Animation | Polen/Spanien/Belgien/Deutschland/Ungarn 2018 | 85 Minuten

Regie: Raúl de la Fuente

Auf der Grundlage der Erinnerungen des polnischen Auslandskorrespondenten Ryszard Kapuściński (1932-2007) entworfenes Road Movie, das ein dichtes, eindringliches Bild von Angola im Jahr 1975, als das Land seine Unabhängigkeit erlangte, zeichnet. Während des von weltpolitischen Machtspielen dominierten Bürgerkrieges muss sich der Reporter zwischen beruflichem Ehrgeiz, journalistischer Unabhängigkeit und Empathie für eine Seite entscheiden. Die kluge Mischform aus Animations- und Dokumentarfilm ergänzt die zumeist fotorealistische Animation mit Interviews, historischen Fotos und neu gedrehten Szenen aus dem heutigen Angola. Dabei nimmt der Film die mit der Revolution sympathisierende Sicht Kapuścińskis auf und trägt sie relativ ungebrochen in die Gegenwart. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
JESZCZE DZIÉN ZYCIA
Produktionsland
Polen/Spanien/Belgien/Deutschland/Ungarn
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Platige Image/Kanaki Films/Puppetworks Animation Studio/Animationsfabrik/Umedia/Walking The Dog/Wüste Film
Regie
Raúl de la Fuente
Buch
Raúl de la Fuente · Amaia Remirez · Niall Johnson · David Weber · Damian Nenow
Kamera
Raúl de la Fuente · Gorka Gómez Andreu
Musik
Mikel Salas
Schnitt
Raúl de la Fuente
Länge
85 Minuten
Kinostart
04.04.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Animation | Biopic | Historienfilm
Externe Links
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Heimkino

Die DVD umfasst eine Audiodeskription für Sehbehinderte.

Verleih DVD
Pandora (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Teil animiertes, teils dokumentarisches Road Movie durch Angola auf den Spuren des polnischen Auslandskorrespondenten Ryszard Kapuściński, der das Land während des Bürgerkrieges im Jahr 1975 bereiste.

Diskussion

Animiertes Road Movie aus dem Bürgerkrieg in Angola im Jahr 1975, das den Spuren des polnischen Reporters Ryszard Kapuściński (1932-2007) folgt und dessen Parteinahme für die Revolution teilt.

Wenn Angola befreit würde, käme der ganze afrikanische Kontinent in Bewegung. Das war die Hoffnung, mit der die Befreiungsbewegung MPLA in den frühen 1970er-Jahren antrat, um die verhassten portugiesischen Kolonisatoren aus ihrem Land zu vertreiben. Am 11. November 1975 erklärte das Land die Unabhängigkeit und wandelte sich zur Volksrepublik. Zugleich aber erlebte Angola einen Bürgerkrieg ungeheuren Ausmaßes: Drei verfeindete, hoch aufgerüstete Bewegungen, neben der MPLA auch die FNLA und die UNITA, trugen blutige Kämpfe aus, Südafrika schickte Truppen, und schließlich trat Kuba mit rund 50.000 Soldaten an der Seite der MPLA in die Auseinandersetzungen ein. Angola, ein Land reich an Bodenschätzen, Erdöl, Diamanten, wurde zum Spielball globaler Machtkämpfe – und das für lange Zeit.

Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte des Films „Another Day of Life“, der nach den 1976 erstmals publizierten Erinnerungen des polnischen Auslandskorrespondenten Ryszard Kapuściński (1932–2007) entstand. Der „kosmopolitische Pole“ hielt sich zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung in Angola auf; seine Erlebnisse werden nun in einer Mischform von Animations- und Dokumentarfilm fürs Kino verdichtet.

Die Liebe und der Tod

Dramaturgisch ist „Another Day of Life“ ein Road Movie. Den Ausgangspunkt bildet Kapuścińskis Wunsch, in den Süden des Landes zu fahren, um den revolutionären Anführer Farrusco zu interviewen, dessen Name wie eine Legende gehandelt wird. Auf dem Weg dahin gerät der Reporter mehrfach in Lebensgefahr, trifft auf Tod und Verwesung, macht aber auch Bekanntschaft mit der Revolutionärin Carlota, die eine Kalaschnikow geschultert hat. Für wenige Augenblicke verwandelt sich der Film in eine – unerfüllt bleibende – Liebesgeschichte, mit der das Vorgehen des Journalisten moralisch untermauert wird: „Sorg dafür, dass man uns nicht vergisst“, lautet Carlotas Wunsch, dem Kapuściński mit Schreibmaschine und Fotoapparat nachkommt.

In dem Moment, als Kapuściński erfährt, dass Kuba direkt in den Angolakrieg eingreifen will, eröffnet der Film einen Diskurs über journalistische Ethik. Der Fernschreiber, mit dem damals Nachrichten ohne Zeitverzögerung versendet wurden, wird groß ins Bild gerückt. Als Kapuściński den Einsatz der Kubaner an seine Agentur vermelden will, wird ihm bewusst, dass diese Nachrichten von den US-amerikanischen Geheimdiensten abgefangen werden, was die geheime Mission der Kubaner im Keim ersticken würde. Im Konflikt zwischen beruflichem Ehrgeiz, der Erste zu sein, und parteilicher Zurückhaltung entscheidet Kapuściński sich für das Schweigen. Auch Carlotas Vermächtnis mag zu dieser Entscheidung beigetragen haben.

Eine kluge Mischform

„Another Day of Life“ ist in einem drängenden Rhythmus erzählt: sehr dicht und eindringlich, fast atemlos. Die zumeist fotorealistische Animation ist mit dokumentarischen Intervieweinschüben von Zeitzeugen, authentischen Fotos und neu gedrehten Szenen aus dem heutigen Angola klug verknüpft; der Rausch aus Bildern und Tönen kennt keine Leerstellen. Damit nimmt der Film Kapuścińskis Empathie für die MPLA-Kämpfer auf und trägt sie relativ ungebrochen in die Gegenwart.

Eine große Wirkung entfalten surrealistische Ausbrüche: Als Kapuściński von Carlotas Tod erfährt, lösen sich die Tasten der Schreibmaschine aus der Halterung, schweben plötzlich frei im Raum und bedrängen den Betrachter wie Monstren. Stark ist auch das dokumentarische Motiv eines Jungen am Strand, der am Ende des Films lange in die Kamera blickt, während man im Hintergrund ein rostiges Schiff erkennen kann, das einst auf den Namen „Karl Marx“ getauft wurde. Ein metaphorisches Bild, das auch danach fragt, welches Leid, welche Schmerzen der Krieg die Menschen gekostet hat. Und welche ungewisse Zukunft vor dem ausgepowerten Volk im Südwesten Afrikas und dem ganzen Kontinent liegt, für den die Unabhängigkeit Angolas einst ein Fanal des Fortschritts und der Zuversicht sein sollte.

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