Drama | USA 2017 | 483 (Staffel 1: acht Episoden) Minuten

Regie: James Franco

In den 1970er-Jahren hat die Gegend um den New Yorker Times Square herum ihren Glanz als Unterhaltungsviertel eingebüßt; Drogen und Prostitution prägen die umliegenden Straßen. Die Serie beleuchtet den Werdegang von Figuren, die sich dort durchschlagen und in der erstarkenden Pornofilm-Industrie ein Auskommen suchen. Die HBO-Serie von „The Wire“-Schöpfer David Simon besticht als differenzierte Milieustudie mit glaubwürdigen Figurenzeichnungen, einer kaleidoskopartigen Dramaturgie und brillanten Dialogen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE DEUCE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Blown Deadline Productions
Regie
James Franco · Michelle MacLaren · Uta Briesewitz · Roxann Dawson · Ernest R. Dickerson
Buch
David Simon · George Pelecanos · Richard Price · Megan Abbott · Marc Henry Johnson
Kamera
Vanja Cernjul · Pepe Avila del Pino
Schnitt
Alex Hall · Kate Sanford · Matthew Booras
Darsteller
James Franco (Frankie Martino/Vincent Martino) · Maggie Gyllenhaal (Candy) · Gbenga Akinnagbe (Larry Brown) · Gary Carr (C.C.) · Dominique Fishback (Darlene)
Länge
483 (Staffel 1: acht Episoden) Minuten
Kinostart
-
Fsk
Staffel 1: ab 12 (Episode 4)
ab 16 (alle anderen Episoden)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Serie

Heimkino

Verleih DVD
Warner (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Warner (16:9, 1.78:1, DD5.1 dts-HDMA engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Als die großen Zeiten der Broadway-Theater in den 1950er Jahren zu Ende gingen, büßte die Gegend der 42. Straße und des Times Square in New York ihren Glanz ein. Alsbald gab man ihr den Spitznamen „the deuce“ – der teuflische Ort. Die einstige Pracht verwandelte sich in eine Schmuddelecke, wo Drogen und Prostitution nur noch kriminelle Energie zu befördern schienen. Doch aus der Agonie der Unterhaltungskultur für die betuchte Gesellschaft erhoben sich – wie so oft – neue (Sub)-Kulturen: die Grindhouse Theater der 42. Straße, die Midnight Movies im Elgin Theatre und letztlich der pornographische Film. In ihrer Serie „The Deuce“ erzählen David Simon und der Schriftsteller George Pelecanos, deren Zusammenarbeit bereits so bedeutende Serienwerke wie „The Wire“ und „Treme“ prägte, vor allem vom System der Prostitution und wie das älteste Gewerbe der Welt zur aufkommenden Pornofilmindustrie beitrug. Im narrativen Zentrum stehen allerdings Vincent Martino (James Franco), ein Barkeeper, der sich mit der Bar Hi-Hat eine Existenz aufzubauen versucht, und Eileen Merrell (Maggie Gyllenhaal), die sich als „Candy“ auf dem Straßenstrich ihr Geld verdient. Beide versuchen, sich in dieser Welt des kulturellen Wandels neu zu erfinden. Das fällt Vincent vor allem wegen seines Zwillingsbruders Frankie schwer. Hier kommt die zweite Bedeutung des Titels ins Spiel, denn „deuce“ bedeutet beim Glücksspiel die Zwei, und Frankie ist spielsüchtig, weswegen Vincent dem drollig bösen Zwilling immer wieder finanziell auf die Beine helfen muss, bevor die Mafia strengere Maßnahmen bei der Eintreibung der Schulden ergreift. Eileen ist die einzige, die ohne Zuhälter arbeitet. Damit kommt sie ganz gut über die Runden, sie ist hochprofessionell, aber sie will mehr aus ihrem Leben machen, nicht zuletzt weil sie ein Kind hat. Sie erkennt ihre Chance, als sie zum ersten Mal bei einem pornographischen Dreh dabei ist. Die Faszination des Mediums Film erfasst sie, und der Regisseur, mit dem sie zusammenarbeitet, staunt nicht schlecht, wenn sie die Kamera, die sonst einfach nur drauf hält, zum erzählerischen Mittel erklärt. In den 1970er Jahren bildete sich nicht nur der moderne pornographische Film heraus. Das New-Hollywood-Kino krempelte die amerikanische Filmindustrie und -ästhetik um. New York und der Times Square spielten als Handlungsorte dabei eine wesentliche Rolle. In „Midnight Cowboy“ spielte Jon Voight 1969 einen jungen Mann, der mit großen Hoffnungen nach New York kommt und auf dem Times Square zum Stricher wird. Eine ähnliche Figur gibt es auch in „The Deuce“, Lori, die aus Minnesota kommt und sofort für den Zuhälter C.C. anschaffen geht. Das New Hollywood-Kino kümmert die Figuren in „The Deuce“ nicht. Ihr Leben wird von anderen Dingen geprägt. Und dennoch hat David Simon in seinen Figurenzeichnungen, in der kaleidoskopartigen Dramaturgie der dramatischen Offenheit, den brillanten Dialogen und einer Ästhetik der dokumentaristischen Fiktionalität dem New Hollywood-Kino seine Referenz erwiesen. Zur Abrundung des Ganzen tragen nicht zuletzt die darstellerischen Leistungen bei. Simon hat eine großartige Schauspielerriege versammelt, darunter einige, die noch aus „The Wire“ in Erinnerung sind. James Francos Vincent und Frankie und Maggie Gyllenhaals Eileen bilden auch schauspielerisch das Zentrum. Selten hat ein Schauspieler so unterhaltsam mit sich selbst gestritten wie James Franco als Bruderpaar, und selten wurde das Leben einer Prostituierten so komplex zwischen Selbstverlust und Selbstermächtigung zur Darstellung gebracht wie von Maggie Gyllenhaal. Um die beiden herum ziehen weitere Größen der Schauspielkunst ihre Bahnen: Chris Bauer als Schwager von Vincent und Frankie, Lawrence Gilliard junior als einfühlsamer Streifenpolizist, Gbenga Akinnagbe als zunehmend zweifelnder Zuhälter, Dominique Fishback als die verletzbare Prostituierte oder Margarita Levieva als Abigail „Abby“ Parker, die der versifften „Deuce“ den Vorzug vor dem cleanen reichen Zuhause ihrer Eltern gibt. Abby ist fast eine metaphorische Figur, für eine neue junge Generation stehend, die sich den heruntergekommenen Broadway der Reichen und Schönen aneignet, um eine neue Subkultur daraus zu gestalten.
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