Schöne Frauen und schwere Waffen, Luxus und lebensgefährliche Geschäfte: An dieser betörenden Mischung aus Abenteuer und Glamour haben die Helden von John le Carrés Agentenromanen wenig Anteil. Sie sind keine schillernden, ultra-maskulinen James Bonds, sondern Schattenmänner: graue Mäuse, die ihre Arbeit unauffällig, hartnäckig und selbstlos tun. Privilegien verdienen sie sich damit nicht; eher bringt ihnen ihr Engagement private Nachteile: zerrüttete Ehen, unglücklich endende Liebesaffären. Der Lohn, der auf die Helden wartet, ist die Bewahrung der eigenen Integrität, das Bewusstsein, das Richtige zu tun. Auch „Verräter wie wir“ setzt sich mit diesem Typus auseinander, indem die Inszenierung von Susanna White ihn mit seinem glamouröseren, aber auch chauvinistischeren Gegenstück konfrontiert: Der Protagonist bekommt es mit einem älteren Geschlechtsgenossen zu tun, der sich als archetypisches Alphamännchen gibt, als Anführer, Lebemann und „big spender“.
Dass Männerbilder in „Verräter wie wir“ eine wichtige Rolle spielen, klingt schon in der suggestiven Anfangssequenz an: ein wunderschöner, kraftvoller, halbnackter Männerkörper ist da zu sehen. Die Szene spielt bei einer Aufführung des Moskauer Bolschoi-Balletts; vom Ballerino wird zum feinen Moskauer Publikum umgeschnitten, unter dem sich auch die Familie eines Mitglieds der Russenmafia befindet. Es gibt Verwerfungen zwischen diesem Mann und dem jungen Oberhaupt der Gangster. Am Ende der Exposition sind er, seine Frau und seine Tochter tot. Dima, der oberste Geldwäscher der Russenmafia, will verhindern, dass seiner Familie Ähnliches widerfährt. Er will sich nach Großbritannien absetzen und Insider-Informationen für Asyl und Schutz auf der Insel eintauschen. Dafür wendet er sich an den nichtsahnenden Briten Perry, der ihm zufällig bei einem Urlaub in Marrakesch über den Weg läuft.
Der gesittete Uni-Dozent ist fasziniert von dem stinkreichen, lauten Russen. Wahrscheinlich auch, weil ihn dessen Selbstbewusstsein und Großmannsattitüde beeindrucken, während er selbst wegen der Konflikte mit seiner Frau Gail, einer erfolgreichen Anwältin, ziemlich deprimiert ist. Perry lässt sich darauf ein, Dima bei der Kontaktaufnahme mit dem britischen Geheimdienst zu helfen – und findet sich zusammen mit Gail und dem britischen Geheimagenten Hector bald in einer brandgefährlichen Operation wieder, bei der es nicht nur gegen die Russenmafia, sondern auch gegen deren einflussreiche Kontaktleute in höchsten englischen Politiker-Kreisen geht.
John le Carrés Roman und die kluge Drehbuchadaption von Hossein Amini liefern der Regisserin eine Steilvorlage für einen mustergültigen Thriller, der mit der „fish out of water“-Situation, in die er seine Hauptfigur stürzt, an Hitchcock-Klassiker wie „Der unsichtbare Dritte“ (fd 8754) und „Der Mann, der zu viel wußte“ (fd 5338) erinnert. Dabei geht es um die Verstrickung politischer Eliten in kriminelle Machenschaften – eine Klüngelei, die so übermächtig zu sein scheint, dass Perry und seine Helfer kaum eine Chance gegen sie haben. Ewan McGregor verkörpert den Protagonisten ähnlich wie Bill Nighy in der „Worricker“-Trilogie als etwas zerknitterten, menschlich angeschlagenen, moralisch aber aufrechten Vertreter einer „fair play“-Mentalität, der zwar ohne besondere Kampfkraft, dafür aber mit umso mehr Hartnäckigkeit der Korruption die Stirn bietet. Gegenüber den Mitgliedern der Russenmafia scheint er als „Softie“ zunächst heillos überfordert; allerdings merkt nicht nur Dima bald, dass Perrys Sanftheit da aufhört, wo seine Prinzipien angegriffen werden, und das heißt vor allem: wo es jemanden zu verteidigen gilt, dem Unrecht zu geschehen droht.
„Verräter wie wir“ kann nicht zuletzt als Liebeserklärung an eine Art von Ritterlichkeit betrachtet werden, die auf Empathie gründet und ohne Dominanzgebaren, Machismo und Statussymbole auskommt. Vom Kameramann Anthony Dod Mantle stilvoll in Szene gesetzt, entfaltet sich ein Agententhriller, der in seinem Verzicht auf exzessive Action angenehm altmodisch daher kommt, in seinem Männerbild Bond & Co. aber einiges voraushat.