Fantasy | USA 2019 | 448 (8 Folgen) Staffel 1 Minuten

Regie: Jon Amiel

Eine Serie, die Fantasy mit viktorianischem Krimi mischt: In der Carnival Row haben magische Geschöpfe wie Feen und Satyre Zuflucht gefunden, die im Zuge eines Krieges aus ihren Heimatländern vertrieben wurden. Doch die Koexistenz zu den Menschen, in deren Metropole sie nun leben, ist nicht ohne Konflikte; der Fremdenhass gegen die Einwanderer wächst, das Leben der mythischen Wesen ist streng reglementiert. Eine Fee, die gerade den Kriegsgräueln entkommen und in die Stadt emigriert ist, begegnet dort einem Mann wieder, mit dem sie einst eine Liebesbeziehung hatte und der nun als Detective der Polizei arbeitet. Im Zuge grausiger Morde, die der Ermittler aufzuklären versucht, und der wachsenden Spannungen in der Stadt geraten beide und einige andere Figuren in große Gefahr. Die aus zwei Staffeln bestehende Serie liefert eine Art Steampunk-Version der gegenwärtigen Flüchtlingskrise und des Erstarkens nationalchauvinistischer Ressentiments, wobei sie nicht gerade subtil vorgeht, aber prall und stilistisch versiert genug erzählt, um nicht zur lehrbuchhaften Parabel zu erstarren. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CARNIVAL ROW
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Amazon Studios/Legendary Television/Stillking
Regie
Jon Amiel · Anna Foerster · Andy Goddard · Paul McGuigan · Julian Holmes
Buch
Travis Beacham · René Echevarria · Peter Cameron · Kristin Robinson · Stephanie K. Smith
Kamera
Tony Miller · Chris Seager · Theo van de Sande
Musik
Nathan Barr
Schnitt
Michael Ruscio · Paul Trejo · Emily Greene · Patrick McMahon
Darsteller
Orlando Bloom (Rycroft Philostrate) · Cara Delevingne (Vignette Stonemoss) · Jared Harris (Absalom Breakspear) · Waj Ali (Constable Berwick) · Leanne Best (Madame Moira)
Länge
448 (8 Folgen) Staffel 1 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Fantasy | Serie

Eine Fantasy-Serie mit Cara Delevingne und Orlando Bloom, die festgemacht an einer Mordgeschichte in einer pseudo-viktorianischen Welt eine Art Steampunk-Kommentar zur Flüchtlingskrise und dem Erstarken nationalchauvinistischer Ressentiments liefert.

Diskussion

Staffel 1

„Die Wunder von Tirnanoc“ verheißt eine Ausstellung im Museum der Metropole The Burgue. Als die „Fae“ Vignette Stonemoss (Cara Delevingne) kurz vor der Eröffnung der Hallen, in denen die Kulturschätze ihrer von einem brutalen Krieg verheerten Heimat ausgestellt werden, von einer Gruppe neugieriger Besucherinnen überrascht wird, rastet sie förmlich aus. Bislang hatte die Fae, ein elfenhaftes Geschöpf mit libellenartigen Flügeln, sich stets umsichtig genug verhalten, um den Behörden aus dem Weg zu gehen, die ein strenges Auge auf die emigrierten Feen haben. Doch die Überreste ihrer Welt der Schaulust der Menschen ausgesetzt zu sehen, die Vignette und ihresgleichen sonst wie Abschaum behandeln, bringt das Fass zum Überlaufen.

Dass man sich da an die derzeit so präsenten Debatten über den Umgang mit „Raubkunst“ aus ehemaligen Kolonien erinnert fühlt, kommt nicht von ungefähr: Die Serie aus der Feder von Travis Beacham und René Echevarria hat sich der „Social Fantasy“ verschrieben, jener Spielart des Genres, die magische oder futuristische Elemente nutzt, um in zugespitzter Form über aktuelle gesellschaftliche Probleme nachzudenken. „Carnival Row“ präsentiert eine Art Steampunk-Version der weltweiten Flüchtlingskrise und des damit einhergehenden Erstarkens national-chauvinistischer Ressentiments.

