Schmerzhaften Erfahrungen ist oftmals mit Humor am besten beizukommen. Dieser Devise folgt auch die Regisseurin Ineke Houtman in ihrer „Coming-of-Age“-Komödie „Allein unter Schwestern“. Die niederländische Filmemacherin hat sich schon mit dem Drama „Der Indianer“ (fd 40 713) als einfühlsame Beobachterin kindlicher Befindlichkeiten erwiesen. In ihrem neuen Film „Allein unter Schwestern“ steht der zwölfjährige Halbwaise Kos im Mittelpunkt. Der aufgeweckte, fußballbegeisterte Junge hat gleich mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen. Er leidet unter der Abwesenheit seiner toten Mutter, weshalb er unter dem Pantoffel seiner drei Schwestern steht. Überdies bringt er es nicht fertig, der hübschen Isabel seine Liebe zu gestehen. Als auch noch sein kettenrauchender Vater zur Notoperation in die Klinik eingeliefert wird und ihr familieneigenes, aber hochverschuldetes Hotel vor dem Ruin gerettet werden muss, bleibt Kos nichts anderes übrig, als sich mit seinen Schwestern zusammenzuraufen.
Houtman und ihr langjähriger Drehbuchautor Sjoerd Kuyper verstehen es, den unterschiedlichen Charakteren Skurrilität, Originalität und viel Leben einzuhauchen. Da gibt es die besonnen-mütterliche Libbie, die gegen alles rebellierende Punkerin Briek und das chaotisch-liebenswerte Küken Pel als Kos’ Schwestern sowie den aus den 1960er-Jahren übriggebliebenen Hippie-Koch Walput sowie den poetisch veranlagten Stammgast Felix. Die Inszenierung findet überdies die Balance zwischen mal slapstickartiger, mal dialogisch feiner Komik und der Tragik, wenn sich der Vater einer lebensbedrohlichen Operation unterziehen muss oder ein fieser Gläubiger sein Geld eintreiben will. Zudem wählte Houtman einen eher beschaulichen Erzählstil; die Kamera ruht lange auf den Figuren, schwenkt gelegentlich über die holländische Küstenlandschaft und fängt Kinobilder von seltener Kraft und Schönheit ein, untermalt von einem Score, der sich aus kontemplativen Gitarrenklängen speist.
Im letzten Drittel des zu Herzen gehenden Familienporträts gerät Kos zunehmend in den Fokus. In Vertretung seiner verletzten Schwester schlüpft er sogar in Frauenkleider, um den Hauptpreis beim Miss-Beach-Wettbewerb gewinnen und damit die Schulden seines Vaters begleichen zu können. Dabei lernt Kos eine Menge über sich und das andere Geschlecht. Denn auch die weiblichen Familienmitglieder erscheinen für ihn danach in einem anderen, deutlich freundlicheren Licht.
Es gibt Kleinigkeiten, die man dem Film vorhalten kann: Das etwas zu dick aufgetragene Happy End, bei dem wirklich jeder Topf seinen sprichwörtlichen Deckel bekommt, inklusive eines Probetrainings für Kos bei Ajax Amsterdam. Der unnötige Cameo-Auftritt von „Let’s Dance“-Juror Jorge González als Jury-Vorsitzender des Miss-Beach-Contests. Oder die irreführende deutsche Untertitelung des Films, der einen albernen Abenteuerspaß der seichteren Art suggeriert. In Wirklichkeit verbirgt sich hinter „Allein unter Schwestern“ ein klassischer Initiationsfilm, in dem die Sorgen und Nöte der jungen Protagonisten ernst genommen werden. Diese melancholischen Momente werden immer wieder durch absurd-verrückte Einschübe unterbrochen, was dem Ganzen die Schwere nimmt und dem Publikum Gelegenheit zum mal lauthals Lachen, mal wohligen Schmunzeln gibt.