Feministische Filme sind in Hollywood keine Besonderheit mehr, aber immer noch die Ausnahme. Ein biografisches Porträt einer lesbische Frau in ihren Fünfzigern, die in den Augen der Regisseurin Marielle Heller so „etwas wie ein feministischer Anti-Held“ ist, durchbricht allerdings nach wie vor Grenzen und Vorbehalte. Besonders deshalb, weil sich der Film keine Mühe gibt, die in ihrem Äußeren und ihrem Verhalten gegenüber der Umwelt ziemlich unattraktive Heldin schönzureden.
Das von Nicole Holofcener und Jeff Whitty verfasste Drehbuch basiert auf einer 2008 erschienenen Autobiografie der Schriftstellerin Lee Israel. Mit Büchern über Tallulah Bankhead und Estee Lauder hatte Lee Israel einst Erfolg gehabt. Aber das ist in den 1990er-Jahren lange her. In Antiquariaten werden ihre Romane inzwischen für ein paar Dollar verscherbelt. Lee, die Katzen immer schon mehr liebte als Menschen, lebt in einer schäbigen New Yorker Behausung, in der man die Fenster aufreißen möchte, sobald man ihrer ansichtig wird. Es gibt kaum einen Tag, geschweige denn eine Nacht, wo sie nüchtern ist. Sie hat keine Freunde, nur „Bekannte“, und ihre immer bedrängendere finanzielle Situation lässt sie ihre Einsamkeit umso stärker empfinden.
Die Versuchung ist groß
Eines Tages stolpert Lee über zwei originale Briefe der Vaudeville-Komödiantin Fanny Brice, über die sie gerade ein Buch schreibt. Die Versuchung, die Briefe zu stehlen und sie zu Geld zu machen, ist groß – und Lee erliegt ihr inmitten der unaufmerksamen Umgebung der Bibliothek, in der sie die Bögen gefunden hat.
Damit ist der erste Schritt zu einer zweiten Karriere getan, der kriminellen Karriere einer Fälscherin. Lee zeigt sich darin begabt. Sie benutzt Federhalter, alte Schreibmaschinen und ihre eigene witzige Fantasie, um angeblich echte Briefe ihrer literarischen Helden zu verfassen und an zunächst ahnungslose Antiquariate zu verkaufen. Sie verfügt über genug Begabung und Humor, um den Stil der imitierten Autoren perfekt nachzuahmen; Lee Israel hat von sich selbst einmal gesagt, dass sie „ein besserer Noël Coward als Coward selbst“ sei.
Einen Komplizen findet Lee in einer Bar in einem homosexuellen Bekannten, der wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis saß. Mit ihm zusammen glückt ein Coup nach dem anderen, bis die Vielzahl der von ihr „gefundenen“ Briefe dann doch das Misstrauen der Käufer weckt und schließlich auch das des FBI.
Glänzende Darsteller und eine kluge Regie
Filme dieser Art stehen und fallen nicht nur mit der Sensibilität ihrer Autoren und Regisseure, sondern auch mit dem Können ihrer Darsteller. Die Komödiantin Melissa McCarthy und der weniger bekannte, aber glänzende Richard E. Grant haben sich ihrer deftigen Rollen mit totaler Selbstentäußerung angenommen. Als Zuschauer vergisst man schnell, dass hier Schauspieler am Werk sind. Sie kosten nicht nur die saftige Komik der Geschichte aus, sondern fördern die verborgene Tragik der Charaktere ganz unforciert zu Tage. Gemeinsam mit der Inszenierung von Marielle Heller, die jede Gelegenheit wahrnimmt, hinter das irritierende Äußere ihrer Figuren zu schauen, gelingt es, versteckte Unsicherheiten, soziale Ausgrenzungen und die dadurch ausgelöste Isolation in einer Weise deutlich zu machen, die den Film zu einem der bewegendsten Charakterdramen der jüngsten Zeit werden lässt.