Dokumentarfilm über die orthodoxe Mönchsrepublik auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki, der am Beispiel dreier Mönche das religiöse Leben auf dem Berg Athos schildert. Neben den 20 malerischen Klöstern gibt es zudem Klausen und Einsiedeleien, deren Bewohner ihr Leben als Dienst an Gott verstehen. Der ruhige Film begleitet die Protagonisten durchs Kirchenjahr, gewährt Einblicke in Bräuche und Zeremonien und schildert sinnlich-plastisch den Alltag inmitten einer idyllisch-schönen Natur. Dabei gelingt es ihm freilich nicht, die Einheit von Glauben und Ritus, Ideal und Askese greifbar zu machen, zumal er bisweilen ins Reisefilm-Genre oder auch in Kuriositäten ausweicht.
- Ab 14.
Athos - Im Jenseits dieser Welt
Dokumentarfilm | Griechenland/Deutschland 2015 | 99 Minuten
Regie: Peter Bardehle
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Filmdaten
- Originaltitel
- ATHOS
- Produktionsland
- Griechenland/Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Vidicom Media/Langbein & Partner Media
- Regie
- Peter Bardehle · Andreas Martin
- Buch
- Peter Bardehle · Andreas Martin
- Kamera
- Yannis Fotou
- Schnitt
- Konrad Buschke · Kirineos Papadimatos
- Länge
- 99 Minuten
- Kinostart
- 23.06.2016
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Dokumentarfilm über den autonome Mönchsrepublik Athos aus der griechischen Halbinsel Chalkidiki.
Diskussion
Die Sehnsucht nach Stille ist groß. Ein hektischer Alltag vertreibt jede Muße. Wenn nur noch Leistung zählt, tritt schnell Erschöpfung ein. Mancher weiß keinen Ausweg und sucht Rat in der Flut einschlägiger Literatur. Aus ihr hofft man herauszulesen, wer man wirklich ist und wie man sich wieder auf sich selbst besinnt. Das Kino greift dieses Verlangen auf, das es in der Folge der Wiederkehr von Religion(en) auch als Mangel an spiritueller Erfahrung auslegt. Der Besuch eines Klosters wird so gerne als Wallfahrt zu einem Ort des Rückzugs und der inneren Einkehr inszeniert. In der Bestseller-Adaption „Ich bin dann mal weg“ (fd 43 582) begibt sich Hape Kerkeling in Gestalt des Schauspielers Devid Striesow so auf den Jakobsweg. In „Zen for Nothing“ (fd 43 929) bricht die Schweizer Schauspielerin Sabine Timoteo nach Japan auf, um in einem Zen-Kloster spirituelle Erfahrungen zu machen. Und in „Athos“ von Peter Bardehle und Andreas Martin führt die Reise auf die griechische Halbinsel, auf der inmitten der schönsten Mittelmeerlandschaft 20 malerische orthodoxe Klöster stehen, die die Unesco zum Weltkulturerbe erklärt hat.
Die Regisseure verkünden, dass sie mit ihrem Film „eines der letzten Geheimnisse Europas“ lüften wollen. Was schon deshalb übertrieben klingt, da die Mönchsrepublik gut besucht ist. Inzwischen kommen auch Touristen auf die Insel, um zu wandern und die Natur zu genießen; nur Frauen ist der Zutritt zur Insel weiterhin versagt.
