Formal virtuose filmische Nacherzählung der Geschichte des US-Programms der bemannten Raumfahrt in den 1960er-Jahren bis zur Mondlandung 1969, mit dem Astronauten Neil Armstrong als zentraler Figur. Ein detailgenauer Historienfilm, der sich angenehm von Hollywood-Heldenbildern abgrenzt.
Das Blickfeld der Männer ist winzig. Festgezurrt in den Sitzen der engen Flugmaschinen, enthüllen umhergeworfene Blicke ein unübersichtliches Gemenge: Blinkende Apparate und Bildschirme, Knöpfe und Hebel, Kabel und Drähte. Von außen fallen beim senkrechten Aufstieg in den Himmel nur Lichtfetzen herein, Wolken rasen vorbei, bis schließlich die Schwärze des Alls die kleinen Fenster ausfüllt. Die Kamera von Linus Sandgren bleibt bei diesen Himmelsflügen in Damien Chazelles „Aufbruch zum Mond“ hautnah an den Raumfahrern, die inmitten des Fluglärms, ihres eigenen heftigen Atmens und der Andeutungen von Panik auf den angespannten Gesichtern keine Zeit für erhabene Gedanken haben. Erst, wenn außerhalb der Erdatmosphäre die Flugmaschine in die Horizontale gerät und die Geräuschkulisse für kurze Zeit ausblendet, bietet ihnen das Gelegenheit zum Durchatmen und auch Staunen über die Schönheit und Weite des Weltraums. Doch gerade in diesen Momenten macht Chazelle auch die Verwundbarkeit der Astronauten besonders augenfällig: Als kleine und zerbrechliche Menschen bewegen sie sich in kaum größeren und widerstandsfähigeren Metallkonstruktionen, um sie herum der luftleere, dunkle, unendliche Raum.
Eindringliche Szenen wie diese vermitteln unmissverständlich, wie wenig es Damien Chazelle bei seiner filmischen Annäherung an das US-amerikanische Raumfahrtprogramm zwischen 1961 und 1969 auf ein klassisches Hollywood-Heldenepos angelegt hat. Die Astronauten in „Aufbruch zum Mond“ sind keine tollkühnen Bezwinger der Lüfte, keine furchtlosen „Space Cowboys“ und auch keine egogestählten Draufgänger, wie sie Philip Kaufman 1983 in seinem Film über die Pioniere der Raumfahrt, „Der Stoff, aus dem die Helden sind“, präsentierte. Schon gar nicht fällt der im Zentrum des Films stehende Neil Armstrong unter solche gängigen Heldenschemata: Nach einer fast missglückten Testflug-Landung in der Einstiegssequenz bezweifelt die Fliegerlegende Chuck Yeager die Tauglichkeit des jungen Piloten – ein guter Ingenieur sei er, aber für den Flug zu unkonzentriert –, was Armstrong widerspruchslos hinnimmt. Nicht Abenteuerlust oder patriotische Gefühle treiben ihn an; es sind vielmehr seine analytischen Fähigkeiten und das Wissen um das gebotene Vorgehen auch in schwierigen Situationen, die ihn zum Astronauten und letztlich zum ersten Menschen auf dem Mond werden lassen.
Ryan Gosling spielt diese Ikone der Raumfahrt mit einem beeindruckenden Mut zur mimischen Zurückhaltung. Neil Armstrong galt in der Öffentlichkeit wie unter seinen Kollegen als introvertierter Mensch, der seine Emotionen nach außen verbarg, und Gosling macht sich die Aura des Verschlossenen kongenial zu eigen. Kommt es tatsächlich einmal zu einem Ausbruch, entsteht dadurch ein umso größerer Effekt. Ein erstes Mal geschieht dies schon früh im Film, als sich Armstrong nach der Beerdigung seiner an einem Hirntumor gestorbenen Tochter Karen zurückzieht und allein an seinem Schreibtisch in unkontrolliertes Schluchzen ausbricht. Auch danach sind es vor allem Schicksalsschläge, die heftigere Reaktionen bei Armstrong provozieren. Denn nicht nur die Meilensteine der US-Raumfahrt in den 1960er-Jahren geben dem Film seine Struktur, sondern gleichermaßen die damit verbundenen Rückschläge und Tragödien wie die Brandkatastrophe mit drei Toten in einer Testrakete am 27. Januar 1967.