Der Stoff ist allerdings keineswegs frisch, sondern schon ziemlich lang in Arbeit. Bereits 2005 wurde Beachams Spielfilm-Skript „The Killing on Carnival Row“ als Kinoprojekt in Angriff angenommen. Aus einer Umsetzung mit Guillermo del Toro (mit dem Beacham auch bei „Pacific Rim“ zusammen arbeitete) oder Neil Jordan wurde allerdings nichts. 2015 kaufte Amazon den Stoff und setzte ihn mit René Echevarria als Showrunner um.

Ein märchenhaftes Einwanderer-Ghetto

„Carnival Row“ spielt in einer fantastischen Welt, die vage ans viktorianische Zeitalter erinnert. Im Zug kolonialer Expansion sind Länder mit Wesen, die ehemals nur Stoff von Mythen und Märchen waren, auf der realen Landkarte aufgetaucht und haben sogleich die Begehrlichkeiten der Industrienationen weckten. Um dem brutalen Zugriff einer „The Pact“ genannten Nation zu entgehen, die eine faschistoide Ausrottungspolitik aller Fabelwesen verfolgt, haben sich Feas und Satyre mit den Truppen von „The Burgue“ zusammengetan. Doch „The Pact“ hat gesiegt, wie man in der ersten Folge erfährt, weshalb die Überlebenden Zuflucht bei ihrem Bündnispartner suchen. Dort allerdings sorgt die massenhafte Zuwanderung für heftige Ablehnung; rassistischer Hass breitet sich wie eine Epidemie in der Stadt aus. Brennpunkt ist die Carnival Row, die sich zu einem Ghetto der Einwanderer entwickelt hat.

In dieser angespannten Situation landet auch Vignette in der Stadt, die dem Krieg zwar entronnen ist, aber nun auf andere Weise ums Überleben kämpfen muss, da die Chancen für Faes, sich eine halbwegs würdige Existenz aufzubauen, gegen Null tendieren. Während die gewaltsamen Übergriffe auf den Straßen zunehmen, trifft sie den Menschen Rycroft Philostrate (Orlando Bloom) wieder, dem sie äußerst ambivalente Gefühle entgegenbringt – einst hat sie eine große Liebe verbunden, dann aber ein unverzeihlichen Verrat getrennt.

Eine Mordserie als blutroter Faden

Philo arbeitet als Ermittler der Polizei und versucht, die fae-feindliche Stimmung seiner Landsleute, die auch innerhalb der Polizei aggressive Blüten treibt, im Zaum zu halten. Ein bestialischer Mord an einer Fae gibt ihm und seinen Kollegen Rätsel auf: Die naheliegende Vermutung, dass es sich um einen rassistischen Übergriff handelte, erweist sich als falsch, da bald darauf ähnlich zerfleischte Leichen von Menschen gefunden werden. Im Laufe seiner Recherche kreuzen sich Philos und Vignettes Wege immer wieder.

Das „Murder Mystery“ um diese Morde liefert den im wahrsten Wortsinn roten Faden; der kriminalistische „Whodunit“ ist allerdings nur eine Facette der Serie, die das gesellschaftliche Panorama von „The Burgue“ auf verschiedenen sozialen Ebenen ausleuchtet und zwischen diesen viele Verbindungslinien offenlegt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Premierminister (Jared Harris), der sich immer vehementeren Angriffen der rechtsnationalistischen Opposition ausgesetzt sieht und auch privat in eine Krise gerät, als sein erwachsener Sohn entführt wird. Eine motivische Variation der verkorksten Liebesgeschichte zwischen Philo und Vignette spiegelt sich in einem Handlungsstrang um eine junge Frau aus großbürgerlichem Haus, in dem Vignette nach ihrer Ankunft in „The Burgue“ zunächst als Hausmädchen (oder eher Sklavin) unterkommt. Imogen (Tamzin Merchant), ein oberflächliche-eitles Oberschichtsgewächs, das alle Vorurteile gegenüber nicht-menschlichen Wesen inhaliert hat, sieht ihr Weltbild durch den Einzug eines fabelhaft reichen Nachbarn aus dem Lot gebracht, der sich als Satyr entpuppt.

Gesellschaftskritik & melodramatische Verwicklungen

„Carnival Row“ ist alles andere als subtil, wenn es um metaphorische Ausmalungen des Flüchtlings- und Rassismus-Szenarios geht, und nimmt dabei auch das Risiko in Kauf, ab und an banal zu wirken – etwa wenn sich ein junger Satyr einer religiös fanatischen Untergrundorganisation (Islamisten!) anschließt oder die Bordell-Welt der in Ermangelung an Alternativen aufs Sex-Geschäft zurückgeworfene Faes unheimlich kitschig ausgemalt wird.

