Was richtet einen schon etwas angegrauten Herrn wieder auf, wenn er an sich selbst zu zweifeln beginnt? Oder beruflich in eine missliche Situation geraten ist? Zumeist begegnet ein solcher Zeitgenosse in Film wie Literatur dann einer schönen jungen Frau, die ihn wieder aufrichtet. Im Falle einer älteren Frau ist eine solche Lösung eher selten. Wie bewältigt also eine 58-jährige Ärztin die Krise, dass ihr beim Abendessen ganz beiläufig die langjährige Ehe aufgekündigt wird? Wobei sie der Gatte, entgegen dem Klischee, für eine gleichaltrige Konkurrentin verlässt.
Die Medizinerin besinnt sich auf einen Traum aus ihrer Kindheit, der als Rückblende immer wieder auftaucht. Darin imaginiert sie sich als Eiskunstläuferin, die sich im Licht einer applaudierenden Zuschauermenge sonnt. Wenig später drängt sich die Ärztin in eine Gruppe von Hobby-Eisläufern hinein.
Die Filmemacherin Alexandra Sell rückt in ihrem versöhnlichen Sportfilm die späte Emanzipation der Protagonistin in den Mittelpunkt, verknüpft sie aber mit einem zweiten Entwicklungsstrang über die junge Leistungssportlerin Jolina. Darüber erfährt man nicht nur Details über den Eiskunstlauf, sondern auch vom Weiterleben gesellschaftlicher Gepflogenheiten aus der ehemaligen DDR.
Die Hauptfigur Annebärbel Buschhaus ist seelisch verkümmert. Ihrer Arbeit geht sie mit wenig Leidenschaft nach. Sie ist weder eine glückliche Karrierefrau, noch kann sie im eigenen Mutterglück schwelgen. Mit Überraschungen oder einem Wunder rechnet sie schon lange nicht mehr. Wie sollte sie auch Engagement und Kampfgeist entwickeln? Von ihrer besserwisserischen Mutter wird sie bevormundet, während der Schwiegersohn angehimmelt wird. Auch in ihrer Praxis interessiert sie sich kaum für die psychischen Auslöser der Leiden, sondern verschreibt den Patienten lieber Medikamente statt Psychotherapie. Die Härte, die sie von der Mutter erfährt, gibt sie weiter.
Jolinas Reifungsprozess geht Hand in Hand mit der Entwicklung der Ärztin. Als die Ältere in der Eiskunsthalle mit dem Training beginnt, freundet sie sich mit dem Mädchen an, das davon träumt, einmal Olympiasiegerin zu werden.
Die Filmemacherin erzählt die Emanzipation ihrer weiblichen Figuren trotz klassischer Wendepunkte als wenig dramatische Angelegenheit. Um die persönlichen Krisen wird wenig Aufhebens gemacht; es gibt keine langen oder lauten Auseinandersetzungen. Nur einmal, als der gemeinsame Weihnachtsabend platzt, hyperventiliert die Ärztin und muss in eine Tüte atmen. Ansonsten bleibt sie zumeist ruhig und kontrolliert und richtet den Blick auf das neue Ziel. Komik entsteht daraus, dass in den Loriot-artigen Dialogen mit Ehemann und Mutter ihre Erwartungen nicht erfüllt werden, während die Gespräche mit Jolina zumeist gelingen.
Durch den Sport entdeckt die Ärztin neue, bislang brachliegende Facetten ihrer Persönlichkeit; sie reift als Charakter und als soziale Person. Das Eislaufen dient ihrer Selbstversicherung. Denn es setzt innere Konzentration und Körperbeherrschung voraus, um in einem schönen Kostüm anmutig und elegant übers Eis zu gleiten und kunstvolle Figuren im Takt der Musik in die Luft zu zeichnen. Der Sport bleibt Hobby und dient nicht wie in „Die Frau, die sich traut“
(fd 42 084) als Wiedergewinnung aufgegebener Leistungssportträume. So trainiert sie nicht wie eine Besessene; die Choreografie ihres ersten Auftritts ist weder glanzvoll oder atemberaubend spektakulär.
In der jungen Leistungssportlerin Jolina thematisiert der Film zugleich die Schattenseiten des Profisports, wenn sie die Trainerin nach einem misslungenen Sprung niedermacht. In seiner Kritik bleibt der Film durchaus milde und bebildert stattdessen, dass gerade auch weniger hochfliegende Pläne glücklich machen oder wie man im Geist eines nostalgischen „Wettstreits im Frieden“ Hobby- und Profisportler, junge und alte Menschen auf der Eisfläche vereint.