The Replacement
Psychothriller | Großbritannien 2017 | 171 (drei Episoden) Minuten
Regie: Joe Ahearne
Filmdaten
- Originaltitel
- THE REPLACEMENT
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Left Bank Pictures
- Regie
- Joe Ahearne
- Buch
- Joe Ahearne
- Kamera
- Nick Dance
- Musik
- Dan Jones
- Schnitt
- Graham Walker
- Darsteller
- Morven Christie (Ellen) · Vicky McClure (Paula) · Richard Rankin (Ian) · Dougray Scott (David) · Navin Chowdhry (Kieran)
- Länge
- 171 (drei Episoden) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Psychothriller | Serie
Ein BBC-Mehrteiler um eine junge Archtiektin, die schwanger wird und fürchtet, im Beruf von einer Aushilfskraft zunehmend an den Rand gedrängt und ersetzt zu werden. Die ersten beiden Folgen verdichten das Thema spannungsvoll vom Psychodrama vom Psychothriller; Folge 3 fällt dagegen allerdings ziemlich ab.
Ellen hat es geschafft. Die noch junge, aber schon preisgekrönte und verbissen ehrgeizige Architektin hat den Auftrag ihres Lebens an Land gezogen: zwölf Millionen Pfund für die Gestaltung einer neuen Bibliothek. Ach ja, und schwanger ist sie auch. Eigentlich freut sich Ellen darüber. Sie und ihr Partner Ian, ein adretter, sensibler Psychiater, wünschen sich ein Baby. Nur ist der Zeitpunkt eben nicht ideal. Was werden wohl die Chefs dazu sagen?
David und Kay, die das auf urbanen Zeitgeist hochglanzpolierte Architekturbüro in Glasgow gemeinsam leiten und auch privat ein Paar sind, reagieren überraschend wohlwollend und entspannt. Sie freuen sich für Ellen, mit der sie befreundet sind, und zerstreuen ihre Bedenken derart leichthin, dass es nicht nur Ellen schwerfällt, ihnen das abzunehmen. Vielmehr scheint es, als würden sie aus Rücksicht auf Ellens „Zustand“ und, weil die soziale Etikette das eben verlangt, ihre wahren Gefühle verheimlichen.
„Nur die Hormone“
Ein Argwohn schleicht sich in das Verhältnis zwischen Ellen und ihren Kollegen, der bedrohlich anwächst, als die Frau auf den Plan tritt, die Ellen während ihres Mutterschaftsurlaubes vertreten soll. Die nach außen freundliche, zuvorkommende Paula hat selbst eine zehnjährige Tochter, und sie geizt nicht mit wohlmeinenden Schwangerschaftsratschlägen. Unter dem Vorwand, sich in Ellens Lage einfühlen zu können, sie unterstützen und ihr Arbeit abnehmen zu wollen, drängt Paula ihre Konkurrentin zunehmend aus dem Büro. So jedenfalls empfindet es Ellen.
Eigen- und Fremdwahrnehmung geraten mehr und mehr aus der Balance. Während Ellen in Paula eine heuchlerische Intrigantin sieht, die es auf ihren Job abgesehen hat, empfinden die Kolleginnen Ellens harsche Reaktionen als undankbar. Und während Ellen in der Zeit ihrer Schwangerschaft und kurz nach der Geburt ihrer Tochter am liebsten so täte, als hätte sich überhaupt nichts verändert, wird sie von ihrem Umfeld zunehmend auf ihre Rolle als Schwangere oder Mutter reduziert. Es scheint, als würde sie von den anderen überhaupt nur noch als „Zustand“ wahrgenommen. Am deutlichsten zeigt sich das, wenn sich fremde Hände ungefragt auf ihren Babybauch legen. Während sie sich dagegen aber noch relativ leicht zur Wehr setzen kann, fällt ihr der Umgang mit den vielen kleinen unausgesprochenen Erwartungen und subtilen Unterstellungen ungleich schwerer. Beschwert sie sich, sind es ja doch nur die Hormone, die aus ihr sprechen.
