Augsburger Puppenkiste: Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel

Kinderfilm | Deutschland 2017 | 64 Minuten

Regie: Julian Köberer

Der letzte echte Weihnachtsmann stürzt mit seinem fliegenden Bauwagen auf die Erde, wobei ihm sein Rentier abhandenkommt. Das aber braucht er, um ins Weihnachtsland zurückzukehren, wo ein Widersacher das Fest der Liebe auf Rentabilität und puren Konsum trimmen will. Adaption des Kinderbuchs von Cornelia Funke durch die Augsburger Puppenkiste, die das legendäre Marionettentheater mit den Mitteln des Kinos belebt. Die Inszenierung setzt behutsam auf die filmischen Gestaltungsmittel, um den Charme des abgefilmten Theaters nicht zu gefährden; dabei erschließt das gemächliche Tempo die konsumkritische Botschaft auch für Kinder im Vor- und Grundschulalter. - Sehenswert ab 6.
Zur Filmkritik Im Kino sehen

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
KiKo
Regie
Julian Köberer
Buch
Martin Stefaniak
Kamera
Lukas Steinbach
Musik
Martin Stefaniak
Schnitt
Sarah Birnbaum
Länge
64 Minuten
Kinostart
30.11.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 6.
Genre
Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Ein Märchen von Cornelia Funke, interpretiert vom Augsburger Marionettentheater

Diskussion
Was passiert, wenn man einem Weihnachtsmann die Stiefel auszieht? Er verwandelt sich in Schokolade. Für die Kinder auf der Erde bedeutet dies das Ende des Weihnachtsfestes. Denn im Weihnachtsland regiert der schreckliche Waldemar Wichteltod, der den traditionellen Ablauf vom Wunschzettel bis zur Geschenkauslieferung zu industrialisieren, zu ökonomisieren und zu kapitalisieren droht. Anstelle der teils immateriellen Kinderwünsche sollen nur noch hochpreisige Geschenkideen der Eltern bearbeitet und die Rentiere durch Motorschlitten ersetzt werden. Allen Weihnachtsmännern, die sich diesen Änderungen widersetzen, nimmt Wichteltods Nussknacker-Armee die Stiefel weg. Mit „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ erzählt die Augsburger Puppenkiste Cornelia Funkes gleichnamige Geschichte des letzten echten Weihnachtsmannes Niklas Julebukk nach. Auf der Flucht vor Waldemar Wichteltod gerät er mitsamt seinem fliegenden Bauwagen in ein Gewitter und stürzt auf die Erde hinab. Das Rentier ist ihm dabei abhandengekommen. Mit seinen Gefährten, zwei Wichteln und einem Weihnachtsengel, sitzt er nun fest. Da klopft der junge Ben, in dessen Straße der Bauwagen gelandet ist, neugierig an die Tür. Julebukk und er freunden sich an und starten gemeinsam eine abenteuerliche Weihnachtsrettungsaktion. Die Erweiterung der legendären Marionettentheaterbühne um den Raum Kino begeht die neueste Produktion der Puppenkiste in altbewährter Manier. Wie in den unzähligen Adaptionen zuvor, mit denen die Augsburger Puppenkiste seit der Erstausstrahlung von „Peter und der Wolf“ 1953 im WDR das deutsche Kinderfernsehen prägte, bleibt auch das Kino vor allem ein Transportmedium. Nie vergisst das Publikum, wo es sich befindet. In „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ führen zudem Vor- und Abspann von der Straße ins Theater hinein und wieder hinaus. Nach jeder Szene schließt sich der Vorhang und ein Gegenschuss auf die applaudierenden Zuschauer unterstreicht den Eindruck des abgefilmten Theaters. Obwohl aus technischen Gründen im weitläufigen Studio und nicht auf der engen Originalbühne gedreht, setzen Theaterleiter Klaus Marschall und sein Team filmische Gestaltungsmittel nur sparsam ein. Unterschiedliche Einstellungsgrößen dynamisieren dennoch behutsam das Geschehen auf der Leinwand und machen sich die Vorzüge des Kinos zu Nutze. So machen etwa Nahaufnahmen Details sichtbar, die von den hinteren Rängen im Theater nur schwer zu erkennen sind. Der handgearbeitete Charme der Marionetten, Requisiten und Kulissen entfaltet auf diese Weise eine ähnliche Sogwirkung wie die Theateraufführung im Saal. Erhalten bleibt auch die Langsamkeit der Narration, die bewusst einen Kontrapunkt zu den meist rasant erzählten und schnell geschnittenen Film- und Fernsehproduktionen für Kinder setzt. Anders als emotionale Überwältigungsszenarien breitet die Weihnachtsgeschichte um Niklas Julebukk ihre konsumkritische Botschaft in einem äußerst gemächlichen Tempo aus, um der Zielgruppe im Vor- und Grundschulalter gerecht zu werden. Die Puppenkisten-Inszenierung des Kinderbuches steht schon aus diesem Grund in keinerlei Konkurrenz zur action- und spezialeffektreichen Adaption desselben Stoffes als Spielfilm von Oliver Diekmann aus dem Jahr 2011. Vielmehr setzt die Augsburger Puppenkiste nach dem Ende der Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das die Marionettenproduktionen als unzeitgemäß absetzte, aufs Kino als Plattform. Auf diesem Weg will sie über die Augsburger Grenzen hinaus weiterhin Kinder mit ihrem besonderen Zauber erreichen. Mit der „Weihnachtsgeschichte“ (fd 44 326) und „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ startet die Puppenkiste eine neue Tradition. Jedes Jahr im Dezember gibt es an den vier Adventssonntagen bundesweit ein neues Stück auf großer Leinwand zu sehen. Nach dem Fernsehen ist es jetzt am Kino, das Erbe des Marionettentheaters mittels aktueller Produktionen an die nächsten Generationen weiterzutragen. So wie Niklas Julebukk nicht als erstarrte Schokoladenfigur endet, bleiben auf diese Weise vielleicht auch andere Puppenkisten-Figuren von Jim Knopf über das Urmel bis hin zum Sams lebendig.
Kommentar verfassen

Kommentieren