Diese Konstellation gilt fast schon als Subgenre der Romantischen Komödie: Eine unscheinbare, aber herzensgute Frau verliebt sich in einen Mann, der ihr in Sachen Bildung, Macht und Einkommen meilenweit überlegen scheint. Julia Roberts (in „Pretty Woman“) oder Annette Bening (in „Hallo, Mr. President“) waren die schönen Darstellerinnen in – aus feministischer Sicht – weniger schönen Rollen. Seth Rogen hingegen ist weder sonderlich attraktiv noch eine Frau. Der Schauspieler und Filmemacher mit flauschigen Locken und Bauchansatz war bisher eher auf Slacker-Rollen abonniert: In „Beim ersten Mal“ schwängerte er bei einem One-Night-Date eine attraktive Fernsehmoderatorin, in „Ananas Express“ gammelte er gegen die Apokalypse an und geriet völlig bekifft in eine Gangsterfehde. Rogens Parts als gehörnter Ehemann in „Take This Waltz“ oder als bester Freund eines Krebskranken in „50/50“ waren dennoch so berührend und glaubhaft, dass er mit Jonathan Levine jetzt ein weiteres Mal zusammenarbeitet.
„Long Shot“ könnte man als feministische Umkehrung des gängigen Aschenputtel-Motivs bezeichnen, da Rogen als bärtiger, aktuell aber arbeitsloser Journalist Fred Flarsky auf eine Frau trifft, deren Macht höchstens noch von ihrer Schönheit übertroffen wird – das Aussehen der US-amerikanischen Außenministerin Charlotte Field wird häufiger thematisiert als ihre politischen Ambitionen. Die Medien spekulieren über ihre Menstruation und Image-Berater über das Dating-Potenzial des kanadischen Premierministers. Das ändert sich auch nicht, als Field vom amtierenden US-Präsidenten, der die Präsidentenrolle zuvor jahrelang im Fernsehen spielte und dementsprechend planlos durch die erste Amtszeit stolpert, als Nachfolgerin auserkoren wird.
Humor und ein Redenschreiber
Als Präsidentschaftskandidatin braucht Field mehr Humor, und dafür einen Redenschreiber. Wie passend, dass Field gerade bei seinem Magazin gekündigt hat, als dieses von einem schmierigen Medienmogul aufgekauft wurde. Sein bester Freund schleppt den niedergeschlagenen Autor mit zur Party des Jahres, wo die 1990er-Jahre nicht lange auf sich warten lassen. Hier steht nicht nur die Band „Boyz II Men“ auf der Bühne, sondern auch Freds ehemalige Nachbarin im Zuschauerraum: die Außenministerin Charlotte Field. Mit Grauen erinnert sich Flarsky an seine spontane Erektion, als die damals 16-jährige Jugendliche für den drei Jahre jüngeren Nachbarsjungen den Babysitter spielte. Anders als die Erektion sind Freds Gefühle für Charlotte nie abgeflaut. Wobei der aufgeregte Mann diesmal mehr durch Köpfchen und Beredsamkeit auffällt – bevor er einen gewagten Abflug treppabwärts hinlegt.
„Long Shot“ pendelt sich genau zwischen glaubhafter romantischer Annäherung, Blödel-Einlagen, gewitztem Schlagabtausch und den satirisch-herben Seitenhieben auf das US-amerikanische Politiktheater ein, wie es sich zurzeit in Washington abspielt. Das Drehbuch von Liz Hannah und Dan Sterling strotzt vor Anspielungen auf Donald Trump, FOX-News und Rupert Murdoch, unterlegt mit den Fallstricken der „sozialen“ Netzwerke. Ein unheilvolles Geflecht aus Lobbyismus, Politik und Medienkultur bildet die Folie für eine erstaunlich gut funktionierende Paarkonstellation, die sich gegen die Washingtoner Lobby und das Klischeebild des perfekten Paares stemmt – ob mit der Partydroge MDMA oder zu Roxettes „It Must Have Been Love“.
Moralische Integrität vs. sexistischer Druck
Flarsky, vorzugsweise in bunter Ballonseiden-Trainingsjacke, ist der Mann hinter der starken Frau: Er kleidet Fields Umwelt-Engagement in mitreißende Worte. Nur um dann miterleben, wie ihre Bemühungen um die Meere und Wälder sinnbildlich abgeholzt werden – bis nur noch die Bienen übrigbleiben.
Worum es „Long Shot“ im Kern geht, ist das Verbiegen moralischer Integrität unter starkem sexistischem Druck. Charlize Theron beweist dabei einmal mehr ihr komödiantisches Talent, flankiert von einem bis in die Nebenrollen glänzend besetzten Ensemble. Dass die Schönheit der Hauptdarstellerin das Geschlechterbild im Grunde nicht umzukehren vermag, lässt sich angesichts einer Erzählung verschmerzen, die die Probleme der Figuren primär aus deren Charakterzügen entwickelt, nicht nur aus den widrigen äußeren Umständen. Und dadurch, dass ein beliebtes Filmgenre mit den romantisierten Vorstellungen einer regulierenden Gewaltenteilung in Politik und Geschlechterrollen bricht. „It Must Have Been Love – But It’s Over Now.“