Das Unheimliche entwickelt sich oft aus dem Unbekannten. Fremde Kulturen, seltsame, zumeist religiös motivierte Rituale, bizarre Menschen in noch bizarrerer Aufmachung sind die Anhaltspunkte, dass hier das Übersinnliche oder Gruselige noch wohliger seine Heimstatt hat als im zivilisierten Westen mit seinen gesitteten Umgangsformen und seinem christlichen Fundament. Dennoch fühlen sich Maria und Michael wohl in Indien, weit weg von ihrer britischen Heimat. Aber das Schicksal meint es nicht gut mit der vierköpfigen Familie, als der Wagen von der Straße abkommt und Maria mit ihren beiden Kindern in den Fluß stürzt. Verzweifelt muss sie ihren eingeklemmten Sohn Oliver zurücklassen, um wenigstens die jüngere Lucy aus den Fluten zu retten. Diese Entscheidung traumatisiert die junge Mutter und treibt sie in einen Selbstmordversuch. Doch ihre Haushälterin Piki weiß vielleicht ein wirksames Gegenmittel. Tief im Wald liegt ein alter, einsamer Tempel. Wenn man dort nachts um Kontaktaufnahme mit Verstorbenen bittet, erscheinen sie ein letztes Mal, damit man sich von ihnen verabschieden kann. Allerdings muss man es tunlichst vermeiden, dem an die Tür pochenden Geist Einlass zu gewähren.
Doch die Warnung der Inderin wird nicht befolgt. Was folgt, sind seltsame Albträume und unerklärliche Poltergeist-Erscheinungen. Oliver will wieder zurück in den Familienverbund. Dazu ist ihm jedes Mittel recht, auch um den Preis des Seelenheils seiner Schwester. Erst langsam realisiert auch Michael, dass seine Frau eine fatale Verfehlung begangen hat.
Der Horrorfilm des Briten Johannes Roberts beginnt sehr atmosphärisch. Klug spielt er mit den Versatzstücken der Fremde und entwickelt daraus den Einfall des Unheimlichen in die heile (Familien-)Welt. Wenn die bleich gekalkten, hageren Aghori-Schamanen als physische Mittler zwischen Diesseits und Jenseits unvermittelt die Szenerie bevölkern und die grässliche Götterstatue aus dem alten Tempel zu leben beginnt, besitzt das eine unheimliche, fesselnde Kraft. Doch leider fällt den Autoren darüber hinaus nicht viel mehr als eine Variation von „Friedhof der Kuscheltiere“
(fd 27 901) ein, um daraus ein „Paranormal Activity“ in Indien zu konstruieren. Die Kraft des Unheimlichen weicht so Schritt für Schritt der Ernüchterung des alles schon mal da Gewesenen.
Wenn sich am Ende die Tempel-Ereignisse in einem Prolog unter anderen Vorzeichen wiederholen, ist das ein netter finaler Schauder, der mit der Hoffnung einhergeht, hier lediglich den Abschluss eines soliden kleinen Horrorfilms gesehen zu haben – und nicht den Versuch, ein neues Franchise zu etablieren.