Aufbruch ins Ungewisse

Drama | Deutschland/Südafrika 2017 | 88 Minuten

Regie: Kai Wessel

Science-Fiction-Drama über ein Europa in einer nicht allzu fernen Zukunft, in dem aus den Demokratien totalitär-faschistoide Staaten geworden sind, die jeden Widerstand brutal unterdrücken. Als ein Anwalt ins Visier des Regimes gerät, entschließt er sich mit seiner Familie zur Flucht nach Afrika. Auf dem beschwerlichen Weg kommt eines der Kinder ums Leben; die anderen erfahren alle Schrecken eines rechtlosen Daseins. Die etwas einfach konzipierte Umkehrung der Perspektive von Flüchtlingen kann sich nicht ganz von der Last ihrer Konstruktion befreien, fängt jedoch eindrucksvoll die Stadien völliger Desorientierung und abgründiger Angst ein. In den Hauptrollen verstörend intensiv gespielt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Südafrika
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Hager Moss Film/Two Oceans Prod.
Regie
Kai Wessel
Buch
Eva Zahn · Volker A. Zahn · Gabriela Zerhau
Kamera
Nicolay Gutscher
Musik
Manu Kurz
Schnitt
Tina Freitag
Darsteller
Fabian Busch (Jan Schneider) · Maria Simon (Sarah Schneider) · Athena Strates (Nora Schneider) · Ben Gertz (Nick Schneider) · Anton Figl (Stefan)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Science-Fiction-Drama um ein Flüchtlingsszenario der Zukunft, in dem ein deutsches Ehepaar als Asylsuchende in Afrika die Schrecken eines rechtlosen Daseins erlebt.

Diskussion
Im Fernsehen berichtet ein Nachrichtensprecher von erfolgreichen „Säuberungsaktionen“, bei denen deutsche Journalisten, die sich im Keller unter ihrem Verlagsgebäude versteckt hatten, festgenommen wurden; in einem weiteren Bericht begrüßt der fiktive deutsche Bundeskanzler Meyer, dass nun endlich auch Schweden als letztes europäisches Land seine Grenzen dichtgemacht und sich auf seine „nationalen Wurzeln“ besonnen habe. Sarah (Maria Simon) folgt den Ereignissen auf dem Screen in ihrer gutbürgerlichen Wohnung besorgt, aber noch ohne zu wissen, dass kurz darauf ihre eigene Existenz in die Mühlen der Politik gerät. Kai Wessels Science-Fiction-Drama erzählt von einer Familie in einem Deutschland der nicht allzu fernen Zukunft, in der in ganz Europa aus demokratischen Staaten faschistoide totalitäre Regime geworden sind, die jeden Widerstand brutal unterdrücken, indem sie Andersdenkende verschwinden lassen. Zu diesen Andersdenkenden gehört der Anwalt Jan (Fabian Busch), Sarahs Ehemann, und als er später am Abend mit einer Kopfwunde nach Hause kommt, bleibt kaum noch Zeit für Vorbereitungen: Jan ist ins Visier des Regimes geraten, seine Verhaftung steht unmittelbar bevor. Und nach einer kurzen Diskussion darüber, ob Jan erst allein nach Südafrika fliehen und seine Frau und die beiden Kinder später nachholen soll, oder ob gleich alle gemeinsam ins Ungewisse aufbrechen, packt die Familie schnell das Notdürftigste zusammen. Eine Sequenz später treibt sie bereits in einem überfüllten Schlauchboot vor der Küste Namibias und landet nach einer dramatischen Rettungsaktion der namibischen Küstenwache in einem Flüchtlingslager – allerdings ohne den kleinen Sohn, der in den Fluten verloren gegangen ist. Es ist also ein Szenario, das den Spieß umdreht: Was Jan und Sarah erleiden – die Flucht aus Deutschland ist erst der Beginn davon – ist genau das, was derzeit zahllose Flüchtlinge überall auf der Welt durchmachen. Stellt sich natürlich die Frage, warum es die Macher für nötig befunden haben, anstatt einer in der gegenwärtigen Realität wurzelnden Geschichte ein SciFi-Szenario zu verfilmen, in der es nun blonde, deutsch sprechende Kinder und weißhäutige Eltern sind, die völlig verstört und körperlich am Ende in einem fremden Land stranden, um dort auf die zweifelhafte Hilfsbereitschaft von den dortigen Behörden und von Schlepperbanden angewiesen zu sein. Ist dem deutschen TV-Publikum nur dann zuzutrauen, Empathie für eine Fluchtgeschichte zu entwickeln, wenn es sozusagen welche der ihren erwischt und keine Syrer oder Afghanen? Kai Wessels Drama leidet damit durchaus an einer gewissen Sinnkrise, zumal wenn sich durch diese Konstellation einige Szenen in das Skript stehlen, die ungewollt fremdenfeindliche Klischees bedienen (wie zum Beispiel das des lüsternen Schwarzen, der weiße Frauen sexuell bedroht). Nichtsdestotrotz gelingt dem Film über weite Strecken das, was das Ziel sein dürfte: Distanzloses Mitgefühl zu erzeugen für das Grauen einer Fluchtsituation jenseits von irgendwelchen Statistiken. Drehbuch und Inszenierung schaffen es eindrucksvoll, die völlige Desorientierung und die damit einhergehende Angst einzufangen, die es für das Ehepaar bedeutet, als Flüchtlinge in einer ihnen völlig unbekannten Welt zu landen, wobei der Film nicht nur die „äußeren“ Herausforderungen dieser Situation darstellt, sondern vor allem auch ergründet, was diese Situation mit Jan und Sarah und ihrer Tochter als Familie und Menschen macht. Sowohl Fabian Busch als auch Maria Simon laufen dabei zu dramatischer Höchstform auf, was den Film allein schon sehenswert macht.
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