„RomCom“ nennen die Amerikaner eine spezifische Art von romantischen Komödien, als deren Meister sie Regisseure wie Ernst Lubitsch, Frank Capra und Preston Sturges betrachten. Die Zeit der klassischen RomComs ist längst vorbei, nur einige wenige Filme wie „Harry und Sally“
(fd 27 891) und „Der Stadtneurotiker“
(fd 20 385) haben sie noch einmal aufleben lassen. Danach aber galt das Genre als tot. Lautstarken Versuchen, es von Zeit zu Zeit wieder aufzuwecken, wurden von der Kritik die Ehre verweigert, den mit Bewunderung genannten Namen in die Gegenwart fortzutragen. Bis eines Tages Judd Apatow mit Filmen wie „Jungfrau (40), männlich, sucht…“
(fd 37 246), „Beim ersten Mal“
(fd 38 275) und „Dating Queen“
(fd 43 241) kam und das Genre auf nicht gerade zimperliche Art für unsere Zeit neu belebte. Aus Apatows Komödienwerkstatt stammt auch „The Big Sick“, den amerikanische Kritiker unisono als eine Wiedergeburt dieser „endangered species“ feierten.
Das Grundschema der Handlung bringt nichts Neues: Junger Mann verliebt sich in junges Mädchen; die Eltern widersetzen sich der Verbindung; das Mädchen wird sterbenskrank; junger Mann überwindet alle Hindernisse. Doch selten war in jüngster Zeit eine amerikanische Kinokomödie so durchlässig für die gesellschaftlichen Befindlichkeiten unserer Tage wie „The Big Sick“. Die Eltern des jungen Helden sind aus Pakistan in die USA eingewandert und halten an den Riten und Konventionen ihrer Herkunft mit unverbrüchlicher Hartnäckigkeit fest. Kumail Nanjiani, der unwiderstehliche Liebhaber, kämpft nicht nur mit seiner Identität, sondern auch mit seiner Zukunft in einem multikulturellen Land, dessen Barrieren ihm tagtäglich im Wege stehen. Er überwindet sie auf liebenswerte Art mit seinem Hobby als Stand-Up-Komödiant in kleinen Bars und Nachtclubs und verdient sich ein knappes Auskommen als Gelegenheitsfahrer für Uber. Dass sich Kumail ausgerechnet in Emily, eine angehende amerikanische Psychotherapeutin, verliebt, macht ihm sein Leben schöner, aber nicht leichter. Seine Eltern geben sich jede Mühe, ihn in eine arrangierte Heirat nach muslimischer Tradition zu lotsen. Zahllose Fotos von der Mutter ausgewählter Kandidatinnen häufen sich schon in einer Schachtel, während er Emily den Eltern beharrlich verschweigt.
Ziemlich genau zur Halbzeit der Geschichte erkrankt Emily an einer Lungeninfektion und wird von ihren Ärzten in ein künstlich induziertes Koma befördert. Was den Film aber ganz und gar nicht in ein Koma versetzt, im Gegenteil. Der plötzliche Stimmungsumschwung dient dazu, nun auch Emilys Elternpaar in die Handlung einzuführen: typische Amerikaner mit typischen Eheproblemen, die das Stakkato der Komik in eine andere Richtung befördern. Kann Komik angesichts des drohenden Todes noch komisch sein? Man mag sich an „Ich und Earl und das Mädchen“
(fd 43 478) erinnern, und auch „The Big Sick“ beweist, dass die Kombination von Humor und Ernsthaftigkeit durchaus noch möglich ist. Bis in die Nähe des Slapsticks reicht die Palette der Einfälle und vor allem der präzis getimten Dialoge, ohne auch nur für Augenblicke aus der Balance zwischen den Komplikationen des Lebens und den idealistischen Erfindungen der romantischen Komödie zu geraten. Weder der unerwartete Ernst des Daseins noch die an Screwball-Vorbilder erinnernde Munterkeit der doppelten Familienstory wirken unorganisch oder aufgesetzt.
Das wird verständlicher, wenn man weiß, dass die Emily des Films in Wirklichkeit die Autorin Emily V. Gordon ist, verheiratet mit Kumail Nanjiani, und dass die beiden hier viel von ihrer eigenen Geschichte niedergeschrieben haben. Es ist diese Mixtur aus eigener Lebenserfahrung und stilsicherer Karikatur menschlicher Schwächen und gesellschaftlicher Voreingenommenheiten, die dem Film einen Platz in der Spitzengruppe zeitgenössischer US-amerikanischer Komödien sichert.