Delphine sitzt gut auf dem Traktor. Bestimmt und selbstverständlich, wie ein Cowboy auf seinem Pferd. Nachts trifft sie mit gleicher Selbstverständlichkeit ihre heimliche Geliebte. Die aber beendet die Beziehung, um zu heiraten – „Kindheit war mal“, schiebt sie ihr zum Abschied hinterher. Zu Beginn der 1970er-Jahre, zumal auf dem französischen Land, ist die Liebe zwischen zwei Frauen nicht vorgesehen. Sie passt nicht ins Weltbild und erst recht nichts ins Wirtschaftssystem. Einen Hof ohne männliche Führung betreiben: unvorstellbar. Auch Delphines Eltern erträumen für die Tochter eine Ehe mit einem Bauern. Doch die hat andere Pläne und geht vorerst nach Paris.
Kaum angekommen, schließt sich Delphine einer feministischen Gruppe an – „Ach, die Erregten“, heißt es einmal. Die Bezeichnung ist gar nicht so verkehrt. Laut und erhitzt durcheinanderredend, -streitend, -lachend und -singend tun sie, „was sie wollen und mit wem sie wollen“, wie es eine von ihnen kämpferisch formuliert. Delphine gefällt die aufgekratzte Energie und Unangepasstheit der Gruppe. Sie verliebt sich in die etwas ältere Carole, eine agile Aktivistin, die mit einem Mann zusammenlebt. Die beiden Frauen werden trotzdem nach einigen Hürden ein Paar – und doch schon bald wieder getrennt. Als Delphines Vater schwer erkrankt, muss die Tochter auf den Bauernhof zurückkehren. Carole reist ihr nach, bleibt einen Sommer lang und lernt eine andere Delphine kennen. Eine, die ihre persönlichen Bedürfnisse hinter die Anforderungen und Konventionen einer bäuerlichen Existenz zurückstellt. Und die ihre Gefühle vor der eigenen Mutter versteckt.
„La Belle Saison“ beginnt als „Period piece“, um seinen Radius nach ungefähr der Hälfte zum persönlichen Drama zu verengen. Etwas vorhersehbar steuert die Erzählung auf den Konflikt zwischen Leidenschaft und gesellschaftlicher Erwartung zu. Selbst wenn diese Zweiteilung die Unverträglichkeit von Stadt- und Landleben gewissermaßen abbildet, wirkt sie doch etwas schematisch: hier das feministische Modell, da die Praxis, in der sich die Theorie nur bedingt leben lässt. Der feministische Aktivismus sieht hingegen wie ein großer Abenteuerspaß aus: fremde Männer antatschen, die Veranstaltung eines Abtreibungsgegners sprengen, einen schwulen Freund aus der Psychiatrie befreien. Und dabei lachend wegrennen. Es herrscht zwar eine lebhafte Debattenkultur, aber am Ende steht immer die harmonische Gemeinschaft der Frauen, die einheitlich und mit geballter Faust „Debout les femmes“ anstimmt.
Um historische Komplexität geht es der Regisseurin Catherine Corsini offensichtlich nicht. „La Belle Saison“ ist eher eine mit leichter Hand inszenierte Hommage an die Frauen – an ihren Gemeinschaftssinn, ihre Selbständigkeit, ihre Arbeit, ihre Sinnlichkeit. In den Liebes- und Sexszenen bedient sich die Inszenierung recht ungehemmt an der ländlichen Kulisse mit dem satten, flirrenden Sonnenlicht und den warmen Farben – das ist mitunter haarscharf an der Grenze zur „cheesyness“, zum Kitsch. Aber Corsini zeigt auch die Arbeit der Frauen, das Melken der Kühe, das Heueinholen, und sie porträtiert Delphines Mutter (Noémie Lvovsky) sehr schön als eine Frau, die keinen Begriff hat von Frauenrechten und Gleichberechtigung und doch tagein, tagaus ebenso hart arbeitet wie ein Mann. Als Carol ihr sagt, sie könne stolz auf sich sein, macht sie nur große Augen.