Drama | CSSR 1967 | 165 Minuten

Regie: Frantisek Vlácil

Ein 15-jähriges Mädchen im Hochmittelalter erblickt seine Zukunft in der vollkommenen Ergebenheit zu Gott, wird aber in die Strudel der Zeit gerissen und zur irdischen Liebe bekehrt. Die komplex verästelte Legende einer leidenschaftlichen Liebe, die alle mit ihr in Berührung kommenden Menschen verwandelt, übersetzt die Empfindungen der Figuren in metaphorische Bilder und assoziative Montagen. Das monumentale Epos ist in den Übergang aus einer Ära der ungehemmten Gewalt in die neue Entwicklungsstufe der Humanität eingebunden und erinnert in seiner Symbiose aus Naturalismus und Überhöhung, Wildheit und Poesie, Grausamkeit und Zärtlichkeit an Andrej Tarkowskis fast zeitgleich entstandenes Drama „Andrej Rubljow“ (1966-69). - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MARKETA LAZAROVÁ
Produktionsland
CSSR
Produktionsjahr
1967
Produktionsfirma
Filmové Studio Barrandov
Regie
Frantisek Vlácil
Buch
Frantisek Pavlícek · Frantisek Vlácil
Kamera
Bedrich Batka
Musik
Zdenek Liska
Schnitt
Miroslav Hájek
Darsteller
Josef Kemr (Kozlík) · Magda Vásáryová (Marketa Lazarová) · Nada Hejná (Katerina) · Jaroslav Moucka (Jan) · Frantisek Velecký (Mikolás)
Länge
165 Minuten
Kinostart
01.12.2016
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras der wertig und schön aufgemachten Edition (DVD & BD) enthält u.a. ein 24-seitiges Booklet mit Analysen zum Film, einen Audiokommentar mit Filmwissenschaftler Olaf Möller sowie die Feature "Der schicksalhafte Rausch des Frantisek Vlácil" (52 Min.), "Das Leben Frantisek Vlácils" (15 Min.), "Im Netz der Zeit" (21 Min.) und Interviews mit Filmjournalistin Zdena Skapová (15 Min.), Kunsthistoriker Jan Royt (12 Min.) und Restaurierungsleiter Ivo Marák (9 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2017 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Bildstörung (16:9, 2.35:1, Mono tschech.)
Verleih Blu-ray
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Monumentales Epos auf den Spuren von "Andrej Rubljow"

Diskussion
Fast 50 Jahre nach seiner Uraufführung kommt ein tschechischer Klassiker zum ersten Mal in die deutschen Kinos. Angesichts der erdrückenden Fülle neuer Filme ist das ein außerordentlicher Vorgang, der darauf hindeutet, dass es sich bei „Marketa Lazarová“ um eine bislang übersehene Perle, ein „Missing Link“ der Filmgeschichte handelt. Das monumentale Epos von Frantisek Vlácil (1924–1999), einst als „das anspruchsvollste Opus der tschechoslowakischen Kinematographie“ angekündigt, erweist sich als wesensverwandt mit Andrej Tarkowskis fast zeitgleich entstandenem „Andrej Rubljow“ (1969), mit Andrzej Zulawskis „Der silberne Planet“ (1977/87) oder Aleksey Germans großem Werk „Es ist schwer ein Gott zu sein“ (2013, (fd 43 295)). Alle diese Arbeiten zeichnet eine konsequente Abkehr von herkömmlichen dramaturgischen Strukturen aus, ein scheinbar formales Chaos als Ausdruck zerstörter oder noch nicht geschaffener Regeln und Gesetze. Das Individuum ist auf sich, seine Triebe und Instinkte, zurückgeworfen, sein Dasein aufs nackte Überleben ausgerichtet. Anders als bei den späteren Werken von Zulawski und German leuchten bei Vlácil allerdings Hoffnungszeichen auf: Sein ebenso robustes wie suggestives filmisches Panoramabild aus dem 13. Jahrhundert, über den gotischen Menschen zwischen Erde und Himmel, Gott und Tod, eröffnet die Perspektive auf ein Zeitalter der Läuterung. So wie es ist, beschwört der Film, kann es nicht bleiben; aus der Ära der ungehemmten Gewalt kann der Weg, bei Strafe des allgemeinen Untergangs, nur in eine höhere Entwicklungsstufe, nämlich die der Humanität führen. „Marketa Lazarová“ entstand nach dem gleichnamigen Roman des tschechischen Avantgardeschriftstellers Vladislav Vancura, der während der Okkupation von den deutschen Besatzern hingerichtet worden war. Buch wie Film sind eine Raubrittergeschichte aus dem Mittelalter, die Legende einer leidenschaftlichen Liebe, die alle mit ihr in Berührung kommenden Menschen verwandelt. Die kompliziert verästelte Handlung lässt sich nicht in einer kurzen Nacherzählung bündeln, was auch gar nicht notwendig ist, denn weder Vancura noch Vlácil kommt es auf eine konventionelle, stringente Szenenabfolge an. Wichtiger ist ihnen, die unterbewussten Empfindungen der Figuren in metaphorische Bilder zu übersetzen, und diese Metaphern assoziativ zu montieren. Die im Zentrum stehende Titelheldin, ein 15-jähriges Mädchen, das seine Zukunft zunächst in vollkommener Ergebenheit zu Gott erblickt, seinen Eintritt ins Kloster vorbereitet, dann aber durch eine gewaltsame Entführung in die Strudel der Zeit gerissen und gleichsam zur irdischen Liebe bekehrt wird, symbolisiert die Zuwendung zum Diesseits: ein ganz eigener „Abschied von gestern“. Wichtig ist nicht zuletzt die Gestalt des Mönches Bernhard, die den zweiten Teil des Films wesentlich mitprägt, ein sinnenfroher Zeitgenosse, der aller Brutalität, allem Schmutz um sich herum das Ideal der Lebensfreude entgegensetzt. „Marketa Lazarová“ beleuchtet nicht nur in seinen philosophischen Dimensionen, sondern auch in seiner formalen Aufwändigkeit einen Sonderfall in der tschechischen Kinematographie. Die Dreharbeiten dauerten rund sieben Monate, inszeniert wurde vorwiegend an authentischen Schauplätzen, in verfallenen Festungen und abgelegenen Wäldern, darunter in einem Moorland, das zu betreten nicht ungefährlich war. Die Besetzungsliste zählte rund 40 Hauptrollen und 200 Komparsen, meist in wilden, archaischen Kostümen. Hinzu kamen allegorisch eingesetzte Tierfiguren von Wölfen über Schlangen bis hin zu einem Schaf. Für die Musik nutzte Vlácil sakrale Gesänge. So entstand ein Film, der in seiner Symbiose von Naturalismus und Überhöhung, Wildheit und Poesie, Grausamkeit und Zärtlichkeit seinesgleichen suchte. Vor kurzem wählten ihn Prager Kritiker zum besten tschechischen Film aller Zeiten.
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