Naturfilme fristen im Kinobetrieb ein Schattendasein. Und das, obwohl sie mit prachtvollen Landschaftsbildern im Westernpanorama oft leinwandaffiner sind als manch anderes Genre. Den ethischen Bildungsauftrag nimmt man ihnen seit Grzimeks Zeiten gerne ab. Dennoch goutieren viele sie vor allem als seichte Fernsehunterhaltung. Eine Art Bildschirmschoner-Plus, wobei das Plus aus einer sonoren Märchenerzählerstimme besteht.
Solche Klischees stellt der lange Jahre freiberuflich tätige Kameramann Werner Schüssler in seinem Kinodebüt als Regisseur auf die Probe. Oder reproduziert er sie lediglich? Schüssler holt fünf Naturfilmteams vor die Kamera. Der bayerische Biologe Jan Haft („Das grüne Wunder – Unser Wald“, fd 41 274) zeigt seine Heimat, wie man sie sonst nur sieht, wenn man stundenlang von einem Baumwipfel aus auf einen Adlerhorst starrt. Der Kanadier Rob Stewart („Sharkwater“, fd 38 676) streichelt Tigerhaie, betont aber, dass ein Hai kein Schoßhund sei. Das österreichische Ehepaar Rita und Michael Schlamberger setzt den Sambesi, einen der längsten Flüsse Afrikas, ins rechte Licht. Auch der Sonnenaufgang hinter den Victoriafällen gehört da zum Job. Die indische Tierfilmerin Rita Banerji macht an der ostindischen Küste mit Infrarotlicht spektakuläre Nachtaufnahmen von der „Arribada“ der Oliv-Bastardschildkröten. Tausende Weibchen legen an einem kleinen Strandabschnitt ihre Eier ab. Der US-amerikanische Meeresbiologe Mark Shelley schließlich dokumentiert die Auswilderung von Otter 501, einem Kalifornischen Seeotter, der lange Zeit als ausgestorben galt. Sie alle bringen zum Teil atemberaubend schöne und fast immer faszinierende Bilder auf die Leinwand. „Passion for Planet“ bündelt sie zum „Best of“-Tierfilm: sonorer Off-Sprecher, folkloristischer Soundtrack, gestochen scharfe Zooms, epische Weiten, Tauchgänge, Luftaufnahmen. Dennoch spürt man, dass die Dokumentation noch etwas anderes sein möchte als ein Naturfilm zweiter Ordnung.
Schüsslers Blick richtet sich auch auf die Kameras. Was zeichnet die Natur- und Tierfilmer aus? Was verbindet sie? Ihre leidenschaftliche Liebe zur Natur, wie schon der Titel nahelegt. Ihre Geduld. Vor allem aber haben sie eine ähnliche Botschaft. Rob Stewart unterstützt die Aktivisten von „Sea Shepherd“, die mit ihren Schiffen kleine Fischerboote abdrängen und mit Wasserkanonen beschießen, um sie am illegalen Haifang zu hindern. Rita Banerji zeigt, wie die frisch geschlüpften Schildkröten vom Licht einer Fabrikanlage in die Irre geleitet werden und Umweltschützer sie eimerweise ins Meer tragen. Jan Haft beklagt den Bau eines Autobahn-„Monstrums“ durchs Isental. Und die Schlambergers formulieren es so: „Nur was man kennt, liebt man. Und nur was man liebt, bewahrt man.“
Schüssler unterstützt mit seiner Produktionsfirma „are U happy? Films“ den Kampf gegen Klimawandel und Artensterben. „Passion For Planet“ ist fraglos als Beitrag dazu gedacht. Dadurch aber, dass er die Bilder nicht selbst kommentiert, sondern seinen engagierten Protagonisten das Wort erteilt, vermeidet er einen missionarischen Unterton – jedenfalls meistens. Der kritische Blick hinter die Tierfilmkulissen bleibt dennoch die Ausnahme. Mark Shelley bemerkt, dass die filmische Aufmerksamkeit für bedrohte Tierarten auch eine Gefahr sei, weil dadurch deren Rückzugsgebiete bekannt würden. Außerdem hat er keine Lust mehr, stundenlang in Büros mit Geldgebern zu verhandeln. Schlamberger gesteht, dass die „Naturfilme, wie sie der Markt verlangt“ in der Regel „geschönt“ sind. Schon ein kleiner Schwenk zur Seite auf wild fotografierende Touristengruppen könne so manche Illusion zerstören. An der Quelle des Sambesis entdecken seine Frau und er eine Gabun-Viper. In freier Wildbahn ein extrem seltener Anblick. Es gelingt ihnen jedoch nicht, sie zu filmen. Also drehen sie die Aufnahmen später auf einer Krokodilfarm nach. Nasse Blätter werden auf dem Gras verstreut. Die Viper wird von Tierpflegern aus dem Terrarium geholt. „Das ist richtiger Naturfilm“, kommentiert Schlamberger süffisant. „Alles Fake!“
Derart desillusioniert aber möchte Schüssler einen nicht aus dem Kinosaal schicken. Stattdessen macht er sich den kämpferischen Optimismus Rob Stewarts zu eigen, der in seinen Filmen eine „Revolution“ predigt. Durch „Sharkwater“, prahlt er, sei der Handel mit Haiflossen fast überall auf der Welt verboten worden. Ergo: „Filme können die Welt verändern.“ Das allerdings wäre von „Passion for Planet“ dann doch ein bisschen zu viel verlangt.