Der Titel trifft ins Schwarze. Auf der deutschen Website des japanischen Antaiji-Klosters heißt es auf die Frage, was Zen-Meditation „bringe“, lapidar: „Nichts! Zen-Praxis ist nichts weiter als ein Ausdruck natürlichen Lebens, ohne Ziel, nicht einmal dem der Erleuchtung.“ Dennoch hat sich die Schweizer Schauspielerin Sabine Timoteo darauf eingelassen, für den Dokumentarfilm von Werner Penzel auf einer Hochebene am Japanischen Meer mehrere Monate mit den buddhistischen Mönchen zu verbringen. Und deren hartes Leben zu teilen, das morgens um vier Uhr mit einer mehrstündigen Meditation beginnt und tagsüber anstrengende körperliche Arbeit umfasst, da sich das Kloster selbst versorgt. Das Tag endet um 21 Uhr. „Licht aus“, heißt es dazu im Tagesablauf auf der Website.
Für europäische Ohren verströmt das Wort „Zen“ seit den 1960er-Jahren eine verführerische Aura von Ruhe, Konzentration und einer Schönheit, in der alles aufs Wesentliche reduziert ist. Inbegriff sind die japanischen Steingärten, in denen aus Kies und Sand eine Miniaturlandschaft um einen Schrein modelliert wird. Schwerer zugänglich ist der spirituelle Kern von Zen, das in unterschiedlichsten Varianten um ein grundsätzliches Loslassen kreist. Ein Weg, dies zu üben, besteht im Zazen, einer Sitzmeditation mit halbgeschlossenen Augen, bei der man regungslos vor einer Wand sitzt und sich bemüht, nicht zu grübeln oder über die Dinge nachzudenken, die sich in der Stille ins Bewusstsein schieben. Von all dem braucht man in „Zen for Nothing“ nichts zu wissen, da der Film mit seiner Protagonistin über eine Figur verfügt, deren Initiation er aufmerksam folgt, vom beschwerlichen Fußweg hinauf in die Berge über das Abkommen im klösterlichen Alltag bis in die langen „Sessions“, in denen Timoteo mit den Mönchen „sitzt“, Zazen praktiziert. Mit unprätentiösen, einfachen Einstellungen und ohne zusätzliches Licht fotografiert die Kamera ihren Alltag, wie sie sich zurechtfindet und die Regeln, Gesänge und Rituale erlernt, wie sie Teil der Gemeinschaft wird und ihren Teil zum gemeinsamen Leben beiträgt.
Im Mittelpunkt steht zunächst das Zazen, was der Film mit stillen Schnitten und der kaum merklichen, kongenialen Musik von Fred Frith ohne Längen, aber unter synästhetischer Anverwandlung näherbringt: mit viel Ruhe, ungewöhnlicher Dauer, auch mit Details, die von Anstrengung, Müdigkeit oder einem Schnupfen erzählen. Es gibt keine Erklärungen, keiner der Mönche spricht oder interpretiert seine Erfahrungen, auch nicht die Protagonistin, nur ein paar Inserts des „Spiritus Rector“ von Antaiji, Kōdō Sawaki (1880-1965), deuten zu Beginn eine Richtung an.
Die „Handlung“ umfasst drei Jahreszeiten, Herbst, Winter und Frühjahr, wobei die Wintermonate, in denen das Kloster durch Schnee von der Außenwelt abgeschnitten ist, eher kurz ausfallen und primär über zwei Briefe bewältigt werden, die von mentaler Bedrängung und Unstetigkeit handeln. Im Frühjahr ist Sabine Timoteo längst in die Klosterwelt integriert, für die Zubereitung des Frühstücks verantwortlich und auch bei der Pflanzarbeit auf dem Reisfeld tatkräftig unterwegs. Eine zentrale Rolle nimmt eine „Lecture“ ein, bei der sie das Gedicht „Wie man einen Vogel malt“ von Jacques Prévert als ein Beispiel für ihre Erfahrung mit Zen interpretieren will. Doch während sie das Poem vorträgt, wird sie von Emotionen überwältigt, die auf ein nicht weiter erläutertes „tieferes“ Verstehen verweisen. Die Einfachheit wie „Wahrhaftigkeit“ dieser Szene steht für die inszenatorische Qualität kluger Selbstbeschränkung, mit der sich die Regie ebenfalls im Weglassen übt und nur Einblicke, keine Erklärungen vermitteln will. Ein großer kleiner Film über ein Nichts, das in die Mitte führt.