Horror | USA/Großbritannien/Kanada/Brasilien 2015 | 93 Minuten

Regie: Robert Eggers

Im Neuengland des 17. Jahrhunderts lebt eine puritanische, tiefreligiöse Familie am Rand eines Waldes, verstoßen von ihrer Gemeinschaft. Als der jüngste Sohn verschwindet, verdächtigen die Eltern eine Hexe oder sogar den Satan. In eindringlichen Bildern inszeniert der Horrorfilm einen archaischen Kampf zwischen Gut und Böse, wobei er zwei Lesarten ineinander webt: Die aufgeklärte, moderne Sichtweise erklärt das Schicksal der Familie aus Schmerz, Schuldgefühlen und religiösem Wahn, während die mythologische Deutung eine Volkssage wörtlich nimmt. Dabei erwächst der eigentliche Horror aus der strikten Trennung beider Versionen, die keine Grenzgänge erlaubt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE WITCH | THE WITCH: A NEW-ENGLAND FOLKTALE | THE VVITCH
Produktionsland
USA/Großbritannien/Kanada/Brasilien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Parts and Labor/RT Feat./Rooks Nest Ent./Code Red Prod./Scythia Films/Maiden Voyage Pic./Mott Street Pic./Pulse Films/Very Special Projects
Regie
Robert Eggers
Buch
Robert Eggers
Kamera
Jarin Blaschke
Musik
Mark Korven
Schnitt
Louise Ford
Darsteller
Anya Taylor-Joy (Thomasin) · Ralph Ineson (William) · Kate Dickie (Katherine) · Harvey Scrimshaw (Caleb) · Ellie Grainger (Mercy)
Länge
93 Minuten
Kinostart
19.05.2016
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror | Mystery
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Universal (16:9, 1.66:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universal (16:9, 1.66:1, dts-HDMA engl., dts dt.)
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Horrorfilm an der Grenze von Gut und Böse

Diskussion
Der schwarze Ziegenbock bleibt stumm. So sehr die Kinder ihn auch anflehen, um Antworten, Erlösung oder Klarheit: Black Phillip stiert mit seinem leeren Bockblick weiter nur Löcher in die Luft. Man muss sich Black Phillip ein wenig so vorstellen wie den Kostüm- und Produktionsdesigner Robert Eggers, der mit seinem Langfilmdebüt „The Witch“ auf Anhieb den Regiepreis beim Sundance Festival gewann. Denn Eggers erklärt ebenfalls nichts, er lässt vielmehr zwei Welten und zwei Glaubenssysteme aufeinanderprallen, die so unversöhnlich erscheinen, dass es nicht einmal dem Filmemacher gelingen kann, sie schlüssig miteinander zu verbinden. Die eine Möglichkeit, diese wüste, wuchtige, noch im vergeblichen Gespräch mit dem Nutztier todernste Geschichte zu erzählen, wäre demnach diese: Eine puritanische Großfamilie mit fünf Kindern wird Mitte des 17. Jahrhunderts aus ihrer Siedlung in Neuengland verstoßen und zieht auf eine Farm am Waldrand. Die Ernte reicht nicht aus, der kleinste Sohn, ein Baby noch, verschwindet, und der Schmerz, die Schuldgefühle und der religiöse Wahn treiben die übrigen Familienmitglieder nach und nach dazu, sich selbst und einander gegenseitig zu zerfleischen. In dieser aufgeklärten, durch und durch modernen Interpretation geht das Schicksal der Familie aber auch nicht ansatzweise auf, da Eggers die Mythologie wörtlich nimmt. Neben den archaischen, knorrigen Gesichtern von Kate Dickie und Ralph Ineson, die Vater und Mutter spielen, neben den bleichen Bildern einer feindseligen Umwelt, wo die Farbe Rot so sparsam eingesetzt wird, dass sie symbolische Qualität erhält, neben dem schrillen Gleiten der Filmmusik von Mark Korven, die eine jenseitige Gewalt und Bedrohung nicht nur andeuten, sondern in ihrer enervierenden Präsenz selbst schon umsetzen, gibt es noch etwas. Etwas Unfassbares: der verschwundene Säugling im flackernden Kerzenschein, dem sich ein Messer nähert. Später dann eine Frau, die sich mit einer roten Flüssigkeit einschmiert. Ihre Silhouette vor dem Mond. Dann melkt sie oder eine andere Blut aus den Zitzen der weißen Ziege, die im hermetisch zugezimmerten Stall nie und nimmer hätte erscheinen dürfen. Ein Hexensabbat, nackte, schwebende Gestalten um ein riesiges Feuer. All diese Furchtbarkeiten eskalieren nicht aus dem dramaturgischen Aufbau der jeweiligen Szene, sie schockieren nicht momenthaft oder exzessiv, sondern sie bohren sich in eine Parallelwelt der Verstörung hinein. Die Kamera hält drauf, während im mysteriösen, diffusen Licht Menschen und Gegenstände, Blut und Feuer, der Säugling und das Tötungswerkzeug einander nahekommen, Dinge, die nach dem gesunden Menschenverstand nicht zueinander gehören. Eine schaurige Volkssage, so wirbt auch das Filmplakat, kein Horrorfilm. Auf diese Weise bleibt die Verstörung eine gedämpfte. Über Bilder oder Mythologeme, die folkloristisch nicht schon von Hexenkult oder einer popkulturell geprägten Idee von Satanismus vorgezeichnet sind, kommt Eggers nie hinaus. Stattdessen erzählt er von Grenzüberschreitungen, vom Übergang aus einem starren, rigiden System in ein anderes, und von all dem Schmerz, der Wonne und der Angst, die dies begleiten. Der Horror liegt in der scharfen Trennung der einen Welt von der anderen, die jede Transformation zu einer blutigen machen muss. Das narrative Gerüst des Films sei aus Gerichtsakten und anderen schriftlichen Überlieferungen zusammengesetzt, heißt es im Abspann. Die Schlachten, die in den Köpfen dieser Puritaner getobt haben müssen, versetzt Robert Eggers auf den Kriegsschauplatz einer unerbittlichen Natur, in die Wildnis, in den Raum des Verbotenen, noch nicht von Gott Erhellten, wo Dämonen erwachen – die wahren oder die im Geist der Menschen.
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