Drama | Deutschland/Italien 2017 | 90 Minuten

Regie: Jan Zabeil

Ein tatkräftiger junger Mann verbringt mit seiner Geliebten und deren Sohn aus einer vorherigen Beziehung Urlaub in den Tiroler Bergen. Sein Verhältnis zu dem Jungen ist ambivalent, da das Kind ihn zwar mag und bewundert, aber auch an seinem leiblichen Vater hängt. Eine gemeinsame Wanderung bei den „Drei Zinnen“ wird zur gefährlichen Zerreißprobe für die fragile Ersatzvater-Sohn-Beziehung. Spannungsvolles Drama, in dem das eindrucksvolle Bergpanorama neben den menschlichen Protagonisten eine zentrale Rolle spielt und nicht nur zur existenziellen Herausforderung, sondern auch zum Spiegel des komplizierten Familiengeflechts wird. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Italien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Rohfilm Prod./Echo Film/SWR
Regie
Jan Zabeil
Buch
Jan Zabeil
Kamera
Axel Schneppat
Schnitt
Florian Miosge
Darsteller
Alexander Fehling (Aaron) · Bérénice Bejo (Lea) · Arian Montgomery (Tristan)
Länge
90 Minuten
Kinostart
21.12.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Drama um eine polygotte Patchwork-Familie vor Bergkulisse

Diskussion

Ein Mann und ein Junge, unterwegs in den Dolomiten. Der Erwachsene will dem Kind seinen „liebsten Berg“, die Drei Zinnen, zeigen, der imposant in den Himmel ragt. „Das sind drei Berge“, findet der achtjährige Tristan und erklärt sie zu „Mama, Papa, Kind“. Eine Bilderbuchfamilie, wie sie sich viele vorstellen, voller Freude miteinander verbunden, unerschütterlich wie ein Fels. Doch im Verborgenen klaffen Abgründe, die Regisseur Jan Zabeil in seinem zweiten Spielfilm auslotet.

Aaron, Lea und Tristan verkörpern auf den ersten Blick das perfekte Familienglück. Zusammen planschen sie in einem Pool am sommerlichen See. Aaron bringt dem Kind das Schwimmen bei. Sie machen Urlaub in Südtirol, der auf einer Almhütte gekrönt werden soll, bevor die drei vielleicht zusammen nach Paris ziehen, in Leas Heimat. Aaron geht mit festem Schritt voraus, trägt Taschen und Kind, weiß mit einer Motorsäge umzugehen, kocht und entlockt einer Orgel zarte Klänge, während Lea an einer wissenschaftlichen Arbeit schreibt.

Alexander Fehling, der in Zabeils Erstling „Der Fluss war einst ein Mensch“ (fd 41 289) eindringlich Leib und Seele des Films war, spielt diesmal einen Kerl des 21. Jahrhunderts, tatkräftig und männlich, mit rötlichem Vollbart und allerlei Gefühlen. Er möchte dem Jungen ein Vater sein, aber das ist eine Rolle, die ihm die von Bérénice Bejo gespielte Mutter nicht zugestehen mag. Sie befürchtet, dass dies Tristan verwirren könnte, denn sein leiblicher Vater ist George, den Lea vor zwei Jahren verlassen hat, als sie sich in Aaron verliebte. Seitdem lebt Tristan mal bei dem Paar, mal bei seinem Vater, der auch in den Tiroler Bergen immerzu präsent ist, da er seinen Sohn mehrmals am Tag anruft. So bleibt Aaron trotz vollem Engagement und Verständnis oft nur die Rolle eines Zaungasts, der beim Abwaschen durchs Fenster Lea und ihr Kind beobachtet oder Tristan beim Telefonieren mit seinem Vater belauscht.

Eine Familie ohne Konflikte gibt es nur in der Werbung. Umso spannender ist es zu sehen, wie die Inszenierung anfangs das familiäre Ideal mit genauem Blick dekonstruiert. Aarons Sehnsüchte treten zutage, und nach und nach offenbaren sich Eifersüchteleien, Machtansprüche und Loyalitätskonflikte. Lea hat als Mutter andere Befugnisse als Aaron, dessen Bemühen um Tristan sie zwar anerkennt, zugleich aber auch begrenzt. Und der kleine Junge ist hin- und hergerissen zwischen der Zuneigung zu Aaron und der Liebe zu seinem Vater. Darf er Aaron überhaupt mögen? Ist der nicht der Grund, warum seine Eltern nicht mehr zusammen sind? Nach innigen Momenten mit Aaron muss das Kind das beiderseitige Einvernehmen deshalb wieder sabotieren, durch eine fiese Bemerkung oder eine kleine Gemeinheit; bald glaubt man, es mit einem kleinen Monster zu tun zu haben.

Die Kamera klebt in Großaufnahmen an den Figuren, zeigt sie vereinzelt und verdeutlicht das Einengende innerhalb der polyglotten Patchwork-Familie, die eine gemeinsame Sprache erst finden muss. Die weite Natur spielt wie schon in „Der Fluss war einst ein Mensch“ eine zentrale Rolle und wird für die Menschen zur existenziellen Herausforderung wie zum Spiegel des komplizierten Beziehungsgeflechts. „Drei Zinnen“ ist ein Film voller Symbole und Doppelungen.

Die drei Gipfel des titelgebenden Bergs stehen überdeutlich für die Protagonisten. Die Anfangsszene im Schwimmbad findet in einem eisigen Bergsee eine Entsprechung, in dem der sonst so standfeste Aaron jeden Halt verlieren wird. Dass Aaron und Tristan bei einer Bergwanderung im Nebel getrennt werden, entspricht den widerstreitenden Gefühlen, die den Blick der drei auf die jeweils anderen verschleiern.

Wenn sich „Drei Zinnen“ schließlich zum archaischen Überlebensdrama wandelt, hat sich der Film längst im Psychogramm seiner Figuren verloren, die nur noch um sich selbst kreisen. Das Ergebnis ist Stillstand.

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