Eigentlich braucht niemand einen weiteren Dokumentarfilm über die Beatles. Über John, Paul, George und Ringo und ihre denkwürdigen Songs. Die Regale sind voll mit Biografien, Fotos und Interviews, in denen man quasi jede Sekunde ihres Lebens nachvollziehen kann. Doch nun nimmt sich Ron Howard der legendären Liverpooler Band an. Als versierter Regisseur großer Unterhaltungsfilme von „Apollo 13“
(fd 31 574) bis „Illuminati“
(fd 39 300) erzählt er noch einmal die Geschichte der Beatles von der Findungsphase im Hamburger Star-Club 1962 über die US-amerikanische Initialzündung in der legendären „Ed Sullivan Show“ am 9. Februar 1964 bis zu den avantgardistischen Spät-Alben der 1970er-Jahre. Und zwar so, als hätte noch niemand zuvor versucht, das alles in einem Film festzuhalten; mit den Eckdaten und „Nummer Eins“-Hits (mitunter tabellarisch veranschaulicht in übersichtlichen Schaubildern), dem atemlosen Rumgekreische der Fans und den „coolen“ Kommentaren der Musiker sowie den informativen Einsichten der Wegbegleiter.
Doch hier beginnen schon die Unterschiede zu den anderen Annäherungen. Denn bei Howard mischen sich „Artfremde“ in den Reigen der Experten. So erzählt Whoopi Goldberg, wie sie von ihrer Mutter jene Eintrittskarten zu einem Konzert beschenkt bekam, für das es eigentlich keine Karten mehr gab. Sie berichtet von dem unsagbar aufwühlenden Gefühl, mit dazuzugehören, weil sich die Beatles gegen die Rassentrennung in den USA engagierten. Sigourney Weaver erinnert sich, wie sie als Teenager mitgeschrien hat – und man sieht die junge Frau tatsächlich in der Menge. Spätestens hier fällt auf, wie sorgfältig Howard die Filmaufnahmen ausgewählt hat, wie er Bekanntes mit Unbekanntem wie aus einem Guss kompiliert und damit ebenso eingängig wie leichtfüßig die Geschichte der Beatles nacherzählt, ohne dass einen je das Gefühl beschleichen würde, einem Déjà-vu beizuwohnen. Dafür mischt sich scheinbar Oberflächliches mit Hintergründigem, wenn etwa Elvis Costello über die Beatles als Avantgarde philosophiert.
An der Oberfläche geht es um die Beatles auf Tour während der Jahre 1962 bis 1966, die in dem Open-Air-Konzert im New Yorker Shea Stadion am 15. August 1965 kulminierten. 30 Minuten dieses Konzertes sind in 4K restauriert und werden in den Kinos nach der Vorführung des Dokumentarfilms als Bonusmaterial präsentiert. Im Kern aber handelt der Film vom Lebensgefühl eines Jahrzehnts, das die vier Jungs aus Liverpool entscheidend mitgeprägt haben. Wie bislang kein zweiter vor ihm hat es Ron Howard geschafft, aus dem Overkill an Material dessen Essenz zu extrahieren.