Wie eine spannende historische Frauengestalt zum Starke-Frauen-Heiligenbildchen verkitscht wird.
In ihrem Biopic über Luthers Ehefrau Katharina von Bora zeigt sich Regisseurin Julia von Heinz unwillig oder unfähig, zwei entscheidende Dimension in deren Biografie auch nur ahnungsweise erfahrbar zu machen: ihr Eingebundensein ins gesellschaftliche Leben Wittenbergs und ihr Verankertsein im christlichen Glauben. Dass zur Frömmigkeitskultur der „Lutherin“, deren Mann immerhin für die Wiederbelebung des reinen Evangeliums kämpfte, Gebet, Andacht, Gottesdienstbesuch und Bibellektüre gehören, übergeht die Regisseurin einfachhin. Die Story folgt mit kitschigen Gefühlsintermezzi dem heute so beliebten Szenario von Frauen, die selbstbewusst die Ärmel hochkrempeln und ihren Weg gehen.
Als Kind wird Katharina ins Kloster gesteckt, dem sie 17 Jahre später entflieht – inspiriert durch Luthers Schriften, die das Klosterleben delegitimieren. In Wittenberg heiratet sie den gerade mit der Agitation gegen die Bauernaufstände beschäftigten Reformator. Sie mistet den Saustall seiner chaotischen Lebensführung aus, ordnet den Haushalt geschäftstüchtig als Pension für Scholaren, weist Luther zartfühlend in die Wonnen körperlicher Liebe ein, entbindet unter Schmerzen Kinder und kämpft dabei gegen Albträume, in denen sie von den Hass-Prophezeiungen ihrer Feinde heimgesucht wird. In späteren Jahren muss sie geduldig ertragen, dass ihr Gatte geistesverwirrt um sich schlägt.
Die Männer? Katharinas Vater: ein jämmerlicher Feigling. Ihr Bruder: Inbild der Herzenskälte. Auf dem Marktplatz in Wittenberg: der geile (Männer-)Pöbel. Luther selbst, zuerst abweisend, wird in der fürsorglichen Schule der Gattin zum innig liebenden Ehemann. Auf diese Weise wird die Gestalt der Katharina von Bora, die in ihrer eigenwilligen Tatkraft, Glaubensstärke und Hingabe eine rühmenswerte Frau war, auf fatale Weise dazu gezwungen, ins Klischee-Szenario heutiger „Starke Frauen“-Konzepte zu passen.