In einem israelischen Krankenhaus nahe Gaza lebt ein vierjähriger palästinensischer Junge, dem Arme und Beine amputiert wurden. Unterstützt wird er von einem Großvater, der sich aufopfernd um ihn kümmert. Der Dokumentarfilm folgt dem Alltag der beiden zwischen den Fronten des Nahostkonflikts. Der warmherzige, oft aus der Sicht des Jungen geschilderte Film besitzt einen klaren Blick fürs Wesentliche, auch wenn er die tragischen Absurditäten ihrer Situation nicht aus den Augen verliert. Ohne politisch wohlfeile Statements plädiert er für Humanität und ein friedliches Zusammenleben. Seine positive Grundstimmung erwächst aus der sprühenden Energie des Kindes und dessen ansteckendem Lachen.
- Ab 12.
Muhi - Generally Temporary
Dokumentarfilm | Deutschland/Israel 2017 | 90 Minuten
Regie: Rina Castelnuovo-Hollander
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Filmdaten
- Originaltitel
- MUHI - GENERALLY TEMPORARY
- Produktionsland
- Deutschland/Israel
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Celluloid Fabrik/Medalia Prod.
- Regie
- Rina Castelnuovo-Hollander · Tamir Elterman
- Buch
- Rina Castelnuovo-Hollander · Tamir Elterman
- Kamera
- Rina Castelnuovo-Hollander · Tamir Elterman · Oded Kirma · Avner Shahaf
- Musik
- Ran Bagno
- Schnitt
- Joel Alexis
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- 14.06.2018
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Warmherziger Dokumentarfilm über einen vierjährigen palästinensischen Jungen, der in einem israelischen Krankenhaus lebt. Ohne politisch wohlfeile Statements plädiert der Film für Humanität und ein friedliches Zusammenleben.
Diskussion
Der Palästinenser Abu Naim lebt mit seinem Enkel Muhi in einer Klinik in Tel Aviv. Muhi leidet an einer seltenen Krankheit. Um sein Leben zu retten, mussten die Ärzte ihm Hände und Füße amputieren. Inzwischen ist Muhi vier Jahre alt und managt seinen Alltag ziemlich souverän. Er kann alleine essen und kennt sich im Krankenhaus aus, wo ihn jeder kennt und mag. Als er Prothesen bekommt, beginnt ein neuer Lebensabschnitt; bald kann er stolz und ohne Hilfe seines Großvaters durch die Flure rennen.
Doch der Alltag der beiden wird von den Absurditäten gestört, die sich aus ihrer merkwürdigen Lebenssituation ergeben. Abu Naim besitzt nur deshalb ein temporäres Visum für Israel, weil er über 50 Jahre alt ist. Würde er nach Gaza zurückreisen, würde er dort von der Hamas festgesetzt; dort gilt er als Verräter am palästinensischen Volk. In Israel ist Abu Naim ständig von der Ausweisung bedroht; der Junge dagegen hat sogar eine Arbeitserlaubnis. Immer wieder sind die beiden deshalb auf die Hilfe des Israelis Buma Inbar angewiesen, der ein Spezialist gegen den Amtsschimmel ist, und der wiehert mächtig auf beiden Seiten der schwer bewachten Grenze. Mit Bumas Unterstützung leistet Abu Naim fast Unmenschliches, um Muhi ein normales Leben zu ermöglichen.
Die israelischen Dokumentaristen Rina Castelnuovo-Hollander und Tamir Elterman haben sich für ihr Regiedebüt eine anspruchsvolle Aufgabe gewählt. Vermutlich wäre eine Geschichte über Buma Inbar wesentlich leichter gewesen. Muhis Unterstützer ist eine Art Mini-NGO, eine Ein-Personen-Hilfsorganisation. Er setzt sich für kranke Kinder aus palästinensischen Gebieten ein, die er zur Behandlung nach Israel bringt. Eine Heldenfigur, eine Art Superman, der Gutes tut und nicht locker lässt, auch wenn es schier unüberwindliche Probleme gibt. Mit Muhi und seinem Großvater konzentrieren sich die Filmemacher jedoch auf die Betroffenen und entscheiden sich damit für ein deutliches Bekenntnis zum Humanismus, was vielleicht auch als diskreter Appell zu verstehen ist: Ein friedliches Zusammenleben ist machbar, wenn man sich auf das besinnt, was wirklich zählt.
