Mit dem Namen der „Kursk“ verbindet sich eine Tragödie, die die Welt im August 2000 neun Tage lang in Atem hielt und schließlich 118 Männer das Leben kostete. Das russische U-Boot K-141 Kursk war nach der Explosion eines Torpedos schwer beschädigt auf den Grund der Barentssee gesunken. Während die Überlebenden auf Rettung warteten, weigerte sich die russische Regierung, internationale Hilfe anzunehmen.
Nach dem Tatsachen-Roman „A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy“ des Journalisten Robert Moore erzählt Regisseur Thomas Vinterberg, was damals passiert ist oder – bezogen auf die Geschehnisse im Inneren des U-Bootes – passiert sein könnte. Vinterberg ging es dabei, so erläutert er in den Produktionsnotizen, um Wahrhaftigkeit: „Das ist eine große Aufgabe, schließlich weiß niemand genau, was an Bord passierte Alle Seeleute kamen ums Leben.“ Man muss das als Zuschauer im Hinterkopf behalten. Denn „Kursk“ ist kein dokumentarischer Spielfilm, sondern ein Drama, das sich künstlerische Freiheiten nimmt und aus dramaturgischen Gründen Personen oder familiäre Verhältnisse einführt, die es so nicht gegeben hat.
Der Torpedo explodiert
Der Film beginnt mit einer Hochzeit, aufgenommen im schmalen Format 4:3. Die Fröhlichkeit steht im krassen Gegensatz zu der Katastrophe, die sich bald darauf ereignet. Mit dem Auslaufen der Kursk am 10. August 2000 weiten sich die Bilder zum Cinemascope-Format. Jetzt ist zu sehen, wie mächtig und breit, ja geradezu majestätisch das U-Boot ist. Man lernt exemplarisch einige Mitglieder der Besatzung kennen. Im Mittelpunkt steht der Kapitänleutnant Michail Awerin, dargestellt von Matthias Schoenaerts. Schon am zweiten Tag der Übung erhitzt sich durch eine Fehlfunktion ein Torpedo. Bevor er abgeschossen werden kann, explodiert er. Mit schlimmen Folgen: Die Kursk sinkt, nur 23 Männer, unter ihnen Awerin, überleben und retten sich in eine Kammer.
Von da an fächert sich die Handlung in vier Stränge auf. Die Not an Bord des U-Bootes, wo Kälte und Anstrengung, Hunger und Durst, Sauerstoffmangel und Todesangst den Männern zusetzen. Auf dem Land sorgen sich die Frauen, angeführt von Awerins Ehefrau Tanja (Léa Seydoux), die vergeblich Aufklärung fordern. Weiter zeigt der Film die Hilfsbereitschaft der Briten, personalisiert durch den Commodore David Russell. Doch die Russen haben Bedenken; sie befürchten eine Beschämung vor der Weltöffentlichkeit und womöglich Spionage. Ihre Sturheit, ihre Versäumnisse, das ist die These des Films, sind schließlich auch für den Tod der letzten Überlebenden verantwortlich.
71 Kinder verlieren ihre Väter
„Kursk“ versteht sich, trotz des bekannten Ausgangs, als Spannungsthriller, bei dem durch den Sauerstoffmangel die Zeit immer knapper wird. Schier unerträglich ist eine Szene, in der Awerin und ein anderer Mann durch überschwemmte U-Bootkammern tauchen, um nach sogenannten Sauerstoffbomben zu suchen. Die Beklemmung, minutenlang nicht atmen zu können, teilt sich dem Zuschauer drastisch mit. Dennoch ist „Kursk“ nicht so klaustrophobisch wie Wolfgang Petersens „Das Boot“ (dafür ist das U-Boot viel zu großräumig angelegt) und nicht so aufregend wie Kathryn Bigelows „K-19 – Showdown in der Tiefe“, der ebenfalls auf einer wahren Begebenheit beruht und in dem die Bedrohung von einer atomaren Kernschmelze ausgeht.
Vinterberg thematisiert darüber hinaus weitere Konflikte, etwa die Verkrustungen politischer Systeme, die sich zehn Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs noch immer misstrauisch gegenüberstehen, die Unmenschlichkeit der kurzsichtigen Militärs, den Mut der Seeleute, und ihre Fähigkeit, Abschied zu nehmen. Und es geht um die Auswirkungen auf die Angehörigen der Toten. 71 Kinder haben ihre Väter verloren. So ist auch die symbolische Geste eines kleinen Kindes zu verstehen, mit der der Film endet.