Schlechte Zeiten kennt die 17-jährige Nadine (Hailee Steinfeld) zur Genüge: Als Kind war sie, wie eine kompakte Rückschau zeigt, eine Außenseiterin, wurde von Mitschülern gemobbt und zuhause vom großen, perfekten Bruder Darian in den Schatten gestellt. Als sie 14 Jahre alt war, starb ihr geliebter Vater – das ausgleichende Element zwischen dem schwierigen Mädchen, der etwas überspannten Mutter und dem Bruder – an einem Herzinfarkt. Dass Nadine trotzdem irgendwie zu Rande kam, lag an Krista, ihrer einzigen Freundin und Seelenverwandten. Doch ausgerechnet sie wird nun zum Grund dafür, dass Nadine mit 17 einen neuen Tiefpunkt erreicht: Krista verliebt sich in Darian und wird seine Freundin, was Nadine als unverzeihlichen Verrat empfindet und kurzerhand die Freundschaft aufkündigt. Woraufhin sie weitgehend allein dasteht und keine Vertraute mehr hat, mit der sie ihre diversen Pro-bleme besprechen kann, zum Beispiel die Spannungen mit ihrer seit dem Tod ihres Manns latent überforderten Mutter, die unerwiderte Schwärmerei für den coolen Nick oder die sich zögerlich anbahnende Freundschaft zum schüchternen Mitschüler Erwin. Als unfreiwilligen Empfänger für ihre Ergüsse nimmt sie stattdessen kurzerhand in der Mittagspause ihren Geschichtslehrer (Woody Harrelson) in Beschlag, hinter dessen lakonischer, bissiger Art sie jemanden vermutet, der ihren Frust, ihre Verachtung für die meisten ihrer Altersgenossen und ihre uneingestandene Einsamkeit versteht.
Von der Handlung her ist der von Kelly Fremon Craig geschriebene und inszenierte Film eine High-School- und Coming-of-Age-Geschichte, wie es sie zuhauf gibt. Überragend sind allerdings der Tonfall und die Figurenzeichnungen, mit denen „The Edge of Seventeen“ aufwartet. Die Dialoge sprühen nur so vor verschrobener Komik. Vor allem aber treffen sie immer wieder haarscharf das Teenager-Lebensgefühl, mit sich selbst und mit der Welt überkreuz zu sein, indem sie es zum Kommunikationsproblem verdichten. So prallen Nadines wortreiche innere Monologe auf hilflose Sprachlosigkeit gegenüber Altersgenossen auf einer Party bzw. bockige Sprachverweigerung gegenüber ihrer Mutter; hin- und hergeschickte SMS-Nachrichten sagen mal viel zu viel, mal zu wenig.
Hailee Steinfeld legt als faszinierend widersprüchlicher „Inbetween“ zwischen Kindheit und Erwachsensein, Toughness und Unsicherheit, Lebenshunger und Weltverachtung eine atemberaubende Performance hin. Gleichzeitig lassen Buch und Regie genug Raum, um die Nebenfiguren differenziert auszugestalten und sie nicht auf die Stereotypen zu reduzieren, mit denen das Genre so oft operiert. Angesichts dieser ungeheuer lebensecht wirkenden Figuren braucht es gar keine außergewöhnlichen Wendungen mehr, um einen Nadines Misere, ihre diversen Reibungen mit den anderen Charakteren und den allmählichen Reifungsprozess, den sie im Lauf des Films durchmacht, von Herzen mitfühlen zu lassen. So ist der Film ein Genre-Kleinod, das mit einer Selbstmorddrohung beginnt und voller Vertrauen in die Stärke und Entwicklungsfähigkeit seiner Heldin endet.