Der Film porträtiert das klösterliche Leben äußerst plastisch. So stellen die Regisseure verschiedene Lebensformen am Beispiel dreier Mönche dar. Pater Galaktion hat für sich eine abgeschiedene Klause hergerichtet. Die Heilung der Seele, die hier auf „Beten, Aufmerksamkeit und Arbeiten“ beruht, um die Gedanken und Leidenschaften zu zügeln, kann ein Mönch auf der Halbinsel auch als Eremit suchen. Seinen Lebensunterhalt verdient sich der Pater mit dem Schnitzen von Andachtsbildern. Um Feste wie Weihnachten zu feiern, sucht er größere Gemeinschaften auf. Pater Epiphanios wohnt in der Mönchsklause „Mylopotamos“. Er ist ein begeisterter Koch, rekultivierte den Weinberg der Klause. Seine Kochkünste präsentiert er auch außerhalb der Klosterinsel, beispielsweise in einem Kochbuch. Pater Philimon wiederum lebt in der Mönchsgemeinschaft „Prophet Elias“ die zum Kloster Pantokrator gehört. Er ist nicht nur deren Priester, sondern auch für die Betreuung der Pilger zuständig, die er durch die herrliche Kirche führt.
Der Film begleitet die drei durchs Kirchenjahr und beobachtet dabei die Formen orthodoxer Frömmigkeit. Der Zuschauer nimmt an religiösen Hochfesten wie Weihnachten und Ostern, aber auch an einer Priesterweihe teil, und gewinnt darüber Einblicke in Bräuche und Zeremonien.
Die Regisseure verstehen „Athos“ als „eine filmische Meditation über die Stille und den Sinn unserer Existenz“. Inspiriert von Philip Grönings „Die große Stille“ (fd 37 344), wollen sie das religiöse Leben sinnlich erfahrbar machen. Im ruhigen, meditativen Fluss der Bilder erlebt man, wie die Mönche konzentriert und mit Hingabe ihr Handwerk verrichten, wobei sich die Arbeit im Weinberg oder das Backen von Brot durchaus sinnbildlich deuten lässt, wie sie sich in die Schriften und ins Gebet versenken, was zugleich die Wahrnehmung schärft, wie die knisternden Holzscheite im Ofen bezeugen. Das Tun der Mönche wird als Gottesdienst markiert. Dabei erzählen die Männer von sich. Da sie sich auch als geistige Väter der Pilger verstehen, geben sie ihre Erfahrung in gleichnishaften, knappen Sentenzen mit auf den Weg.
Immer wieder hört man die Laute der charakteristischen Schlaginstrumente oder die Glocken, die zum Gottesdienst rufen. Die Mönche singen, es werden Weihrauchkessel geschwenkt, man sieht Leuchter, den kostbaren Brokat der Gewänder, das Gold der Ikonen. Doch was in der Beschreibung der Patres atmosphärisch gelingt, unterläuft die Inszenierung durch ihre Dramaturgie. Der Film vermag die Einheit von Glauben und Zeremonie nicht zu vermitteln. Denn neben einer „Meditation über die Stille“ will „Athos“ zugleich Reisebeschreibung und die Darstellung von etwas noch nie Gesehenem sein. Wenn die Kamera in mehreren Einstellungen an der Insel vorbeifliegt, um die erhabene Landschaft und die imposanten Anblicke der Klöster zu fotografieren, gehört das inzwischen zum verbrauchten Bilderreservoir touristischer Werbefilme. Außerdem sind Gläubige auf Athos gerade nicht auf sich selbst zurückgeworfen, sondern sollen während der liturgischen Handlungen vielmehr Gott begegnen.
Auch gleitet die Darstellung der mönchischen Gebräuche, insbesondere der Totenaufbewahrung, und die Suche nach starken (Leinwand-)Charakteren mitunter ins Lächerliche, sensationsheischend Monströse ab. Der beleibte Pater Epiphanios, der liebevoll Garnelen in der Pfanne schwenkt, karikiert unfreiwillig das Ideal der Askese. Und der Parallelschnitt von Priesterweihe und den logistischen Festvorbereitungen in der Küche profanisiert den Ritus. Der Film will dadurch zwar vermitteln, dass der Aufstieg zum Heil, wie in der Anfangsszene die Besteigung des Berges Athos, nach einer reinigenden Strapaze durchaus genussreich sein kann. Aber ist der eigene Seelenfrieden wirklich so idyllisch zu haben und so leicht zu erringen?
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