Meine Brüder und Schwestern im Norden

Dokumentarfilm | Deutschland/Nordkorea 2016 | 113 Minuten

Regie: Sung-Hyung Cho

Die in Südkorea geborene Dokumentaristin Sung-Hyung Cho reist nach Nordkorea und porträtiert den Alltag einfacher Menschen. Da die Aufnahmen vom herrschenden System streng reglementiert werden und der Selbstinszenierung des Regimes dienen, versucht der Film erst gar nicht, subversiv Missstände aufzuklären oder ideologische Verbrämungen sichtbar zu machen, konzentriert sich vielmehr mit großer Geduld, Neugier und Empathie auf die Gespräche und Begegnungen, worüber man viel über das Leben in der Diktatur erfährt. Der sanften Annäherung an das abgeschottete Land gelingen so bisweilen überraschend beschwingte Szenen, die ihrerseits allzu ideologische Betrachtungsweisen von Nordkorea aufbrechen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Nordkorea
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Kundschafter Filmprod./Cine-Plus Filmprod./hr/WDR
Regie
Sung-Hyung Cho
Buch
Sung-Hyung Cho
Kamera
Thomas Schneider · Julia Daschner
Schnitt
Fabian Oberhem
Länge
113 Minuten
Kinostart
14.07.2016
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
farbfilm/Lighthouse (16:9, 1.78:1, DD5.1 korea./dt.)
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Sanfte dokumentarische Annäherung an Nordkorea

Diskussion
Schon wieder ein semi-dokumentarischer Ausflug nach Nordkorea? Das Kim-Regime in Pjöngjang nimmt die westliche Neugier auf den Alltag in der Diktatur gelassen und verpflichtet die einreisenden Filmemacher lediglich dazu, gegen Devisen mit einem nordkoreanischen Co-Produzenten zu arbeiten, der sich dann um die gesamte Logistik der Dreharbeiten kümmert. Das bedeutet, dass die Mitwirkenden und die Drehorte allesamt handverlesen sind, wobei sich erst gar keiner die Mühe macht, diese Inszenierungen von Alltag zu camouflieren. Die Dreistigkeit, mit der die Dreharbeiten propagandistisch in Dienst genommen werden, verleiht den so entstandenen Filmen eine prinzipielle Bodenlosigkeit, weil man die Macht des Regimes und seine Verfügungsgewalt über Ressourcen nicht einschätzen kann, sondern auf die Auskünfte der Zensierten angewiesen bleibt. Da es in Nordkorea aber offenbar keine Privatsphäre im westlichen Verständnis gibt und es auch kein Bedürfnis danach zu geben scheint, da die Menschen seit frühester Jugend dem multimedialen Trommelfeuer der Propaganda-Maschine ausgesetzt sind, kommt man mit einem westlich-aufgeklärten Subjektverständnis nicht weiter. Lässt man sich als Filmemacher auf dieses Spiel ein und dokumentiert die Spielregeln gleichsam als „making of“ einer Konstruktion von Wirklichkeit mit, führt das schnell zu seltsamer Komik wie im Falle von „Im Strahl der Sonne“ (fd 43 740), wo hinter jedem Lachen ein Blick in den Abgrund umfassender Manipulation lauert. In Nordkorea scheint es keinen Platz für ein subversives Augenzwinkern als Reaktion auf haarsträubende Propaganda zu geben. Auch die in Südkorea geborene deutsche Dokumentaristin Sung-Hyung Cho hat sich auf dieses Arrangement mit dem System eingelassen. Dennoch ist sie mit der Intention nach Nordkorea gereist, andere Bilder aus diesem mysteriösen Land mitzubringen. Also keine Raketentests, Militärparaden und Hungersnöte. Doch wie soll es überhaupt möglich sein, hinter die Kulissen zu blicken? Cho nennt den neuen Film nicht ohne Grund einen „Heimatfilm“, da sie doch manches in Nordkorea an ihre Kindheit in Südkorea erinnert. Sie gleicht den Menschen äußerlich, spricht ihre Sprache und ist mit ihrer Mentalität vertraut; außerdem hat sie mit dem Co-Produzenten um Mitwirkende und Drehorte gerungen, um andere Gesichter und Bilder als üblich. Ansonsten hält Cho ziemlich clever den Ball flach, lässt das Mantra der Propaganda mit den immer gleichen Heldengeschichten und dem Pathos des Personenkults unkommentiert an sich vorüberziehen, registriert aber sehr wohl die sich immer wieder versichernden Blicke der Befragten in die Kamera, während sie einen gigantischen Sportpark, eine Fußballschule, eine Textilfabrik und ein Bauernkollektiv besucht. Immer lächelnd, immer freundlich und voller Empathie sucht Cho gewissermaßen das Downbeat-Gespräch am Rande, will gar nicht aufklären, anklagen oder aufdecken, sondern erstmal reden, lachen, fragen und zuhören. Der Zuschauer tut gut daran, sich auf die geduldige Gesprächsführung der Filmemacherin einzulassen, denn es bleibt im Nebensächlichen einiges hängen. Etwa, wenn davon geredet wird, wie man auf Versorgungsengpässe und Stromausfall reagiert. Dass durchaus das Leistungsprinzip gilt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen! Dass sich die überreiche Versorgung mit Grundnahrungsmitteln der Familien relativiert, weil ein großer Teil ohnehin dem Staat „gespendet“ wird. Dass die Wiedervereinigung Koreas ein bleibendes Thema ist, die simpel gestrickten Heldengeschichten der Propaganda bis in die Familie hineinwirken und die Menschen gerne einmal vor Rührung in Tränen ausbrechen. Das Leben im Kollektiv wird als schöner betrachtet denn private Einsamkeit, obwohl es durchaus subjektive Träume von Selbstverwirklichung gibt. Das Regime weiß anscheinend sehr genau um die Gefahren, die vom „kulturellen Austausch“ ausgehen, auch dass Kinder die Trennung von den Eltern besser wegstecken, wenn es im Internat „Snacks und Fernsehen“ gibt. Da es ausgemacht ist, dass hier „alles“ gestellt ist, muss sich der Zuschauer entscheiden, ob er für bestimmte Gesprächskonstellationen eine Steigerungsform von „authentisch“ ins Feld führen möchte. Kurz vor Ende dieser sanften Annäherung an Nordkorea gönnt sich Sung-Hyung Cho noch einen sympathischen Coup. Eine Kleiderfabrik an der Küste erreicht ihr Plansoll unter anderem deshalb, weil die Fließbandarbeit durch gemeinsame Gymnastik aufgelockert wird. Die Arbeiterinnen in quietschbunten Arbeitsuniformen beginnen einen Workout zu flotter Musik und mit ernsten Gesichtern. Dann fährt die Kamera zurück und präsentiert die Filmemacherin als fröhlichen Drill Instructor. Ein paar Takte lang hat Cho in bester Jacques-Demy-Tradition Momente mit hinreißendem Musical-Flair in die nordkoreanische Arbeitswelt gezaubert.
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