Insgesamt geht das Konzept aber auf, durch die verfremdende Fantasy-Brille mit „Penny Dreadful“-mäßigem Schauer und dick aufgetragenen melodramatischen Verwicklungen den politischen Rechtsruck anzuprangern und von den Herausforderungen zu erzählen, sich gegen die wachsende Radikalisierung zu wehren. Das ist neben dem interessant konturierten Figurenensemble und dem aufwändigen Setdesign vor allem der souveränen Weise zu verdanken, wie die Drehbuchautoren rund um die Kriminalgeschichte mit den Handlungsfäden jonglieren und daraus einen prall-bunten Erzählteppich weben, der genug Eigenleben entwickelt, um nicht als lehrbuchhafte Parabel zu enden. Dass die finale Auflösung der Mordgeschichte am Ende ein bisschen platt wirkt, fällt nicht weiter ins Gewicht: Der "Whodunit" ist Nebensache; spannend ist, wie die Serie die monströsen Veränderungen eines Gemeinwesens unter dem Einfluss eskalierender Hysterie und bewusst geschürter Ressentiments ausmalt. Felicitas Kleiner

 

Staffel 2

Bald dreieinhalb Jahre ist es her, dass die erste Staffel der Serie „Carnival Row“ erschien. Die Idee stammte vom Drehbuchautor Travis Beacham und mischte Fantasy mit viktorianischen Optiken, dem sogenannten Steampunk, packte soziale und gesellschaftliche Brennpunkte wie Rassismus, Flucht vor Krieg und Spannungen zwischen Arm und Reich dazu und legte gute und böse Fantasy-Kreaturen wie Feen, Faune und Werwölfe obendrauf.

Die von René Echevarria als Showrunner verantwortete Serie ächzte in den acht Episoden von Staffel 1 aber unter der schieren Menge an Material. Das World-Building rund um die Stadt The Burgue und ihre Gegner, die unterschiedlichen Wesen, die sie bewohnen, und die viele Handlungsstränge sorgten dafür, dass „Carnival Row“ einen überaus gehetzten Eindruck machte und trotzdem nicht genug Zeit für alle wichtigen Aspekte hatte. Trotz durchwachsener Kritiken ging eine zweite Staffel in Produktion, die aber wegen Corona und anderer Probleme erst jetzt startet – und bei der offenkundig schon während der Dreharbeiten beschlossen wurde, keine weitere Fortsetzung zu realisieren. Angesichts der deutlich stärkeren zweiten Staffel dürften nicht nur Fans von Staffel 1 darüber enttäuscht sein.

Ein viel zu frühes Ende – dafür ein gelungenes

Der einzige positive Aspekt dieser frühen Entscheidung besteht darin, dass die Autoren die Gelegenheit erhielten, „Carnival Row“ zu einem richtigen Ende zu bringen. Für Fans der Serie ist er Entschluss jedoch eine herbe Enttäuschung, zeigt die zweite Staffel doch erst so richtig, welches Potenzial in dieser Erzählwelt schlummert. Das World Building aus Staffel 1 trägt nun Früchte und bringt viele der bereits angefangenen oder angelegten Handlungen stärker und interessanter zurück. Die Entscheidung, im Finale der ersten Staffel das Carnival-Row-Gebiet innerhalb Burgues zum Ghetto für die Mischwesen-Kriegsflüchtlinge zu machen, bietet große erzählerische Möglichkeiten, die ein neues Autorenteam überaus gelungen nutzt. Das macht sich vor allem am tragischen Liebespaar der Serie fest.

Denn für die Fae Vignette (Cara Delevigne) und dem Mischling Rycroft Philostrate (Orlando Bloom), der früher als Polizist in Burgue gearbeitet hat, entspinnt sich durch die Verschärfungen der Situation neuer Ärger. Ihr rebellisches Herz und sein Pflichtgefühl gegenüber der Stadt treiben die Liebenden auseinander; dazu kommt eine neue Mordserie, bei der Philostrate als geouteter Halb-Fae nicht mehr auf die Hilfe seiner ehemaligen Kollegen bauen kann und auch bei seinen eigenen Leuten wenig beliebt ist.