„Muhi“ ist ein warmherziger Film, der jede Form von Kategorisierung oder Schubladendenken vermeidet. Es gibt weder Gut noch Böse, nur die Menschen und ihren Wunsch nach Frieden und Normalität. Die Hoffnung auf bessere Zeiten wird dabei durch zwei Persönlichkeiten verkörpert, deren Zukunft kaum unsicherer sein könnte. Der Film begleitet Muhi und Abu Naim mit klarem Blick aufs Wesentliche, ruhig, zurückhaltend und mit sensiblen Gespür für die tragischen Umstände. Es gibt keine Interviews oder erklärende Texte, lediglich einige Inserts dienen der besseren Orientierung. Die Kamera bewegt sich meist auf Augenhöhe von Muhi, sobald er im Bild ist. Das Krankenhaus wirkt auf diese Weise größer, als es vermutlich ist, und niemals beängstigend. So wie Muhi sein Umfeld wahrnimmt, stellt es sich auch für den Betrachter dar. Obwohl die Situation eigentlich absurd bis bedrückend ist, stellt sich für Muhi die Klinik als seine Heimat und das Leben mit dem Großvater als Normalität dar. Außerhalb der Klinik liegt die Wirklichkeit: die schwer bewachte Grenze zum Gazastreifen, zerstörte Häuser und immer wieder Raketenalarm auf beiden Seiten.
In Muhis Welt aber gibt es keinen Krieg und keine Raketenangriffe. Abu Naim versucht, alles von dem Jungen fernzuhalten, was ihm zusätzliche Probleme bereiten könnte. Der kleine Junge weiß nichts vom Konflikt zwischen Juden und Palästinensern, er spricht Hebräisch und Arabisch, er lernt von seinem Opa beten, wedelt mit einer israelischen Fahne und liefert überraschende Bekenntnisse: „Ich bin kein Araber“, sagt er. Und als Abu Naim fragt: „Was bist du denn?“, sagt der Kleine: „Ich bin Russe.“ Wenn Abu Naim über Politik spricht, dann mit Gästen aus Gaza, was jedoch selten der Fall ist. Die Oma kommt zu Besuch, was mit einem Picknick auf dem obersten Parkdeck der Klinik gefeiert wird. Manchmal darf Muhis Mutter einreisen. Zu seinem fünften Geburtstag sitzt sie unter Tränen lächelnd dabei, während sich Muhi von den anderen Kindern und vom Klinikpersonal feiern lässt. Jeder Geburtstag ist wie ein kleiner Sieg, jedes Jahr bringt Fortschritte.
Abu Naim rappelt sich trotz aller Schicksalsschläge und Anfeindungen immer wieder auf und bleibt bei seinem Enkel, der ihn so sehr braucht. Er macht dem Jungen Mut, wenn er traurig oder schlecht gelaunt ist, und er schöpft selbst Kraft aus der Energie des Kindes. Meistens ist Muhi gut gestimmt, ein kleiner Optimist mit einem ansteckenden Lachen. Immer deutlicher wird: Der alte Mann und der Junge sind ein gutes Team. Eine der schönsten Szenen des Films zeigt Abu Naim auf einer riesigen Bohnermaschine, neben ihm Muhi in seinem kleinen Rollstuhl. Beide fahren gemütlich durch die Gänge der Klinik, in der sie noch immer leben.
Abu Naim hat inzwischen einen Job als Reinigungskraft im Krankenhaus, und Muhi ist 8 Jahre alt; er geht allein zur Schule und möchte jetzt Muhammad genannt werden. Das Leben geht weiter, die Hoffnung bleibt.
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