Auf den ersten Blick sieht Patti nicht aus, als ob sie rappen könnte. Denn sie ist weiß. Und sie ist dick. Grund genug für die schwarzen Machos der Hip-Hop-Szene in New Jersey, sich ständig über sie lustig zu machen. Und da sie mit Nachnamen Dombrowski heißt, wird sie von allen nur „Dumbo“ gerufen. Doch Patti ist verdammt gut. Wäre da bloß nicht dieses verdammte Lampenfieber, wenn sie einmal vor Publikum singt.
Während sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, träumt sie von einem Plattenvertrag. Unterstützung findet sie bei ihrem quirlig-optimistischen Kumpel Jhen, der im Hintergrund die Strippen zieht. Außerdem gibt es noch Basterd, einen schwarzen Punk-Metal-Künstler, der in einem Versteck im Wald lebt, aber das Equipment für eine Demo-CD hat. Ein scheuer, zutiefst verletzter Junge, dessen provisorisches Studio wie das Labor eines verrückten Wissenschaftlers aussieht. Was jetzt noch fehlt, ist Geld. Das könnte Pattis körperlich behinderte, kettenrauchende Großmutter beisteuern.
Patti hat aber noch ein anderes Problem: ihre trinkfreudige Mutter Barb. Barb war früher eine vielversprechende Rock-Sängerin, die den Durchbruch hätte schaffen können, wenn sie nicht mit Patti schwanger gewesen wäre. Voller Selbstmitleid beklagt sie ihr Schicksal. Und neidet der Tochter den sich ankündigenden Erfolg. Regisseur Geremy Jasper ist selbst Musiker; er drehte Musikvideos für Selena Gomez, Florence + The Machine und Goldfrapp. „Patti Cakes – Queen of Rap“ ist sein Debüt als Autor und Regisseur. Jasper kennt damit die Szene genau und weiß, was es bedeutet, sich als junger Mensch im Musikgeschäft abzustrampeln und hochkämpfen zu wollen. Sein Film erzählt eine ähnliche Geschichte wie „Purple Rain“
(fd 24 990) von Prince oder „8 Mile“
(fd 35 754), in dem sich Eminem als Weißer in einer schwarzen Domäne behaupten musste. Hier wie dort geht es um benachteiligte weiße Kinder der Unterschicht, die im Rap ein Ventil finden, ihren Frustrationen Luft zu machen.
Interessant ist dabei, dass sie mit ihren Erfahrungen gar nicht so weit von schwarzen Jugendlichen entfernt sind; die Benachteiligung von Arbeiterkindern in den US-amerikanischen Großstädten ist nicht an die Hautfarbe gebunden. Aus „Purple Rain“ und „8 Mile“ stammen auch Versatzstücke wie die Konflikte mit enttäuschten Müttern, verärgerten Chefs oder engstirnigen Plattenbossen. Jasper zitiert oder, wie es im Fachjargon heißt, „sampelt“ ältere Filme, so wie Rapper ältere Schallplatten sampeln. Nicht immer glückt das. Insbesondere die Figur von Basterd zeichnet das stereotype Bild eines gequälten musikalischen Genies, das in seiner mythischen Überhöhung sehr an Prince erinnert.
Die Stärken des Films liegen auf anderen Gebieten, etwa in der genauen Beobachtung der Stadt New Jersey und ihrer Atmosphäre, der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse im Nordwesten der USA und der Menschen, die durch sie geprägt werden. Wenn sich schwarze, weiße und puertoricanische Jugendliche an der Straßenecke Rap-Duelle liefern oder in hausgemachten Studios „jammen“, erfährt man als Zuschauer viel über Arbeitslosigkeit, häusliche Gewalt, Sexismus oder Diskriminierung.
In diesen Szenen überzeugt „Patti Cakes“ mehr als in seinen dramatischen Zuspitzungen. Ein großes Plus ist auch die Verkörperung der Titelfigur durch die australische Schauspielerin Danielle Macdonald. Schlagfertig und selbstbewusst schreit sie anzügliche und freche, mitunter auch aggressive Texte heraus und findet trotz ihres Körperumfangs die richtigen Moves dazu. Sie ist, im doppelten Wortsinn, eine Wucht.