Der seltsame Klang des Glücks
Dokumentarfilm | Deutschland/Italien 2016 | 94 Minuten
Regie: Diego Pascal Panarello
Filmdaten
- Originaltitel
- THE STRANGE SOUND OF HAPPINESS
- Produktionsland
- Deutschland/Italien
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- Kick Film/Stefilm/SR
- Regie
- Diego Pascal Panarello
- Buch
- Diego Pascal Panarello
- Kamera
- Matteo Cocco
- Musik
- Bartolomeo Sailer
- Schnitt
- Carmen Kirchweger · Enrica Gatto
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- 31.10.2019
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Dokumentarfilm über einen sizilianischen Filmemacher, den die Faszination für den mysteriösen Klang der Maultrommel ins sibirische Jakutien führt, wo er neben einem Meisterschmied auch unerwartete Momente des Glücks findet.
Der italienische Filmemacher Diego Pascal Panarello hat seine Geschichte vom Gedankenvertreiber (Scacciapensieri), wie die Maultrommel in Italien auch genannt wird, und dem Glück schon einmal erzählt. Im vergangenen Winter zeigte arte seine 45-minütige Doku „Die Maultrommel – Jakutiens Schlüssel zum Glück“, in der er einem geheimnisvollen Ruf zu folgen scheint, der ihn von Sizilien in den tiefen Winter Sibiriens, nach Jakutien führt. Ein Land, das er bis dahin nur vom „Risiko“-Spielen kannte und von dem er kaum ahnte, dass es tatsächlich existiert. Dort wiederum erzählt man sich von einer alten Prophezeiung, nach der einmal ein kleiner Mann mit Lavaaugen aus dem All käme, um die Maultrommel in aller Welt bekannt zu machen. Panarello wäre gerne dieser Mann. Meister Tschomtschojew, der ihm eine Khomus, so heißt das Instrument in Jakutien, schmiedet, hat er einen Lavastein aus seiner sizilianischen Heimat mitgebracht. Und tatsächlich lernt Panarello auf der Khomus zu spielen, von der manche in Jakutien glauben, sie ahme das Geräusch tropfenden, schmelzenden Wassers nach und könne, weil sie den Klang des Glücks in sich trage, den Frühling herbeirufen.
Die gleiche Geschichte erzählt Panarello nun noch einmal, im Kino. Diesmal aber lässt er sich knapp 90 Minuten, also fast doppelt so lang, Zeit. Weil er das dokumentarische Material dafür mit stimmungsvollen Aufnahmen und surrealen, naiv-psychedelischen Animationen streckt, dehnt sich der Streifen mitunter träge in die Länge. Insgesamt aber gelingt es Panarello derart gut, eine wundersam träumerische, beinah meditative Atmosphäre zu erzeugen, dass sein Film, der irgendwo zwischen Reportage und Märchen mäandert, durch das neue Format an Tiefe gewinnt.
Ein Fantasieraum jenseits der geografischen Wirklichkeit
Während das sphärische Scheppern der Maultrommel erklingt, taucht Panarello in Sizilien durch eine Grotte. Gezeichnete Strichmännchen verlieren sich in einem Farbenrausch. Mit fotografischem Feingespür fängt die Kamera kleine alltägliche Beobachtungen ein: ein Topfdeckel, der langsam auf den Topf rutscht, ein Wassertropfen, der von einer Wange perlt, Menschen in der U-Bahn, gelb-braun leuchtendes Lavagestein. Die Schneelandschaft Sibiriens scheint im Weiß der sizilianischen Felsen widerzuhallen. All das verbindet Panarello in „Der seltsame Klang des Glücks“ zu einem Fantasieraum jenseits der geografischen Wirklichkeit.
Panarello bewegt sich wie selbstverständlich zwischen den Ländern und Genres, Dokumentarischem und Fiktionalem. Als Kind, erzählt er, habe er in Sizilien einst einem Mann irgendwo mitten auf dem Feld zugehört, wie er die Maultrommel spielte. Der Mann sagte nichts, er spielte nur, und später sah ihn Panarello nie wieder. Aber Tschomtschojew, der Meisterschmied, kennt diesen Mann. Er hat ihn einst auch gesehen. Auf seiner frisch gefertigten Khomus spielt Panarello nun also dessen Melodie. So absurd und unwirklich das klingt, kippt es doch nicht ins Esoterische, weil Panarello es eher wie einen Tagtraum präsentiert und vor allem mit einer ordentlichen Portion Humor.
Die Aura des Karatemeisters
Tschomtschojew, behauptet er, habe er sich als Schmied ausgesucht, weil der ihn mit seinem langen grauen Haar und Bart an den Meister aus „Karate Kid“ erinnerte. Tschomtschojew schmunzelt nur weise: „Du dachtest also, ich kann Karate.“ Ein Kopfschütteln verkneift er sich. Ein andermal sitzt der Leiter des hiesigen Maultrommelmuseums bei Tschomtschojew am Küchentisch und befragt ihn nach einer Legende, nach der eine seiner Maultrommeln einst bis ins All aufgestiegen und Monate später plötzlich wieder vom Himmel gefallen sei. Ob das wahr sei, möchte der Museumsleiter wissen. Das wäre doch eine schöne Geschichte für seine Ausstellung. Ja, stimmt ihm der Meisterschmied grinsend zu, und „wenn du die Nachricht über WhatsApp verkündest, geht es richtig rund“.