Auch für die aus einer angesehenen Familie stammende Imogen (Tamzin Merchant) und den reichen, aber gesellschaftlichen geächteten Faun Agreus (David Gyasi) läuft es nicht gut. Ihre Flucht per Schiff wird von Piraten beendet, die sie in eine ehemalige Stadt des Paktes bringen. Dort hat sich inzwischen eine Ideologie entwickelt, nach der alle Lebewesen gleich sind – ob sie wollen oder nicht. Die verwöhnte junge Frau, die in ihrem Leben noch keinen Tag gearbeitet hat, und ihr vermögender Gatte haben es im neuen Arbeiter- und Bauernstaat nicht gerade leicht.

Blutige Machtspiele

Zudem erzählt die zweite Staffel von den Versuchen unterschiedlicher Gruppierungen, nach dem Tod des Kanzlers in Burgue an die Macht zu gelangen und die Geschicke in ihrem Sinn zu lenken. Dabei gehen vor allem der Sohn des Kanzlers und die Tochter des wichtigsten Oppositionellen über Leichen – und belauern sich trotz ihrer Gefühle füreinander wie Raubtiere. Die Ränkespiele der verfeindeten politischen Blöcke, die durch die neue Bedrohung der Gleichheitsidee plötzlich wieder Sympathien füreinander entdecken, sorgen ebenfalls für Überraschungen.

Auch die Fortsetzung ist also wieder vollgepackt mit Geschichten. Die zwei Folgen längere Staffel 2 geht damit aber souveräner um als ihre Vorgängerin und bringt alle Handlungsstränge wesentlich eleganter zusammen. Zwar leidet „Carnival Row“ noch immer unter fehlender Subtilität und vermittelt vor allem die gesellschaftlichen Anliegen ein wenig platt und streckenweise sogar mit dem Holzhammer, verpackt das aber in derart emotionale Stories, dass der Spannungsbogen mühelos gehalten wird und immer wieder grandiose Szenen in die ohnehin gute Grundstruktur eingebaut werden.

Wo in der ersten Staffel oftmals das Gefühl fehlte, nach dem Ende einer Episode unbedingt noch eine weitere sehen zu wollen, entwickeln die neuen Folgen einen sehr viel kräftigeren Sog. Auch weil hier, ganz wie beim großen Vorbild „Game of Thrones“, der Tod bald zum ständigen Begleiter der Figuren wird; in einer finalen Staffel ist einfach niemand mehr sicher. Und wer um seinen Liebling zittert, der bleibt eben interessiert. Die Autoren nutzen diesen Umstand geschickt aus und bringen die Helden und Schurken immer wieder in Gefahr, finden dafür aber stets einen glaubwürdigen Dreh, sodass sich der Nervenkitzel homogen einfügt und nicht aufgesetzt wirkt.

Eine Liebe fürs Fantasy-Genre

Wenn es neben der gelegentlichen Plumpheit der politischen Botschaften etwas zu kritisieren gibt, dann ist es der bei Spezialeffekten manchmal etwas zu billig wirkende Look. Manche Kreatur fällt im Vergleich mit teuren Kino- und Serienproduktionen nicht ganz so beeindruckend aus. Die Schauspieler hingegen sind das sehr wohl. Orlando Bloom spielt als melancholischer und reichlich zerschundener Held erneut erfolgreich gegen sein Schönlings-Image als Elbe Legolas an, David Gyasi überzeugt in sehenswerten Nuancen als gequälter Faun, der nirgendwo Anerkennung findet. Tamzin Merchant hat große Momente, wenn sie sich um ihrer Liebe willen vom verwöhnten Snob zur tatkräftigen Kämpferin mausert, und auch Cara Delevigne darf zeigen, dass sie deutlich mehr kann als teure Kleidung vorzuführen, und zur echten Schauspielerin gereift ist.

Auch wenn „Carnival Row“ vom Publikum eine gewisse Liebe fürs Fantasy-Genre verlangt, um wirklich zu gefallen, so dürfte genau diese Zielgruppe umso trauriger sein, dass die Serie ein so frühes Ende findet. In den Straßen von Burgue hätte sich noch so mancher erzählerische Edelstein für weitere Staffeln finden lassen. Und so manche Allegorie auf aktuelle Ereignisse unserer Welt. Markus Fiedler

 

 

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