Es war wie in einer griechischen Tragödie, ein Sturz ins Nichts. Ende 2016 erlangte eine unbekannte Fußballmannschaft aus einer abgelegenen Stadt im Süden Brasiliens traurige Berühmtheit, als sie auf dem Weg zum Endspiel der „Copa Sudamericana“ in Medellín mit dem Flugzeug abstürzte. Acht Kilometer vor dem Ziel ging dem Flieger der Treibstoff aus.
Bei dem Absturz starben 19 Spieler. Von den 77 Insassen aus Team, Trainerstab, Funktionären und Journalisten überleben nur sechs: der Torhüter Jakson Follmann, der Abwehrspieler Neto und der Linksverteidiger Alan Ruschel, zwei Flugbegleiter sowie der Radioreporter Rafael Henzel. Der im Jahr 1973 gegründete Fußballclub Chapecoense stand vor dem Nichts, die 200.000 Einwohner der Stadt Chapecó waren wie gelähmt. Die Bilder von der Trauerfeier im Stadion riefen weltweit Mitleid und Betroffenheit hervor.
Trauer und Neubeginn
„Nossa Chape – Unser Team“ erzählt von Bewältigung und Trauerarbeit, vom Weiterleben nach einem schmerzhaften Verlust, von Kampf des Clubs nach der Katastrophe, von drohendem Abstieg und Klassenerhalt. Zu Beginn zeichnen die Regisseure Jeff und Michael Zimbalist die erstaunliche Geschichte des Fußballclubs nach, doch der größere Teil des Films beschäftigt sich mit Trauerarbeit und Neubeginn. Die Filmemacher greifen dabei auf Aufnahmen aus den Fernseharchiven zurück. Die Idee zu dem Film stammt von dem Sender Fox Sports, der Kollegen bei dem Absturz verloren hat. Die Bilder von den ersten Reaktionen der Witwen und Angehörigen sind teils beeindruckend, teils aber auch auf Schock und Sensation getrimmtes Fernsehmaterial.
Wesentlich stärker sind Interviews mit den Frauen der Opfer und den Überlebenden: Jakson Follmann, dem der rechte Unterschenkel amputiert werden musste, Neto, der lange im Koma lag, und Alan Ruschel, der erst nach großen Anfangsschwierigkeiten auf das Spielfeld zurückkehrte. Zu Wort kommen auch Menschen, die nicht im Flugzeug saßen, sowie die neuen Spieler, die im Schatten ihrer toten Vorgänger stehen.
Eine Gemeinschaft steht im Zentrum
Der Film zeigt den Weg des Clubs und seiner Angehörigen zurück in die Normalität. Etwa das Freundschaftsspiel gegen den FC Barcelona oder die Reise des Teams nach Medellín und zur Unglücksstätte, wo das Flugzeug am 28. November 2016 abgestürzt war. Überlebende und Angehörige stellen sich vor den Ort der Katastrophe.
Unter dem neuen Trainer gelingt dem Team das Unmögliche: die Mannschaft spielt wieder in der ersten Liga. Doch das führt zu Auseinandersetzungen. Die Angehörigen fühlen sich übergangen und ausgenutzt; sie klagen, dass über den neuen Triumphen die Opfer vergessen würden. „Der Club profitiert vom Tod unserer Ehemänner“, sagen die Witwen, die immer noch auf eine Entschädigung warten.
„Nossa Chape – Unser Team“ porträtiert eine Gemeinschaft in ihren unterschiedlichen Facetten und Widersprüchen, was recht ungewöhnlich ist in einer Zeit, in der Dokumentarfilme hauptsächlich individuelle Schicksale beleuchten. Der Film verzichtet auf jeden Off-Kommentar. Dass er trotzdem manchmal wie eine triumphierende Sportreportage wirkt, liegt an der Dynamik des Archivmaterials, aber auch an der exzessiv eingesetzten Originalmusik von Alejandro Reyes, die nur wenig stille Momente zulässt.
Es gibt mehr im Leben
Dennoch richtet sich der Film durchaus auch an Zuschauer, die sich nicht oder nur wenig für Fußball interessieren. Denn der Film stellt sich den Fragen nach einem Weiterleben nach einer Katastrophe oder, wie Alan Ruschel, viel grundsätzlicher denen nach einem Sinn des Lebens: „Plötzlich begriff ich, dass das Leben wie ein Nebel ist, der sich bald auflöst und verschwindet. Ich will wissen, warum ich hier bin. Ich will nicht mehr so leben wie früher, Fußball – Arbeit, Arbeit – Fußball. Es gibt mehr im Leben.“