Das Psychodrama wird zum Psychothriller
Diese alltägliche Melange aus paternalistischer Fürsorge und ignoranter Übergriffigkeit bildet den dramaturgischen Sud, den TV-Regisseur und Drehbuchautor Joe Ahearne in der dreiteiligen BBC-Miniserie „The Replacement“ zu einem mitreißenden Psychothriller gären lässt. Zumindest in der ersten Folge erscheint Paula als raffinierte Strippenzieherin, die genau weiß, welche Knöpfe sie zu drücken braucht, um Ellen und den Rest des Büros unterschwellig gegeneinander auszuspielen und sich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Ohne Bezahlung tritt sie ihre Stelle früher als geplant an. Den Auftraggeber beeindruckt sie mit kreativen Änderungsvorschlägen. Und Ellen hält sie Informationen vor, mit denen sie diese in ihrem „Zustand“ nicht belasten möchte.
Auch wenn da ganz offensichtlich etwas Unheilvolles zwischen den beiden Frauen köchelt, bewegt sich die erste Folge narrativ überwiegend auf der psychologischen Ebene. Thriller-Elemente fließen vor allem in die fesselnde Inszenierung ein: die Choreografie der lauernden, vieldeutigen Blicke; die sich hinterrücks anpirschende Kamera; die durch gläserne Türen heimlich beobachteten Vertraulichkeiten. Erst mit dem Cliffhanger am Ende, als eine Kollegin Ellens auf der Baustelle in den Tod stürzt, wird aus dem Psychodrama tatsächlich ein Psychothriller.
In Folge 2 spielt Ahearne dann meisterhaft mit den Ungewissheiten und Ambivalenzen dieses Genres. Ellen erscheint nicht mehr nur als Opfer einer selektiven und von Vorurteilen gefilterten Wahrnehmung, sondern sie schaut auch selbst auf Andere durch eine solche Brille. Nachdem sie Paula einmal zum parasitären Eindringling abgestempelt hat, deutet sie deren Annäherungsversuche konsequent als Zudringlichkeiten. Jeden freundlichen Rat interpretiert sie als Übergriff. Überall wittert sie Verrat und Lüge. Gleichzeitig ertappt sie Ian dabei, wie er seiner Mutter am Telefon erklärt, Ellen zeige Anzeichen einer postnatalen Depression. Es stellt sich heraus, dass Ellen schon einmal in psychiatrischer Behandlung war – und zwar bei Ian.
Eine atemberaubende Performance von Morven Christie, aber ein schwacher Showdown
Im diffusen Realitätsflirren, in dem sich Gewissheiten zu widersprüchlichen Möglichkeiten auffächern, entfaltet das intensive Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen eine packende Dynamik. Vicky McClure wirkt als Paula immer ein wenig um Fassung bemüht, meist erfolgreich. Nur gelegentlich blitzen Unsicherheiten, Verletzungen und Ängste durch die Maske der selbstbewussten und liebenswerten Vorzeigefrau hindurch. Ellen scheint dagegen immer mehr die Kontrolle über ihre Emotionen zu verlieren. Trotz und Stolz, Verzweiflung, Angst, Ekel und Wut, Entschlossenheit, Mitleid, Trauer, Liebe, Argwohn verformen ihr Gesicht, ohne es jedoch zu einer Karikatur zu verzerren. Mit stets nur feinen Nuancen, einem leichten Zucken der Mundwinkel, einem fast unmerklich veränderten Blick, kehrt Morven Christie das Innerste ihrer Figur nach außen. Eine atemberaubend gute Performance! Diesen Charakter kann man besser nicht spielen.
Dennoch büßt auch er im dritten Teil seinen Reiz ein, weil das Script Ellen jäh aus dem Zwielicht zerrt und wie alle anderen Figuren unvermittelt zu einem simplen Gut-Böse-Showdown aufstellt. Nachdem sich das Psychodrama zu einem doppelbödigen Psychothriller gesteigert hat, kollabiert es in der Schlussfolge zu einem leblos mechanischen Thriller. Zwei Folgen lang wird die Spannung beharrlich angezogen, dann zerreißt sie abrupt, und die Fetzen werden notdürftig zusammengeklaubt. Die Handlungslogik gerät schließlich derart hanebüchen, dass man sich das zweimal anschauen muss, um es zu glauben. Wie kann es sein, dass in Überdosis verabreichte Schlaftabletten von einer Sekunde auf die nächste ihre Wirkung verlieren? Eigentlich nur, weil das halt so im Drehbuch steht. Aber wieso ein großartig besetzter, brillant arrangierter und sorgsam orchestrierter Psychothriller plötzlich so lustlos und schludrig abgewickelt wird, bleibt ein Rätsel.