Dokumentarfilm | Deutschland 2016 | 86 Minuten

Regie: Manuela Bastian

Das Porträt einer jungen Taxifahrerin in Dehli, die sich ebenso geduldig wie hartnäckig gegen die Bevormundung der Männerwelt wehrt. Drei Jahre lang beobachtet der atmosphärisch fotografierte Dokumentarfilm ihr Ringen zwischen Scheidung, Berufsausbildung, zweiter Heirat und neuerlicher Trennung und entwirft mit großem Einfühlungsvermögen das Bild einer stolzen Persönlichkeit, die mit viel Mut zur Widerspenstigkeit ihren Weg geht. Der zugleich reportageartige Einblick legt ebenso die gesellschaftlichen Widersprüche zwischen Tradition und Aufbruch, zivilisatorischer Rückständigkeit und neuen Freiräumen offen. - Sehenswert ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Filmakademie Baden-Württemberg
Regie
Manuela Bastian
Buch
Manuela Bastian
Kamera
Jan David Günther
Musik
Milky Chance & Stempf
Schnitt
Maximilian Raible
Länge
86 Minuten
Kinostart
19.01.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
W-film/Lighthouse (16:9, 1.78:1, DD2.0 Hindi)
DVD kaufen

Eine junge Inderin behauptet sich gegen männliche Gängelei. Dokumentarfilm

Diskussion
Wer sich an die Welle von Vergewaltigungen in Indien erinnert, die es angesichts grausamer Details auch in die deutsche Berichterstattung geschafft hatten, kann diesem Dokumentarfilm zu seiner geradlinigen Analyse nur gratulieren. Die Gewalt gegen Frauen kommt zwar nur am Rande in Gesprächen und rar eingestreuten Bildern von Demonstrationen vor, aber der alltägliche Machismo steckt in diesem betörend fotografierten und mit Indie-Musik der deutschen Folktronica-Band „Milky Chance“ stimmig unterlegten Frauenporträt noch in dem nebensächlichsten Detail. Selbst die Benutzung des Vornamens erweist sich als eine Bühne der Unterdrückung. Die junge Devki, die ihren mühsamen Kampf um Gleichberechtigung hellsichtig aus dem Off kommentiert, bringt es auf den Punkt: „Früher war ich die Tochter von Harischandra, meinem Vater. Nach der Hochzeit nannten sie mich Frau von Badri. Heute werde ich nur Aayushs Mutter genannt. Dabei möchte ich einfach nur Devki sein.“ Dass sie mit diesem Wunsch nicht allein ist, macht die Dokumentaristin Manuela Bastian in ihrem ersten Langfilm an einer simplen Beobachtung deutlich. Immer mehr Frauen drängen in der Millionenstadt Dehli in von Männern dominierte Berufe. Etwa den des Taxifahrers. Mit ihrem Lebensentwurf einer Taxifahrerin, die ausschließlich Frauen befördert, bringt Devki zunächst ihren Vater in Rage, der Schläge für eine adäquate Methode hält, wenn die Tochter nicht vor 22 Uhr nach Hause findet. Obwohl der Fliesenleger die Fahrstunden nach unzähligen Diskussionen finanziert, kritisiert er weiterhin ihre Entscheidung. Eine Arbeit in der Stadtverwaltung würde besser zu ihr passen, als sich nachts unter lauter Männern auf den Straßen herumzutreiben, meint er, und ihrem zukünftigen Ehemann auch nicht peinlich sein. Dass die Tochter bereits eine Scheidung von einem gewalttätigen Mann hinter sich hat, einer durch andere vermittelten Beziehung, spielt in der Beurteilung ihrer Situation keine Rolle. An einer Heirat kommt sie ohnehin nicht vorbei. Das Arbeiten als Taxifahrerin schmälere, so ihr Vater, nur ihre Chancen. Immerhin unterstützen die anderen Frauen des Haushalts ihren Traum, der zwischendurch ins Wanken gerät, als sie vor lauter Druck durch die Fahrprüfung fällt. Sie verschweigt dem Vater die Niederlage und schafft es beim zweiten Mal. Damit ist sie aber noch lange nicht am Ziel. Als sie gegen seinen Willen einen Hotelangestellten heiratet, feiert das Paar die Hochzeit bei den Eltern des Bräutigams in den Bergen. Der Kontrast zwischen Moderne und ländlicher Tradition erscheint hier unüberwindbar. Devkis westliche Kleidung aus Jeans und T-Shirt ist unerwünscht. Man bemängelt, dass sie weder Nasenpiercing noch einen Sari trägt. Ihre Arbeit als Taxifahrerin in Delhi sorgt für Belustigung. Ihr in der Stadt progressiv auftretender Gatte ist sich sicher, dass ihr unkonventionelles Verhalten mit der Geburt des gemeinsamen Kindes ein Ende findet. Gegen einen Job als Kosmetikerin hat er nichts einzuwenden. Aber die Taxifahrerin reizt auch seine Geduld. Mit der Mutterschaft verschärft sich Devkis Lage. Abgeschoben zu den Schwiegereltern, obliegt sie fortan dem Willen des Familienpatriarchen, der seine eigene Frau unterdrückt und der Schwiegertochter das Geldverdienen schlicht verbietet. Der Wandel der Geschlechterzuweisungen lässt sich aber dennoch nicht mehr aufhalten. Devki rebelliert und kehrt schließlich nach Delhi zurück, um sich an ihr geliebtes Taxisteuer zu setzen. Den Kampf gegen Bevormundung durch die autoritär ihre Privilegien verteidigenden Männer schildert der Film über drei Jahre hinweg mit großem Einfühlungsvermögen. Die Filmemacherin geizt nicht mit Reportage-Einblicken in eine widersprüchliche Gesellschaft zwischen Tradition und Aufbruch, zivilisatorischer Rückständigkeit und allmählich wachsenden Freiräumen. Devki besucht Selbstverteidigungskurse. Sie ist sich durchaus bewusst, dass sie sich als Taxifahrerin in Gefahr bringt. Das deprimiert sie zwar hin und wieder, schwächt aber nicht ihren Mut zur Widerspenstigkeit. Wenn sie dem überbordenden Verkehr trotzt, zwischen Müllbergen, in der Luft hängenden Elektrokabeln und am Straßenrand irrenden Wildschweinen ihren Weg findet, ist sie ganz bei sich: eine stolze Persönlichkeit, die dieses herausragende, eigentümlich atmosphärische Debüt zu einem veritablen Erlebnis macht.
Kommentar verfassen

Kommentieren