigen bereits eine Ehe gemäß alter Tradition arrangiert haben.

Diskussion

Die erste Begegnung ist noch ruppig. Eigentlich hatte Yara, ein 17-jähriges, albanischstämmiges Mädchen, mit ihrer Clique nur ein sogenanntes Prank-Video drehen wollen, einen Streich, der wildfremde Passanten in Verlegenheit bringen und möglicherweise interessante Reaktionen hervorrufen soll. Doch als sie einfach auf offener Straße die Hand der blonden Kiki ergreift, setzt die ihr energisch ein Messer an die Kehle. Ein langer Blick in die Augen, und irgendwie wissen beide, dass sie sich wiedersehen werden. Yara lebt mit ihrer Familie im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Der Anteil an Ausländern ist hier besonders hoch, sie prägen mit ihren Geschäften, Cafés und Restaurants das Leben auf den Straßen. Das Mädchen ist sehr durch dieses Umfeld geprägt. Der Vater ist strenggläubiger Moslem und spricht kaum Deutsch, der ältere Bruder Bekim lässt den Macho raushängen und überwacht jeden ihrer Schritte.

Für Yara hingegen ist eine arrangierte Ehe mit einem blassen Jungen vorgesehen, die Zeit bis dahin überbrückt sie als Aushilfe in einem Gemüseladen. Wer aus diesen Lebenszwängen ausbricht, wird verstoßen – so wie Yaras ältere Schwester Leyla, die vor Jahren mit ihrem Freund durchbrannte und nun als Ärztin in Uelzen in der Nähe von Hamburg lebt. Der erste Kuss ist Yara und Kiki noch peinlich. Aber dann verbringen sie trotz zahlreicher Hausarreste und Verpflichtungen Yaras immer mehr Zeit miteinander und verlieben sich. Wissen darf das niemand. Doch dann entdeckt Bekim die Beziehung der beiden Mädchen.

Ein Coming-Out in einem homophoben Umfeld

Zwei höchst unterschiedliche junge Mädchen – scheu die eine, schroff die andere – aus unterschiedlichen Kulturkreisen entdecken ihr Coming-out – in einem Umfeld, das Homosexualität verachtet. „So was geht eigentlich nicht bei uns. Bei uns ist es schon schlimm, einen Freund zu haben“, sagt Yara einmal zu Kiki. Der afghanischstämmige Regisseur Ali Hakim beschreibt zunächst die kulturellen Unterschiede zwischen Albanern und Deutschen, zwischen alten Traditionen und westlichem Lebensstil. Damit erweitert er einen Themenkreis, den schon 1985 ein deutsch-türkischer Filmemacher wie Tevfik Baser in 40 qm Deutschland aufgriff: Nationale Traditionen lassen sich in der Fremde nur schwer aufrechterhalten.

Durch die lesbische Liebe kommt noch ein anderes Thema hinzu, das der weiblichen Emanzipation und Selbstbestimmung. Yara und Kiki kämpfen im wahrsten Sinne des Wortes für ihre Liebe. Umso größer die Widerstände von außen, umso mehr halten sie zusammen. Schon der Filmtitel weist daraufhin, dass sie in die Rolle der Gesetzlosen gezwungen werden, in eine weibliche Variante von Bonnie und Clyde. Plötzlich befinden sich Yara und Kiki auf der Flucht – nur außerhalb von Wilhelmsburg ist ein gemeinsames Leben möglich.

Großer, anrührender Liebesfilm

Hakim hat, trotz aller Dramatisierung, auch einen großen, anrührenden Liebesfilm gedreht. Zwei Menschen lernen sich kennen und verlieben sich – das kann zwischendurch ganz einfach sein. „Tanz für mich!“ fordert Kiki einmal von Yara, und dann legt das albanischstämmige Mädchen vor der Kulisse eines Container-Terminals einen rasanten Bauchtanz hin. Ein schönes Beispiel für die Attraktion, die die beide jungen Frauen, von Emma Drogunova und Sarah Mahita ebenso zornig wie zärtlich gespielt, aufeinander ausüben.

Übrigens ist „Bonnie & Bonnie“ auch ein schöner Hamburg-Film, der sich den üblichen Bild-Klischees verweigert: unter der Köhlbrandbrücke, an einem unbekannten Kai mitten im Hafen, am Schwanenwik an der Außenalster und vor allem in Wilhelmsburg spielen die Szenen. Hakim entdeckt die Stadt für das Kino quasi neu.

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