Schon Darren Aronofsky hatte in „The Wrestler“ gezeigt, wie vielschichtig der US-amerikanische Show-Kampf sein kann, wenn stereotype Körperbilder von Männern und Frauen im Ring durch ihre Hyperinszenierung befragbar werden. Denn es sind Übertreibung und Performance, die beim Wrestling im Vordergrund stehen und erforderlich machen, dass sich die Kämpfenden vor dem Publikum immer wieder neu erfinden müssen.
Von dieser Freiheit profitiert auch Saraya (Florence Pugh), die sich von gängigen, an junge Frauen gerichteten Schönheitsidealen eingeengt fühlt. Für sie, die in einer Familie aufwuchs, die sich gänzlich dem Wrestling verschrieben hat, erscheint es selbstverständlich, sich offensiv und physisch präsent zu geben, obwohl sie dadurch oft in Konflikt mit ihrer kleinbürgerlichen Umwelt gerät, die von Frauen in erster Linie Zurückhaltung und Grazie erwartet.
Eine etwas andere Familie
Der aus dem britischen Norwich stammende Wrestler „Rowdy“ Ricky Knight (Nick Frost) hat über den Show-Kampf seine kriminelle Vergangenheit in den Griff bekommen. Doch nicht seine Geschichte steht im Mittelpunkt, sondern erfrischender Weise die seiner Tochter Saraya. Gemeinsam mit ihrem Bruder Zak (Jack Lowden) träumt sie davon, ihrem Vater in den Ring nachzufolgen, dessen Karriere sie Zeit ihres Lebens begleitet hat.
Die laute Herzlichkeit und Unverblümtheit, mit der die Familie auftritt, sorgt in Großbritannien allerdings öfter für Irritationen, genauso wie ihre schrillen Outfits. Da es finanziell mau um die Familie steht, bittet Ricky den Trainer Hutch Morgan (Vince Vaughn), seine beiden Kinder unter Vertrag zu nehmen. Es ist aber nicht der bullige Zak, der sich schließlich durchsetzt, sondern die eigensinnige Saraya. Unter dem Namen „Paige“ steigt sie als Nachwuchstalent in den US-amerikanischen Ring, während ihr Bruder damit kämpft, dass sich sein Berufswunsch wohl nicht erfüllen wird.
Beide ringen nicht nur mit der Frage, welchen Stellenwert Familie für sie einnimmt, sondern auch, ob sie sich selbst so annehmen können, wie sie sind, auch wenn das Umfeld sie immer wieder zurückweist.
Zwischen Wortwitz und Körperkino
Autor und Regisseur Stephen Merchant ist zusammen mit Ricky Gervais durch die Serie „The Office“ bekannt geworden, die in Deutschland in „Stromberg“ sogar für Ableger sorgte. Während Gervais als Comedian durchstartete, blieb Merchant eher im Hintergrund und trat als Nebendarsteller in den britischen Erfolgskomödien „Hot Fuzz“ und „Run, Fatboy, Run“ auf. In „Fighting with my Family“ stellt Merchant nun unter Beweis, dass er massentaugliches Underdog-Kino im Stil von „Billy Elliot“ mit US-amerikanischer Popkultur zu verbinden versteht. Denn auch wenn die Komödie mit einigen Klischees arbeitet, so räumt sie doch auch zugleich mit sehr vielen auf.
Es ist vor allem dem starken Spiel von Florence Pugh zu verdanken, dass man der unkonventionellen Protagonistin gerne zusieht, wie sie sich den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft im Ring und darüber hinaus erkämpft. Der Film stellt stereotype Geschlechterbilder in Frage, die Frauen ihre Körperkraft absprechen und ihnen keinen Raum lassen, selbst laut und komisch zu sein. Nick Frost überzeugt durch seine physische Präsenz, mit der er Situationskomik ohne viele Worte auszuspielen vermag. Von US-Mainstreamproduktionen hebt sich der Film durch sein nuanciertes Drehbuch ab, das durch pointierten britischen Humor das grellbunte Milieu des Wrestlings immer wieder auf den Boden einer amüsanten Working-Class-Comedy holt.