Eine attraktive Frau, ausgesucht gekleidet und mit wallenden Haaren in Szene gesetzt. Ihr Wirkungsgebiet: Ein Luxushotel, das alles für anspruchsvolle Gäste mit dickem Portemonnaie bietet. Vor dem Eingang stehen jedoch Panzer und Soldaten; es gibt Passkontrollen, desolate Zustände. In der Ferne Detonationen. Dorothea Nagel ist als freie Mitarbeiterin beim UNHCR tätig, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Im gesicherten Refugium des First-Class-Hotels wartet sie in irgendeiner arabischen Stadt, bis der Krieg im Nachbarland ein Ende findet und Tausende Flüchtlinge über die Grenze schwemmt. Eine Zeltstadt, um sie zu empfangen, steht seit langem bereit, wie auch diverse Hilfsprojekte. Dorothea hat Stipendien für geflüchtete junge Frauen im Angebot, um ihnen ein Studium in Europa zu ermöglichen. Doch weder ist das Programm durchfinanziert, noch finden sich zum jetzigen Zeitpunkt Frauen, die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen.
Im Kokon des Hotels, in dem Journalisten, Entwicklungshelfer und Diplomaten eine zweifelhafte Schicksalsgemeinschaft bilden, entfaltet Regisseurin Isabelle Stever eine kammerspielartige Abrechnung mit dem Geschäft mit Krisen und menschlicher Not. Kammerspielartig, weil der Krieg ein entferntes Hintergrundgeräusch bleibt, und Dorothea für ihre Arbeit das Hotel so gut wie nie verlässt. Um Spenden zu akquirieren genügt es, mit potentiellen Geldgebern in der Bar zu feiern oder zu rauschhaften Partys in ihre weitläufige Suite zu laden. Ihr blendendes Aussehen, ein bisschen Networking und ein gemeinsamer Suff – schon steht das Budget für das Stipendienprogramm.
Stever nimmt zwischen Austern und Bombenexplosionen vor allem den Zynismus ins Visier, der das Hilfsprojekt-Business durchdringt. Im Kern aber zeichnet sie das Porträt einer Frau, die jeglichen Halt verloren zu haben scheint. Ihr gehe es um das Wohl der Mädchen, beteuert Dorothea (gespielt von Maria Furtwängler) immer wieder. Doch weil die ausbleiben, kümmert sie sich um sich selbst. Sie schickt ein nicht ausreichend qualifiziertes Mädchen zum Studieren nach Europa, um das Projekt und auch ihren Job zu retten. Alkohol und ein blutjunger Lover geben ihr unterdessen die Illusion von Wärme. Als Dorotheas Vorgesetzte überraschend zur Evaluation aus Deutschland anreist und sich die bisher einzige Stipendiatin, kaum in Paris angekommen, aus dem Staub macht, droht ihr alles zu entgleiten.
Maria Furtwängler, die seit Jahren hauptsächlich im Fernsehen zu sehen ist und von der man als „Tatort“-Kommissarin eine meist kühle und sachliche Darstellung gewohnt ist, macht in dieser für sie seltenen Kinorolle eine im doppelten Sinne gute Figur. Sie führt die Widersprüche ihrer Außenwelt ausdrucksstark zur persönlichen Krise einer Mittvierzigerin zusammen, die letztlich vor allem eines möchte: etwas von sich für die Ewigkeit hinterlassen. Dorothea ist zugleich aber auch eine Kunstfigur, in der sich kritische Aspekte von Entwicklungszusammenarbeit und den privaten Schwierigkeiten ihrer Akteure plakativ vermengen.
Anders als Ulrich Köhler, der sich in „Schlafkrankheit“
(fd 40 521) vielschichtig und fast beiläufig den Dilemmata der Entwicklungszusammenarbeit näherte, arbeitet Stever bewusst mit Zuspitzungen, die mal gelungen-tiefgründig, mal unfreiwillig platt wirken. Wenn zum Schluss während des großen Gala-Diners das letzte bisschen Illusion abgefackelt wird, mag der Film vielleicht Diskussionen provozieren, doch richtig provokant ist er deshalb noch lange nicht. Zu gleichgeschaltet verhalten sich die allesamt resignierten Figuren. Das künstlerische Pamphlet dünnt darüber zur One-Women-Show aus, die in einem zu einförmig-artifiziellen Raum aufgeführt wird, um ernsthaft in Aufruhr zu versetzen.