Packender Dokumentarfilm über das Leben und Sterben der US-amerikanischen Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die nach einem von politischen und rassistischen Vorurteilen geprägten Prozess 1927 wegen Raubmords hingerichtet wurden. Er illustriert die Geschichte der beiden italienischen Einwanderer und rekonstruiert über Interviews mit Historikern, Archivmaterial und Text-Dokumente die fragwürdigen Umstände ihrer Verurteilung. Dabei schlägt er den Bogen zum allgemeinen Umgang der USA mit unliebsamen Einstellungen und kommt zu einem pessimistischen Urteil. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Sacco und Vanzetti (2006)
Dokumentarfilm | USA 2006 | 81 Minuten
Regie: Peter Miller
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Filmdaten
- Originaltitel
- SACCO AND VANZETTI
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Willow Pond Films
- Regie
- Peter Miller
- Kamera
- Stephen McCarthy
- Musik
- John T. LaBarbera
- Schnitt
- Amy Carey Linton
- Länge
- 81 Minuten
- Kinostart
- 24.08.2017
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
Packender Dokumentarfilm über das Leben und Sterben der US-amerikanischen Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti
Diskussion
Peter Millers Dokumentarfilm erzählt vom Leben und Sterben der italienischen Einwanderer Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti. Wie unzählige andere auch hatten sie auf der Suche nach einem besseren Leben jenseits des Ozeans, ihr Heimatland verlassen. Sie kamen in ein Land der extremen sozialen Gegensätze, der Ausbeutung und der Diskriminierung. Sacco schrieb an seine Familie: „Die Menschen leben nicht in Amerika, sie leben unter Amerika.“ Beide schlossen sich der anarchistischen Bewegung an, die sich besonders gegen den repressiven Staatsapparat wendete. Als die USA 1916 in den Ersten Weltkrieg eintrat, entzogen sie sich der Wehrpflicht durch die Flucht nach Mexiko. 1920 wurden beide in Massachusetts wegen Raubmordes verhaftet. Nach einem aufsehenerregenden Strafprozess wurden sie schuldig gesprochen. Trotz der weltweiten Proteste wurden sie 1927 auf dem elektrischen Stuhl getötet. Der Prozess um Sacco und Vanzetti wurde zum Symbol für die Heuchelei der USA im Umgang mit Einwanderern und den ärmeren Schichten der Bevölkerung. Erst 1977 erkannte der Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, die Unrechtmäßigkeit von Todesurteil und Hinrichtung an und rehabilitierte die beiden.
Bereits 1971 hatte der italienische Regisseur Giuliano Montaldo die Geschichte von Sacco und Vanzetti als bewegendes Drama um einen Justizmord an zwei politisch unliebsamen Einwanderern als Spielfilm („Sacco und Vanzetti“, (fd 17 764)) inszeniert. Weltweit bekannt wurde der Film durch die Musik von Ennio Morricone, besonders die „Ballad of Sacco and Vanzetti“ gesungen von der US-amerikanischen Protestsängerin Joan Baez. Montaldo ist nicht nur einer der Interviewpartner in Millers Dokumentarfilm, Ausschnitte aus dem Spielfilm illustrieren auch die Geschichte der beiden Anarchisten. Weitere Interviewpartner sind u.a. die mittlerweile verstorbenen Historiker Howard Zinn, Fachmann für Bürgerrechts- und Friedensbewegungen, Nunzio Pernicone, der Anarchismus -Forscher, ebenso der Schriftsteller und Radiomoderator Studs Terkel sowie der Liedermacher Arlo Guthrie. Auch Familienangehörige kommen zu Wort, etwa die Tochter des bei dem Raubüberfall ermordeten Lohnbuchhalters Frederick Parmenter, Jeanette Parmenter. Über Interviews, Materialien aus Filmarchiven und zahlreiche Dokumente rekonstruiert Miller einen Mordprozesses voller rassistischer Vorurteile und Klassendünkel mit teils höchst fadenscheinigen Beweismitteln der Anklage und dramatischen Wendungen. Ergreifend auch die Briefe aus dem Gefängnis, die die beiden Angeklagten an ihre Angehörigen schrieben, etwa den letzten, tief optimistischen Brief Saccos an seinen Sohn Dante. In der Originalversion werden die Briefe von den Schauspielern Tony Shalhoub und John Turturro gelesen.
„Sacco und Vanzetti“ erzählt die Geschichte des gescheiterten Amerikanischen Trauma und beleuchtet die Schizophrenie einer Nation, die sich weltweit als erfolgreiches Einwanderungsland feiert, den unterschwelligen und offenen Rassismus aber nicht in den Griff bekommt. So stellt er den Prozess in einen Kontext von entfesseltem US-Patriotismus und gleichzeitig einer Paranoia allen Linksbewegungen gegenüber, die die Oktoberrevolution in der Sowjetunion seinerzeit produzierte. Dabei geht es Peter Miller nicht in erster Linie um ein spannendes und ergreifendes Stück Vergangenheitsbewältigung; immer wieder schlägt er den Bogen vom Justizmord an den beiden italienischen Anarchisten zum bedrückenden Umgang der USA mit ethnischen Gruppen und unliebsamen politischen und religiösen Einstellungen. Eine Gegenwart, die sich seit der Fertigstellung des Films im Jahr 2006 noch weiter verschlechtert hat.
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