Ein von seiner Frau verlassener Mann Mitte 40 fährt mit zwei Jugendfreunden für einige Tage ins winterliche Irland, um beim Angeln und bei viel Guinness-Bier Abstand zu suchen. Bald aber mischen sich in die Krisensituation alte Rivalitäten, Selbstmitleid und Wutausbrüche, wobei die erhabene Ruhe der irischen Naturlandschaft die Kontrapunkte in der emotionalen Achterbahnfahrt setzt. Ein melancholisches, mit großer Liebe zu den Figuren sowie auch zu den spielfreudigen Darstellern inszeniertes Protokoll des Älterwerdens, getragen von mildem Spott. Vor allem glänzt der Film als klug austariertes Kleinod der Komplikationen, die der Ausbruch aus Gewohnheiten mit sich bringt.
- Sehenswert ab 14.
Happy Hour (2015, Müller)
Tragikomödie | Deutschland/Irland 2015 | 95 Minuten
Regie: Franz Müller
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Filmdaten
- Originaltitel
- HAPPY HOUR
- Produktionsland
- Deutschland/Irland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Gringo Films/Film Boutique/Ripple World Pic./Samson Films
- Regie
- Franz Müller
- Buch
- Franz Müller
- Kamera
- Bernhard Keller
- Musik
- Cherilyn Macneil
- Schnitt
- Gesa Jäger
- Darsteller
- Alexander Hörbe (HC (Hans-Christian)) · Simon Licht (Wolfgang) · Mehdi Nebbou (Nic) · Daniela Lebang (Amelie) · Barbara Schwarz (Britta)
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 12.05.2016
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Tragikomödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Ein Irland-Trip für liebeskranke Mittvierziger von Franz Müller
Diskussion
Was machen Mittvierziger, wenn sie betrogen und verlassen werden? Sie flüchten sich in ein Cottage in Irland, um mit anderen Geschlechtsgenossen die Wunden zu lecken und unter dem Vorwand einer Auszeit die alten Rivalitäten zu vertiefen. Nach seinem Beziehungsdrama „Die Liebe der Kinder“ (fd 40 010) bewegt sich Regisseur Franz Müller erstaunlich entspannt im Buddy-Genre, zeigt drei Jugendfreunde beim Angeln, im Guinness-Rausch und in der sehr männlichen Disziplin des nächtliches Nackt-Holzhacken.
Trotz aller Bemühungen gerät der ausgelassene Aufenthalt des Trios fern der Routine irgendwann doch zur Abrechnung mit dem bisher Erreichten. Dass sich eine Gruppe von Irinnen für die Urlauber interessiert, macht die sich durch Selbstmitleid und Wutausbrüche ankündigende Midlife-Crisis komplett. Streit unter den von ihren Frauen getrennt lebenden Familienvätern ist vorprogrammiert, zumal ihre Charaktere bei aller Zuneigung nicht unterschiedlicher sein könnten: das Spektrum reicht von dominant bis zu hoffnungslos introvertiert.
Die wenig hilfreichen Kompetenzen in Sachen Lebensbewältigung treiben die Dramaturgie dieser, von der ersten Szene an einen starken Sog entwickelnden Komödie entlang sexueller Eskapaden und chronischem Konkurrenzkampf voran, garniert mit peinlich entgleisenden Versuchen, die Unberechenbarkeit der Jugend in alter Frische wieder aufleben zu lassen. Zumindest auf die besänftigenden Kräfte der Natur ist Verlass. Die erhabene Ruhe der irischen Landschaft setzt die nötigen Kontrapunkte, um die emotionale Achterbahnfahrt der mit sich selbst hadernden Protagonisten für kurze Momente außer Kraft zu setzen.
Die Chemie zwischen den improvisierenden Schauspielern könnte nicht besser sein. Das funktioniert wie in einem jener französischen Cliquen-Filme, die von den Eigenheiten der Gruppendynamik leben und dem treffend eingefangenen Lebensgefühl, das die Entscheidungen unter Freunden mitbestimmt. Der milde Spott des Regisseurs ist gepaart mit einer großen Liebe zu den Figuren und dem für Müller typischen lebensnahen Drehstil. „Happy Hour“ punktet als melancholisches Protokoll des Älterwerdens, glänzt aber auch als klug austariertes Kleinod über die Komplikationen, die der Ausbruch aus Gewohnheiten mit sich bringt.
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