Furiose Spannungssequenzen und akribische Genauigkeit
Der 33-jährige Damien Chazelle, der sich schon bei „Whiplash“ und „La La Land“ als formaler Virtuose von außerordentlicher Reife und Vielseitigkeit präsentierte, beweist mit seinem dritten Spielfilm endgültig seine Ausnahmestellung: So legt er maßgebliche Situationen des Weltraumprogramms immer wieder als furiose Spannungssequenzen an, etwa das erste geglückte Andockmanöver zwischen zwei Kapseln im All im März 1966 und insbesondere die Mondlandung 1969 als logischen Kulminationspunkt des Films. Chazelle und Drehbuchautor Josh Singer, der auch Co-Autor der vergleichbar detailgenauen Dramen „Spotlight“ und „Die Verlegerin“ war und hier die Armstrong-Biografie des Geschichtsprofessors James R. Hansen adaptiert hat, sind aber andere Aspekte mindestens ebenso wichtig: die akribische Schilderung der technischen Überlegungen, der Politik der NASA und des gesellschaftlichen Klimas. Die Verklärung der „Mission Mond“ zur amerikanischen Heldentat enttarnt sich dabei als nachträgliche Deutung; tatsächlich waren die Raumflüge in den 1960ern unter der amerikanischen Bevölkerung äußerst umstritten, nicht zuletzt wegen der aus Steuern finanzierten Kosten.
Im Kleinen spiegelt „Aufbruch zum Mond“ diese Frustration in Neil Armstrongs Ehefrau Janet. Als sie in einer Krisensituation einmal erbost das Raumfahrt-Kontrollzentrum aufsucht, sagt sie den NASA-Oberen auf den Kopf zu, überhaupt nichts unter Kontrolle zu haben. Die Schweigsamkeit ihres Mannes beobachtet sie mit wachsendem Ärger, bis sie ihn schließlich in einer intensiven Wutszene zu einer Reaktion zwingt – ein kluger Bruch mit dem Klischee der duldenden Ehefrau. Dieses konnte der Film zuvor bei aller Akkuratesse nicht durchweg vermeiden, wie sich auch sonst mitunter doch erprobte Gestaltungsmittel finden, wenn es um die emotionale Begründung für Armstrongs Hartnäckigkeit geht oder der Mond wiederholt ins Bild rückt, wie um die Motivation der Astronauten anzustacheln.
Faszination für komplexe Abläufe
Doch diese gelegentlichen Erinnerungen an Kino-Routine sind schnell vergessen, wenn der Film anhebt, seine Faszination für die komplexen Abläufe, die hinter geschichtlichen Großtaten stehen, an die Zuschauer weiterzugeben. Bei der sorgfältigen Ausbreitung der ineinandergreifenden Prozesse technischer wie mentaler Art bleiben ruhigere Erzählphasen nicht aus. „Aufbruch zum Mond“ erfordert deshalb sicher mehr Konzentration und Aufmerksamkeit als die Aneinanderreihung bravouröser Manöver wie bei „Apollo 13“ oder die kurzweilig arrangierte Formelhaftigkeit von „Hidden Figures“, hinterlässt dafür aber tieferen Eindruck.
Wenn es schließlich um die wichtigste und schwierigste Mission geht, kann der Film die Außenwelt gelassen ausblenden und ganz die Perspektive der Astronauten einnehmen: Ganz für sich, nur mit der wunderbar melancholischen Musik von Justin Hurwitz als Begleiterin, betreten Neil Armstrong und seine Mitflieger schließlich den Erdtrabanten und tragen die Menschheit einen großen Schritt weiter. Kein Wunder und kein Heldenstreich, sondern das Ergebnis von Intelligenz, Analyse, Überlegung und Reflexion – dass dies exakt die Eigenschaften sind, die bei der aktuellen US-Regierung überhaupt nicht hochangesehen sind, macht „Aufbruch zum Mond“ neben allem anderen auch zu einem subtilen politischen Kommentar.