Am Anfang steht ein bisschen Wahnsinn. Der Buchhalter Duval hat im Laufe einer Nacht, befeuert von erheblichem Whiskeykonsum, alle Aktenordner seines Großraumbüros gesichtet, ihren Inhalt neu sortiert und sie in einer langen, exakt ausgerichteten Reihe auf den Boden gestellt. Wie Domino-Steine stehen sie da, bestimmt hundert Stück, eine Meisterleistung in Ordnung und Ästhetik. Leider hat der Rest des Büros diese Aktion nicht intakt überstanden, genau so wenig wie Duvals Verstand. Man trifft ihn dann zwei Jahre später wieder; er hat Alkohol und Burnout hinter sich gebracht und legt jetzt hauptsächlich Puzzles auf dem Küchentisch. Die Suche nach einem neuen Job scheitert an seinem Alter, womöglich auch an seiner weltabgewandten Art.
Unter dubiosen Umständen bekommt Duval doch wieder eine Stelle. Eine Sicherheitsfirma heuert ihn an, um Tonaufnahmen abzuschreiben. Die sind auf Kassetten gespeichert. Duval muss sie mit einer Schreibmaschine auf Papier transkribieren, in einem Büro in einer heruntergekommenen Wohnung, in der er ganz alleine sitzt. Seine Arbeit wirkt, als hätte es keine Jahrtausendwende gegeben, und so ähnlich wird sie von seinem neuen Chef Clément auch erklärt: Nur auf diese Weise bleiben Informationen heutzutage geheim.
Was Duval hört, sind illegale Mitschnitte von Telefongesprächen. Er schreibt sie auf, ohne sich über den Inhalt zu wundern. Hier wird bereits klar, dass Überwachung nicht zuletzt deshalb funktioniert, weil jeder sich zum Komplizen macht, der genug Gleichgültigkeit aufbringt. Duval ist perfekt für seinen Job, denn der einzige Mensch, mit dem er redet, ist Sara, eine junge Frau aus den Treffen der Anonymen Alkoholiker. Die Gegenwart Frankreichs hingegen interessiert ihn nicht. Ein neuer Präsident soll gewählt werden. Terroristen halten französische Geiseln in Mauretanien fest. Ihr Unterhändler wird in Paris erschossen. Nichts davon dringt zu ihm durch, obwohl auf den Kassetten genau die Leute abgehört werden, die in all das verwickelt sind.
Als Duval dann doch aufwacht, ist es zu spät. Da steht schon ein Geheimagent vor seinem Schreibtisch, der ihn zu einem Einbruch in eine Kanzlei zwingt. Das geht natürlich schief, es gibt einen Toten, aber der Agent empfiehlt Duval den Mund zu halten und bringt ihn nach Hause. Dort brechen rund um Duval Turbulenzen aus. Er wird bedroht, verhaftet, soll für die eine Seite spionieren, gleichzeitig für die andere. Endlich beginnt Duval, sich nicht mehr jedem unterzuordnen, der ihn für seine Zwecke benutzen will, sondern selbst zu denken, dann auch zu handeln. Bis in seine eigene Küche müssen die Ereignisse an ihn heranrücken, bevor er seinen Job versteht: Alle wissen alles über alle – auch über ihn. Die Reichweite der Überwachung wird für Duval deutlich, und sie ist nahezu umfassend.
Regisseur Thomas Kruithof inszeniert den Thriller sehr beiläufig, er lässt viel im Hintergrund oder auf der Tonebene passieren. Wenn man als Zuschauer nicht aufmerksam genug bleibt, läuft man Gefahr, wichtige Momente zu versäumen. Vielleicht folgt man gerade der Affäre, die sich überraschend zwischen Duval und Sara anbahnt. Vielleicht verliert man sich in den Unschärfen der grünen und ockerfarbenen Bilder, die Kameramann Alex Lamarque mit so viel Tristesse ausstattet, als hätten all die öffentlichen Videoaufzeichnungen die Farben aus der Welt gesogen. Dann kann es gut sein, dass man zwischendurch die Stelle von Duval einnimmt: Ein wenig hilflos, leicht verwirrt, nicht ganz überzeugt vom Ausmaß der Bedrohung.
Im Original heißt der Film „La mécanique de l’ombre“. Duval werden die Augen mit Gewalt geöffnet, damit er diese Mechanismen erkennt und unterläuft. Auf diese Weise sorgt die Inszenierung dafür, dass am Ende doch etwas Licht in die dunkle Geschichte kommt. Das ist der Fiktion geschuldet – nicht aber die Vision vom korrupten, gewissenlosen, zunehmend machtgierigen Überwachungsstaat, die „Operation Duval“ so klug demonstriert.