Ursprünglich soll er von George Lucas als grünes Alien mit Kiemen, dann als bärtiger Weltraum-Pirat konzipiert gewesen sein. Dass es dann doch Harrison Ford mit lässiger Westerner-Attitüde wurde, der 1977 in „Krieg der Sterne“ den Schmuggler Han Solo verkörperte, bescherte dem „Star Wars“-Franchise eine seiner beliebtesten Figuren. Während das naive Landei Luke Skywalker, das zum Jedi-Ritter heranreift, als Identifikationsfigur fürs jugendliche Publikum diente, war Han mit seiner Steve-McQueen-mäßigen Coolness der Typ zum Anschmachten – für weibliche wie männliche Zuschauer. Ein „Wanted Man“ in mehrfacher Hinsicht: Wenn man ihn in „Krieg der Sterne“ zum ersten Mal zu sehen bekommt, steckt er bereits mittendrin in wilden Abenteuern und hält sich mit einem reaktionsschnellen Schuss einen Kopfgeldjäger vom Leib, der im Auftrag des kriminellen Riesenweichtiers Jabba the Hutt hinter ihm her ist. Wie ist es zu diesen Verwicklungen gekommen? Wie hat Han eigentlich seinen Sidekick Chewbacca kennengelernt? Und was genau hat es mit jenem legendären Kessel-Flug auf sich, den Han mit dem Millenniumfalken in weniger als 12 Parsec geschafft haben will?
Nachdem im literarischen „Star Wars“-Universum über den Hintergrund der Figur schon lange diverse Geschichten zirkulieren (z.B. in Brian Daleys „Han Solo Adventures“-Büchern und in Ann C. Crispins „Han Solo Trilogy“), liefert „Solo: A Star Wars Story“ nun eine Version von Hans Leben vor „Krieg der Sterne“, die sich zusammen mit „Rogue One“ zur Prequel-Saga formt und nicht nur Han näher beleuchtet, sondern auch das Erzähluniversum rund ums Erstarken des Imperiums und die Formation der Rebellion weiter ausbaut. Der Film entwirft eine politisch marode Welt, in der Gangster-Syndikate in das Machtvakuum der gestrauchelten Allianz vorgestoßen sind, während zugleich das Imperium seine Truppen beständig verstärkt und seinen Einflussbereich ausbaut. Han, der als „street rat“ und abhängiger Handlanger für solch ein Syndikat auf dem Planeten Corellia groß geworden ist, verfolgt von Anfang an ein Ziel: frei zu werden, sich loszustrampeln aus den verfilzten, brutalen Strukturen und mit einem eigenen Raumschiff in die Weiten des Alls abzuheben. Doch das gestaltet sich äußerst schwierig.
Nach einem chaotisch verlaufenden Versuch, zusammen mit seiner Jugendliebe dem Einfluss einer fiesen Syndikats-Chefin zu entkommen, sucht er sein Heil zunächst darin, sich für die imperialen Truppen zu melden und so Corellia zu verlassen. Das geht freilich nicht lange gut. Bald macht Han wieder im Auftrag eines Syndikats-Chefs dessen kriminelle Drecksarbeit und versucht bei einem brandgefährlichen Coup, wertvollen Hyperantrieb-Treibstoff zu erbeuten, zusammen mit einigen Verbündeten, zu denen bald auch Chewbacca und Lando Calrissian (hinreißend nonchalant: Donald Glover) gehören. Immer unter der Drohung, bei Nicht-Erfüllung der Aufgaben vom Syndikat abgemurkst zu werden.
Die heikle Aufgabe, in die Fußstapfen von Harrison Ford zu treten, haben die Macher dem 1989 geborenen Kalifornier Alden Ehrenreich anvertraut, den man zum Beispiel aus „Beautiful Creatures“ (2013) und „Hail, Caesar!“ (2016) kennt. Was erstaunlich gut funktioniert, wenn man sich denn nicht generell dagegen sperrt, von der engen Verbindung zwischen der Rolle und Harrison Fords Star-Persona abzusehen. Ehrenreich spielt Fords Rolleninterpretation nicht einfach nach, sondern verkörpert einen noch jünger wirkenden, weniger abgebrühten, verletzlicheren Han als den, den man in „Krieg der Sterne“ zu sehen bekommt: Zwar hat die Figur auch hier schon einiges hinter sich, aber trotzdem noch jede Menge jugendlichen Überschwang bewahrt. Der schlägt sich etwa in der Romanze mit seiner Jugendfreundin Qi’ra (Emilia Clarke) nieder, die die Action um den Hyperantrieb-Treibstoff ebenso emotional untermauert wie das spannungsreiche Verhältnis zu einer herrlich zwielichtigen Mentor-Figur (Woody Harrelson) und die sich entspinnende Freundschaft zu Chewbacca, die, sehr stilvoll, in einem gemeinsamen Gefängnisausbruch wurzelt.
Die Entstehung von „Solo“ war einigermaßen turbulent. Nachdem das Regie-Gespann Phil Lord und Christopher Miller zwischendurch wegen „künstlerischer Differenzen“ mit den Produzenten das Handtuch warf, geht der Regie-Credit nun an Routinier Ron Howard. Dem fertigen Film sieht man diesen Kurswechsel allerdings nicht an; er wirkt aus einem Guss. Das verdankt sich wohl nicht zuletzt auch einer soliden Drehbuch-Basis von "Star Wars"-Veteran Lawrence Kasdan, der diverse der seit den späten 1970ern kursierenden Solo-Mythen zu einer zwar nicht umwerfend originellen, aber tragfähigen Geschichte verbunden hat.
Wie die neuen „Star Wars“-Teile 7 („Das Erwachen der Macht“) und 8 („Die letzten Jedi“) navigiert auch „Solo“ souverän zwischen nostalgischem Rückbezug auf die älteren Filme und der Lust an neuen, frischen Figuren – wozu neben dem windigen Haudegen, den Harrelson verkörpert, u.a. auch eine großartige neue Droiden-Dame gehört, die sich als eine Art „Inhuman-Rights-Aktivistin“ für die Rechte ihrer Roboter-Artgenossen ins Zeug legt.
Und einmal mehr vergisst auch „Solo“ neben spektakulären, souverän inszenierten Actionszenen (zum Beispiel einem irrwitzigen Zug-Überfall) den epischen Atem nicht und füllt seine Filmbilder sozusagen bis über die Ränder mit wunderlichem, vielgestaltigem Leben, das einem einmal mehr schier die Augen übergehen. Eine würdige Bühne für eine Heldenfigur, der der tragische Tod in „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ (2015) nichts mehr anhaben konnte: Han Solo ist längst unsterblich.