An einer Stelle des Historiendramas von Lance Daly findet der Ex-Soldat Martin Feeney seine Schwägerin Ellie und deren Kind tot in einer Ruine vor. Sie, ihre Tochter und ihr Sohn waren die letzten seiner Familie, die Martin noch lebend vorfand, als er 1847 nach seinem Kriegsdienst bei der britischen Armee in Afghanistan in seine Heimat Irland zurückkam; doch nun sind auch sie gestorben: der Neffe wurde von der Obrigkeit erschossen, Ellie und die kleine Tochter sind der Entkräftung im Zug einer Hungersnot und der Winterkälte erlegen und vom Frost zu so etwas wie einer traurigen Skulptur modelliert worden – wie ein grausiger Entwurf für jenes „Famine Monument“, das seit den späten 1990er-Jahren in der Hauptstadt Dublin an das Elend der Jahre 1845-1852 erinnert.
Ein filmisches Mahnmal in Gestalt eines geradlinig entwickelten Rache-Thrillers ist auch Dalys Film: Festgemacht an der Geschichte von Feeney (James Frecheville), der auszieht, um Vergeltung für die Toten an den britischen Kolonialherrn und ihren irischen Unterstützern zu üben und dabei von Soldaten der britischen Armee und einem Vertreter der Royal Irish Constabulary (Hugo Weaving) verfolgt wird, entfaltet sich ein erschütterndes Panorama des von der Not gezeichneten Landes. Wobei es Daly, der auf der Basis eines irischen Kurzfilms („An Ranger“, 2008, hier zu sehen) auch das Drehbuch verfasst hat, vor allem darauf ankommt zu zeigen, wie viel von dem Elend, das im Jahr 1847 seinen Höhepunkt erreichte, menschengemacht war.
Grausame Kolonialpolitik mit weitreichenden Folgen
Zwar waren es die Kartoffelfäule und von ihr verschuldete Missernten, die dafür sorgten, dass in Irland ein Hauptnahrungsmittel knapp wurde. Dass sich dieses Unglück zu einer Katastrophe auswuchs, in deren Folge rund eine Million – das waren ca. zwölf Prozent der irischen Bevölkerung – starben und Millionen andere sich zur Emigration genötigt sahen, lag aber auch an der gnadenlosen Politik der britischen Regierung, die das Land beherrschte. In „Black 47“ werden unter anderem die Vertreibung irischer Bauern, die im Zuge der Missernten ihre Pacht an die britischen Großgrundbesitzer nicht mehr entrichten konnten, und die Zerstörung ihrer Häuser thematisiert. Und es wird gezeigt, wie skrupellos Landbesitzer (im Film repräsentiert durch Jim Broadbent) trotz der Not der von ihnen abhängigen lokalen Bevölkerung das, was noch an Lebensmitteln erwirtschaftet wurde, weiter exportierten anstatt zur Bekämpfung der Not zu nutzen.
Die Hauptfigur Martin Feeney ist so etwas wie der verkörperte gerechte Zorn über diese Unmenschlichkeit und über die brutal durchgreifende Staatsgewalt, mit der sie durchgesetzt wurde – eine nicht gerade subtile und differenzierte, aber emotional sehr packende Art und Weise, sich mit dem britischen Kolonialismus auseinanderzusetzen, wie sie zum Beispiel auch die australische Regisseurin Jennifer Kent kürzlich in ihrem im Australien des 19. Jahrhunderts angesiedelten Rachethriller „The Nightingale“ erprobt hat.
Bei aller Geradlinigkeit keine platte Rache-Fantasie
Regisseur Lance Daly lässt sich jedoch nicht ganz von den Genre-Mustern hinreißen, sondern verweigert dem Publikum weitgehend die düstere Befriedigung, die Rache-Stoffe damit bereiten, wenn schließlich die Bösewichter das bekommen, was sie augenscheinlich verdienen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass in „Black 47“ Feeneys Jäger kein gesichtsloser Trupp Bösewichter bleiben. Sie bekommen genug erzählerischen Raum zugestanden, um sich als Charaktere zu profilieren, die innerhalb eines streng reglementierten sozialen Systems handeln, das ihnen allen bestimmte Rollenmuster und Wertehorizonte vorgibt. Zudem wird ihnen (zumindest teilweise) auch zugestanden, durch das, was sie während der Verfolgung von der Not zu sehen bekommen, ihre Haltung auch noch verändern zu können – eindrücklich gezeigt zum Beispiel einer von dem talentierten Jungstar Barry Keoghan („The Killing of a Sacred Deer“) gespielten Nebenfigur, die schließlich sogar die Seiten wechselt.
Außerdem erscheint Hauptdarsteller James Frecheville nie als Held, der sich als Wiederhersteller einer höheren Ordnung gibt, sondern zeichnet seine Figur als so tief verletzten Mann, dass kein Blutvergießen der Welt das, was er an Verlusten hinnehmen musste, je wieder gutmachen könnte. Im düsteren Finale schwant einem, dass Daly hier nicht zuletzt vom Anfang einer durch himmelschreiendes Unrecht begonnenen Hass- und Gewaltspirale erzählen will, deren Folgen vom „schwarzen Jahr“ 1847 über den Osteraufstand 1916 und den „Blutigen Sonntag“ 1972 bis weit ins 20. Jahrhundert hineinreichen und noch heute nicht ganz verdaut sind.