Er müsste das gar nicht behaupten! Jake, der leicht abgewetzte, charmante Wuschelkopf, erzählt der jungen Star auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt, dass es bei seiner Crew, die man in Deutschland wohl als Drückerkolonne bezeichnen würde, gar nicht nur ums Geschäft ginge, sondern auch um Party und „We explore America“. Nicht von ungefähr prangt ja das Sternenbanner auf dem Filmposter über dem Titel dieses Road Movies der britischen Regisseurin Andrea Arnold, die einen der amerikanischsten Filme aller Zeiten gedreht hat, eine Art „Easy Rider“ für die revolutionsmüden Abgehängten im 21. Jahrhundert.
Dabei kann es genau genommen gar nicht mehr darum gehen, dieses Land zu entdecken oder zu erkunden. Denn in dem Kleinbus, der den Mittleren Westen auf der Suche nach zahlungswilligen Abo-Kunden durchstreift, den Reichen, die ein schlechtes Gewissen ob ihres Reichtums quält, den Armen, die das Mitleid mit ihresgleichen plagt, fährt eigentlich schon ganz Amerika mit. Aus allen Ecken der USA stammen die blutjungen Teenager, und auf ihrer Reise tragen sie die ganze faszinierende, widersprüchliche, verheißungsvolle Mythologie dieses Landes in sich. Die unbändige Freiheitsgier, raue Sprüche, ausgelassenes Rumgetolle, viel Marihuana und Alkohol – und auf der anderen die eiserne Fessel des Kapitalismus, wunderschön und gleichzeitig bizarr und selbstverstrickt personifiziert in der Kolonnenchefin Krystal, einer impulsgetriebenen Unternehmerin im sehr knappen Bikini, auf dem das Flaggenmotiv der Südstaaten prangt.
Riley Keough, die Krystal mit allem Elan und aller verführerischen Schmutzigkeit des „white trash“ ausstattet, ist die Enkeltochter von Elvis Presley; musikalisch getrieben ist auch der Film, tänzerisch, verspielt, verträumt aufgeladen vom Titelsong der Country-Band Lady Antebellum und vor allem von Rihannas „We Found Love“. Um Liebe geht es selbstredend auch, jedenfalls um das, was die 18-jährige Star dafür hält und was sie sich von Jake erhofft. Sie geht auf sein Angebot ein, lässt ihren Freund in der heimischen Bruchbude zurück, lädt die beiden Kinder, um die sie sich kümmert, bei deren unwilliger Mutter ab und bricht auf, um Zeitschriften zu verkaufen, um zu feiern und an einem hoffnungslosen Ort die Liebe zu finden.
Die Binsenweisheit, nach der die Bewegung des Road Movies mindestens genauso tief ins Innere wie hinaus ins Land führt, nimmt Andrea Arnold wörtlich und zwängt die Ebene des American Heartland ins nahezu quadratische alte Fernsehformat. Entsprechend bleibt sie nahe an den Gesichtern und Gefühlen, ohne dass das satte Grün der Wälder, die Funken der Feuerwerke oder das verlockende Glitzern eines nächtlichen Sees dadurch ihren Zauber verlören. Die Newcomerin Sasha Lane spielt mit der Unberechenbarkeit ihrer Figur, lässt das Zarte, Schüchterne mal als Eigenschaft stehen, dann wieder als Fassade bröckeln: Star weiß verdammt gut, was sie will. Sie will nicht lügen, um Abos zu verkaufen. Lieber wirft sie sich in ein Cabrio voller Vorstadtcowboys, um mit ihnen zu cruisen, zu grillen, zu trinken, im Pool zu baden – und ihnen Abos zu verkaufen. Sie zofft sich mit Jake, den Shia LaBeouf gleichzeitig ernsthaft und hedonistisch, vernuschelt und bodenständig gibt, sie schläft mit ihm, träumt mit ihm, während über den beiden der drohende Schatten von Krystal schwebt, deren „bitch“ Jake bekanntlich ist. Um sie herum tobt eine Horde junger Kollegen, die den Ghettoblaster aufdreht, herrlich unhip im Gestern lebt und fürs Heute. Da macht es nichts, dass die versprochenen Partys selten mehr sind als eine Runde Schnaps oder Gras auf dem Motelparkplatz. Über zweieinhalb Stunden lang brummt die Leinwand voller Energie.