Die Geburt Jesu steht bei der Augsburger Puppenkiste ganz im Zeichen des Esels. Dessen Sternzeichen verwirrt die drei Weisen aus dem Morgenland mehr als der funkelnde Schweif über Bethlehem. Die Vorschulkinder im Saal des schwäbischen Marionettentheaters aber sind dankbar für die kleine Variation der bekannten Geschichte, weil sie in dem Esel Noel eine leicht zugängliche Figur finden, die sie mit ins Geschehen nimmt.
Das zottelige Huftier ist ab dem zweiten Akt stets präsent, wenn der Zimmermann Josef in Nazareth auf dem Dach des Hauses hämmert, das er nach der Heirat mit Maria beziehen will. Der aufrechte Handwerker muss vom Erzengel Gabriel auch nicht lange bekniet werden, die mysteriöse Schwangerschaft seiner Verlobten zu akzeptieren. Dafür macht er den Mund auf, als die Besatzungsmacht eine Volkszählung anordnet, auch wenn das handfesten Ärger nach sich zieht. Doch selbst in brenzligen Situationen ist auf den treuen Esel Verlass, der es den Römern heimzahlt und anschließend die Hochschwangere geduldig durchs staubige Land trägt. Nur bei der Herbergssuche scheitert er an seinem Eigensinn, weshalb die Notgeburt dann doch in dem überlieferten Schafsstall passiert, wie es die Hirten Lukas und Matthäus aller Welt kundtun und wo schlussendlich auch Gold, Weihrauch und Myrrhe vom Kamel geladen werden.
Dass das langbeinige Wüstentier von „Allah“ plappert und einen Anflug des Lessing’schen Religionsfriedens ins malerische Geschehen trägt, entspringt allerdings eher folkloristischen Gründen. Auch über andere „Anspielungen“ sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen, etwa über die Dialekte der Astrologen; dass Melchior im süddeutschen Idiom solide Behaglichkeit ausstrahlt, während Balthasar wie aus einem galizischen Schtetl klingt und der dunkelhäutige Kaspar angeblich ungarisch tönt, verbucht man am besten als kuriosen Versuch, die Figuren akustisch zu profilieren. Die große Stärke der Inszenierung liegt denn auch in den wunderbaren Stimmen; der sonore Bass des Gabriel verleiht dem Erzengel mehr himmlisches Gewicht als aller Staub, den seine Flügel bei der Landung aufwirbeln; und der beherzte Ton macht Maria mehr zu einer emanzipierten Frau als die freudige Unbekümmertheit angesichts ihrer anderen Umstände.
Die filmische Adaption des Marionettenstücks will nicht mehr als ein Ersatz für den Besuch vor Ort sein. Deshalb gleitet die Kamera anfangs auch mit einem Schwenk durch die Augsburger Spitalgasse ins Domizil der Puppenkiste, wo man vom schwäbelnden Kasperl in Empfang genommen und mit vielen Kindern in die Vorstellung geleitet wird, die während der sechs Akte auch immer wieder zu sehen sind. Die Guckkastenperspektive wird kaum variiert; der Wechsel der Einstellungsgrößen und der gelegentliche Einsatz einer Steadycam-Kamera bringen etwas Bewegung ins Spiel, ohne das Theatersetting grundsätzlich aufheben zu wollen. Die Langfassung des Filmtitels als „Die Weihnachtsgeschichte in einer Inszenierung der Augsburger Puppenkiste“ bringt die Dramaturgie auf den Punkt: ein anrührendes Weihnachtsstück für Drei- bis Vierjährige und alle jene, die sich ein kindliches Staunen fürs sanfte Gewackel der Marionetten bewahrt haben.