Wer ist Oda Jaune?

Dokumentarfilm | Deutschland 2016 | 77 Minuten

Regie: Kamilla Pfeffer

Dokumentarisches Porträt der bulgarischen Malerin Michaela Danowska, die ihren Künstlernamen Oda Jaune von ihrem Ehemann Jörg Immendorff erhielt und seit dessen Tod in Paris lebt. Dabei erweist sich die zur Schau gestellte Kindlichkeit der scheuen Mittdreißigerin als eine Art Schutzraum, der ihre hochgradig eigenwilligen, traumartig-obszönen Bilder der Befragung entzieht. Auch Auskünfte befreundeter Künstler und Kollegen können die titelgebende Frage nicht erschöpfend klären, sodass das schelmische Lächeln einer Malerin bleibt, deren Werke um die Allgegenwart des Todes und der Vergänglichkeit kreisen. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Gebrüder Beetz Filmprod./KHM
Regie
Kamilla Pfeffer
Buch
Kamilla Pfeffer
Kamera
Magdalena Hutter
Musik
Markus Aust
Schnitt
Rune Schweitzer · Stefanie Kosik
Länge
77 Minuten
Kinostart
23.06.2016
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm | Künstlerporträt
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Real Fiction (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz. & dt.)
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Porträt der bulgarischen Malerin Michaela Danowska, die als Oda Jaune aktuell für Furore sorgt.

Diskussion
Eigentlich ist die Antwort auf die Titel gebende Frage recht einfach. Oda Jaune wurde 1979 in Bulgarien als Michaela Danowska geboren. Ihr Vater: ein erfolgreicher Graphik-Designer. Ihre viele Jahre ältere Schwester: auch eine Künstlerin. Danowska ging nach Düsseldorf an die Kunstakademie, wurde Meisterschülerin und später dann Lebensgefährtin und Ehefrau des mittlerweile verstorbenen Malers Jörg Immendorff. Der Großkünstler und seine Muse, die zur Lebenspartnerin wird – ein Fall für Klaus Theweleits „Buch der Könige"? Weil Danowska nicht unter ihrem Familiennamen und auch nicht unter dem Namen Immendorff arbeiten wollte, bat sie den Maler um einen neuen Namen. Der ließ sich nicht lumpen und lieferte gleich einen neuen Pass für Oda Jaune. Mittlerweile lebt die Künstlerin in Paris und hat sich im Kunstbetrieb mit sehr eigenen, mitunter traumhaften, mitunter obszönen, jedenfalls aber hochgradig eigenwilligen Bildern längst etabliert. Oda Jaune strahlt etwas Mysteriöses aus: ihre Schönheit und erstaunliche Kindlichkeit, verbunden mit einer hellen Stimme, scheinen auf reizvolle Weise so gar nicht zur rätselhaft-abgründigen Kunst der Mittdreißigerin zu passen. Was also läge näher als ein Filmporträt? Kamilla Pfeffer hat sich der Künstlerin geduldig genähert, hat zwei Jahre angefragt, bevor sie ihre Kamera im Atelier aufstellen durfte. Doch das Konzept, der Künstlerin beim Malen ihrer figurativen Bilder über die Schulter zu gucken, zerschlägt sich, weil sich die Künstlerin durch die Anwesenheit des Teams im Atelier in ihrer Kreativität gestört fühlt. Man einigt sich, ab und zu einmal vorbeizuschauen und gewissermaßen den Fortgang der Arbeit zu dokumentieren. Es ehrt die Filmemacherin, dass sie die Szenen dieser Auseinandersetzungen im Film belassen hat, weil hier auch deutlich wird, wie freundlich, aber bestimmt sich Oda Jaune durchzusetzen versteht. Als Alternative bot sich ein längeres Gespräch mit der Künstlerin an, das großartig eindrucksvoll inszeniert ist. Im schwarzen Pullover vor schwarzem Hintergrund blickt Jaune frontal und bildfüllend in die Kamera und antwortet auf Deutsch mit eigentümlicher Verzögerung auf die ihr gestellten Fragen. Dabei wird immer wieder deutlich, wie meisterhaft es der Künstlerin gelingt, ihre ausgestellte Kindlichkeit als Schutzraum produktiv zu machen, wenn sie etwa auf die Frage nach der Obszönität ihrer Kunst fast schon überrascht scheint, um dann einzuräumen, dass es wahrscheinlich schon Menschen gäbe, auf die ihre mit Körper-Transformationen arbeitenden Bilder verstörend wirken, um dann wieder in die naive Rolle der staunenden Ewig-Zehnjährigen zu fallen, bevor ein letzter koketter Blick in die Kamera, verbunden mit einem schelmischen Lächeln, den Zuschauer fassungslos, aber fasziniert zurücklässt. Allein schon Jaunes hemmungsloses Flirten mit der Kamera macht den Film sehenswert, wenngleich es genau diese Szenen sind, die deutlich machen, dass die titelgebende Frage unbeantwortet bleibt, bleiben muss. Da hilft es denn auch nicht viel, wenn die Inszenierung auf ein paar Zeugen wie den Galeristen Daniel Templon, den Regisseur Thomas Ostermeier, den Schauspieler Lars Eidinger oder den Kollegen Jonathan Meese rekurriert, die ihrerseits erzählen, was sie an Oda Jaune und ihrer Kunst fasziniert. Eidinger beispielsweise zitiert Milan Kundera, um Jaunes Bilder vom Ruch zu befreien, sie seien Kitsch. Erzählen diese doch von der Allgegenwart des Todes und der Vergänglichkeit. Dass es noch eine andere Oda Jaune gibt als diejenige, die man in diesem Film sieht, behauptet Meese. Man glaubt es ihm gern. Allerdings reicht die mysteriöse Kindfrau Oda Jaune, die in ihrem Pariser Atelier unerhörte und unerhört faszinierende Bilder produziert, um sie in aller Unschuld der Öffentlichkeit zu präsentieren, für einem unvergesslichen Kinoabend allemal hin. Einmal erzählt Oda Jaune ihr Lieblingsmärchen. Es handelt von einer Mutter, die sich für die Liebe des Sohnes das Herz herausreißen lässt. Als der Sohn das Herz der Mutter als Liebesbeweis zur Geliebten trägt, schlägt er hin. Aus dem Herz erkundigt sich die Stimme der Mutter nach seinem Befinden. Jaune erkennt in diesem traurigen Märchen zwei Formen der Liebe und lächelt. Direkt in die Kamera. Man sieht ihre Bilder mit anderen Augen und denkt nicht zum ersten Mal in diesem Film an die ALS-Krankheit, an der Jörg Immendorff gestorben ist.
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